Schützenfest Hannover: Eine lange Tradition seit 1529
Vom Schießen auf einen hölzernen Papagei bis zum heutigen Rummel auf dem Schützenplatz: Seit mindestens 495 Jahren wird in Hannover das traditionelle Schützenfest gefeiert. Es gilt als das größte der Welt.
Das Schützenfest in Hannover hat eine lange Tradition: Seit mindestens 495 Jahren wird es in der Stadt an der Leine veranstaltet. Der Beweis dafür liegt im Stadtarchiv: Das Dokument Nr. 1,1777 ist datiert auf den 8. April 1574. Darin bestätigt Herzog Erich II. anlässlich eines Grenzstreites das von seinem Vater, Erich dem Älteren zu Braunschweig und Hannover, 1529 erteilte Privileg eines Schützenfestes. Die Bürger dürfen demnach mit Billigung des Landesherrn das Schießen trainieren, "damit die junge Bürgerschaft desto mehr Ursach haben möge, sich inn Schutzgefahr zu üben".
Ursprünge im Mittelalter
Das Schützenwesen in Hannover, das noch älter ist als das Fest, hat sich aus zwei Quellen entwickelt: aus der mittelalterlichen Wehrverfassung und aus der Modeströmung der Schützengesellschaften, die von Flandern ausging. Die Bürger der deutschen Städte bewaffneten sich, um sich besser gegen die Übergriffe des Adels und der Fürsten schützen können. Im 15. Jahrhundert kämpften die sächsisch-thüringischen Schützengesellschaften zum Beispiel gegen die Hussiten, revolutionäre Bewegungen in Böhmen, die auf den tschechischen Reformator Jan Hus zurückzuführen sind.
Der "Papagoie" ist tot - mausetot
Schon 1303 waren die vier Stadtteile Hannovers in vier Fähnlein unterteilt. Beim Ertönen der Sturmglocke hatten ihre Mitglieder zu den Hauptplätzen der Stadt zu eilen. Weil das Schießen aber geübt sein wollte, wurde vom Rat der Stadt ein Scheibenschießen angeordnet. Bürger versammelten sich allwöchentlich auf dem Schießplatz, dem Gelände der 1371 zerstörten Feste Lauenrode. Ziel war ein hölzerner Vogel, der "Papagoie", der auf einer langen Stange, den Baum, montiert war.
Vom Übungsschießen zum Volksfest
Neben diesen vom Rat organisierten Schützen gab es schon einen Privat-Schützenverein, der die Vornehmsten der Bürgerschaft zu seinen Mitgliedern zählte: die Papagoiengesellschaft. Sie wird als erste Schützengesellschaft Hannovers angesehen, deren Mitglieder zunächst noch mit Armbrüsten auf den hölzernen Papageien schossen. Der Verein veranstaltete zu Pfingsten, Johannis und Michaelis jeweils ein Festschießen, wobei das Pfingstschießen am bedeutendsten war. Dort gab es bereits einen Ausmarsch, der vom Brauer-Haus in der Osterstraße startete. Aus dem Übungsschießen der Wehrfähigen und dem sportlichen Schießen der Gesellschaft entwickelte sich allmählich ein Volksfest.
Eine Tonne Bier als "Zielwasser"
Schützenvereine organisierten sich im Mittelalter nach dem Vorbild der Zünfte. Die besten Schützen wurden mit Privilegien ausgezeichnet. In Hannover gab es bis zum Ersten Weltkrieg für die "besten Männer" Abgaben und Grundsteuerfreiheit sowie besondere Holzrechte. Um 1400 erhielt der Schützenkönig auch eine Tonne Bier als "Zielwasser". Auch damals gab es schon eine Schützenordnung: nicht im Weg stehen, keine Schimpfworte, keinen Streit suchen. Eine Strafe musste in Naturalien gezahlt werden.
Schützenfest wurde immer wieder verboten
Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) entstanden sogenannte stehende Heere, der Niedergang des Schützenwesens begann. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts artete das Schießen derart aus, sodass an Montagen kaum jemand in den Werkstätten zu finden war, Frauen klagten, dass Männer das ganze Geld verschießen würden. Es kam oft zu Tumulten und Schlägereien auf dem Schützenplatz. Im 18. Jahrhundert und während der napoleonischen Besetzung war das Schützenfest ganz verboten. 1837 gestatte die Schützenordnung wieder die Bildung von Vereinen und das Tragen einer Schützenuniform. Auch von 1945 bis 1949 wurde nicht gefeiert - die Alliierten hatten die Schützenfeste verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hafteten den Vereinen der Ruf des Militarismus an - und ein dementsprechend schlechtes Image. Die Goldmedaille der Schützen bei den Olympischen Spielen von 1960 in Rom half aber dabei, sie als sportliche Vereinigung zu akzeptieren.
Wie läuft das Fest heute ab?
Das Schützenfest beginnt traditionell mit der Bruchmeisterverpflichtung im Rathaus durch den Oberbürgermeister. Danach marschieren alle Teilnehmenden und Musikkapellen zum Schützenplatz. Anschließend steht der Fassbier-Anstich auf dem Programm. Und auch heute noch wird geschossen: In der Schießsportanlage im Stadtteil Wülfel finden die mehrtägigen Wettbewerbe statt. Höhepunkt ist der Schützenausmarsch am Sonntag nach Festbeginn, der mit etwa 10.000 Teilnehmern als größter Schützenausmarsch der Welt gilt. Sie bewältigen eine 3,5 Kilometer lange Strecke. Der Umzug selbst kommt auf eine Länge von zehn Kilometern. An den folgenden Tagen finden unter anderem Ehrungen, Festessen und diverse Wettbewerbe statt. Außerdem stehen den Besuchern viele Fahrgeschäfte sowie weitere Attraktionen zur Verfügung. Das Schützenfest endet am Abschlusssontag mit einem Fackelzug vom Schützenplatz in die Altstadt, wo der Zapfenstreich abgehalten wird.
Inzwischen verzeichnen die Verantwortlichen rund eine Million Besucher pro Jahr. Viele von ihnen kosten das Schützenbier, das extra für das Fest gebraut wird.