Seelsorge zu Wasser: Die Flussschifferkirche in Hamburg
Seit 1952 liegt Deutschlands einzige schwimmende Kirche in Hamburg vor Anker. Dem mobilen Einsatz dient zudem die Barkasse "Johann Hinrich Wichern" - der Theologe gründete 1870 die Binnenschifferseelsorge.
Zweimal in der Woche fährt ein Team aus ehrenamtlichen Helfern und Diakonen mit der Barkasse "Johann Hinrich Wiechern raus ins Hamburger Hafengebiet und besucht dort Binnenschiffer und ihre Familien an ihrem Arbeitsort. Das Motto: Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen können, kommt die Kirche eben zu den Menschen. Im Gepäck haben die Kirchenmänner und -frauen traditionell etwas Schokolade, Obst und eine aktuelle Zeitung aus dem Heimatland der jeweiligen Binnenschiffer.
Ein Theologe macht sich für Binnenschiffer stark
Zurück geht das kirchliche Engagement zu Wasser auf den Hamburger Pastoren Johann Hinrich Wichern, nach dem die Barkasse für die mobilen Einsätze benannt ist. Er gilt als der Begründer der Diakonie. 1870 gründete er die Binnenschifferseelsorge, um jene Menschen zu erreichen und ihnen zu helfen, die so gut wie keinen Kontakt zur Kirche hatten.
Anfang der 50er-Jahre wurde schließlich ein ehemaliger Frachtkahn zum Kirchenschiff umgebaut. Am 7. Dezember 1952 wurde die Flussschifferkirche durch den damaligen Landesbischof Simon Schöffel geweiht und damit zur evangelisch-lutherischen Flussschiffergemeinde. Mittlerweile ist die marineblaue Flussschifferkirche mit den Kirchenfenstern und dem Kreuz vor der Speicherstadt ein Blickfang - auch für Touristen. Die Hamburger nennen sie liebevoll "Flusi".
Geborgenheit im Kirchenschiff
Das 26 Meter lange Hauptboot der Flussschifferkirche ist ein ehemaliger Weserleichter, der bereits im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kam. Umfunktioniert zum Kirchenschiff schwankt es dort während der Gottesdienste schon einmal. Zusammen mit der hölzernen Innenarchitektur, dem Altar, dem Taufbecken, einer Orgel und den Kirchenfenstern, die Szenen aus der Schiff- und Binnenschifffahrt darstellen, ein Ambiente, das von den Gästen als authentisch und heimelig empfunden wird: "Das ist das Besondere: Man hat das Gefühl hat, man sitzt auf einem Schiff und ist gleichzeitig geborgen wie in einer Kirche - oder symbolisch gesehen: geborgen in Gottes Hand", so Pastorin Sabine Förster, die seit 2019 die Vorstandsvorsitzende des Trägervereins der Hamburger Flussschifferkirche ist.
Offen für Hochzeiten, Trauerfeiern - und Kultur
Ursprünglich lag das Schiff auf der Veddel, ab 2006 in der Billwerder Bucht, aktuell hat es seinen Liegeplatz im Binnenhafen vor der Speicherstadt. Jeden Sonntag um 15 Uhr findet auf der Flussschifferkirche ein Gottesdienst statt, der von verschiedenen Pastorinnen und Pastoren ehrenamtlich gehalten wird. Das Schiff, das auch für Hochzeiten, Taufen und Trauerfeiern, Konzerte und Lesungen genutzt werden kann, nimmt zudem am Hafengeburtstag, dem Tag des offenen Denkmals und der Nacht der Kirchen teil.
Ein offenes Ohr für Alltagsnöte
Ein großer Teil der ehrenamtlichen Arbeit liegt aber auch im direkten Kontakt zu den Binnenschiffern und ihren Familien direkt an ihrem Arbeitsplatz. Das Suchen und finden dieser Menschen, die ihren Alltag hauptsächlich auf Elbe und Weser verbringen, funktioniert heute mithilfe moderner Technik: Mit einer App, die alle Schiffe im Hamburger Hafen genau identifiziert, ermittelt das Team, wo die Binnenschiffe liegen, die sie anfahren wollen. Gottsdienste stehen dann allerdings nicht im Fokus: Vielmehr geht es darum, den Menschen unterschiedlichster Herkunft und Konfession ein offenes Ohr zu schenken und sie in ihren Alltagsnöten zu unterstützen und zu begleiten. Und die sind durchaus vielfältig: Abhängig von Wetter und Tide und zum Teil ohne Elektrizität unterwegs ist das Leben an Bord in der Regel karg - und der finanzielle Kampf ums Überleben bei vielen allgegenwärtig.
Gestützt von Ehrenamt und Spenden
Bis 2007 war die Flussschifferkirche eine eigene Gemeinde. Die Zahl der Flussschiffe und der Binnenschifferfamilien ist im Lauf der Jahre allerdings deutlich zurückgegangen. Wegen finanzieller Schwierigkeiten des Kirchenkreises Alt-Hamburg ging die Trägerschaft der Flussschifferkirche dann auf einen privaten Verein, den Verein zur Förderung und Erhaltung der ev.-luth. Flussschifferkirche zu Hamburg e.V. über. Seitdem finanziert sich die Flussschifferkirche hauptsächlich durch Spenden und Patenschaften.