Rolf-Liebermann-Studio: Ein Musiksaal mit Vergangenheit
Für die Zuschauer muss es früher im "Studio 10" eine Qual gewesen sein. Und das lag keineswegs an der dargebotenen Musik. Es war der Konzertsaal selbst, der für Unbehagen sorgte. Nicht nur, dass die unansehnliche Holztribüne mit ihrem "rückenmarterndem Gestühl" plagte. Da waren auch "die mehr oder weniger braunen Seitenvorhänge, unübertroffen an Scheußlichkeit", wie das "Hamburger Abendblatt" schonungslos schrieb. Am 6. März 2000 aber zeigte sich der umgebaute Konzertsaal des NDR im Hamburger Stadtteil Harvestehude erstmals von seiner neuen Seite - nun unter dem Namen Rolf-Liebermann-Studio. Und seitdem ist vieles anders. Das Gestühl ist deutlich bequemer. "Und das Licht ist angenehmer, der Raum wirkt heller und luftiger", lobte der "Abendblatt"-Journalist und Musik-Kenner Joachim Mischke. "Vorbei die Zeiten, in denen man über das Verlöschen der Beleuchtung froh war, damit man das Interieur nur noch ungenau erkennen konnte."
Vergoldete Decke statt abgewetzte Teppiche
Acht Monate hatte der aufwendige Umbau gedauert. Der NDR gab dafür 5,7 Millionen Mark aus, das sind umgerechnet gut 2,9 Millionen Euro. Auch die abgewetzten Teppiche waren nun weg. Stattdessen sorgt seitdem die vergoldete Decke im Foyer für Glanz. Auch die Tontechnik im Saal war fortan vom Feinsten. Die neue Bühne ist größer als zuvor im "Studio 10" und um einen halben Meter erhöht - für besseren Hörgenuss.
Rolf Liebermann: Ein wichtiger musikalischer Motor
Der neue Name für das umgebaute Studio kam nicht von ungefähr. "Mit ihm ehren wir Rolf Liebermann, der als Leiter der Hauptabteilung Musik beim NDR und Intendant der Hamburgischen Oper wichtiger musikalischer Motor für die Stadt war", sagte der damalige NDR Intendant Jobst Plog bei der Eröffnung im Frühjahr 2000. Liebermann war im Jahr zuvor gestorben. Der Schweizer leitete ab 1957 zwei Jahre lang die Hauptabteilung Musik des Norddeutschen Rundfunks, im Anschluss war er mehr als ein Jahrzehnt lang Intendant der Hamburgischen Staatsoper.
Das Rolf-Liebermann-Studio befindet sich in einem Gebäude mit bewegter Vergangenheit. Seit 1982 steht es unter Denkmalschutz. Denn ursprünglich war der Bau als "Tempel" für eine jüdischen Gemeinde errichtet worden. Und so legten die Architekten des Umbaus auch Wert darauf, dass der historische Ursprung des Gebäudes weiterhin sichtbar ist.
Die Geschichte der Synagoge in der Oberstraße
Die Synagoge in der Oberstraße - vom Auftraggeber bewusst "Tempel" genannt, um sich von anderen jüdischen Gemeinden abzugrenzen - war am 30. August 1931 eröffnet worden. Bis zu 1.200 Gläubige fanden dort Platz. Der Entwurf stammte von den beiden jüdischen Architekten Felix Ascher (1883-1952) und Robert Friedmann (1888-1940) aus Hamburg. Die Synagoge gilt heute als der bedeutendste noch erhaltene jüdische Sakralbau der Weimarer Republik. Nur zwei moderne Synagogen entstanden in den 1930er-Jahren. Neben dem Tempel in der Oberstraße zählt die Synagoge in Plauen in Ostdeutschland dazu, die aber 1938 von den Nationalsozialisten zerstört wurde.
Ein ganz besonderer Tempelverein
Der Neue Israelitische Tempelverein - als Auftraggeber der Synagoge - hatte sich 1817 in Hamburg gegründet. Die Gründer wollten erreichen, dass sich die jüdischen Mitglieder ihres Verein stärker in die deutsche Gesellschaft integrieren - und das Judentum wiederbeleben, das ihrer Auffassung nach in seinen Formen erstarrt war. So erstellte der Tempelverein ein neues liturgisches Gebetbuch, in dem nicht nur die hebräische, sondern auch die deutsche Sprache verwendet wurde. Zudem banden sie Frauen stärker in das Gemeindeleben ein. Der Hamburger Tempelverband galt als " die Mutter zahlloser liberaler (jüdischer) Gemeinden im Reich und in der Welt überhaupt". So fasste es in den 1930er-Jahren ein Rabbiner zusammen.
Dann kam die "Reichspogromnacht"
Aber das Gemeindeleben in der Oberstraße währte nur sieben Jahre. Der letzte Gottesdienst wurde dort im Jahr 1938 gefeiert. In der "Reichspogromnacht"entweihte ein von den Nationalsozialisten angestachelter Mob den Tempel. Die Inneneinrichtung wurde demoliert. Der einzige Grund, das Gebäude nicht abzubrennen, war wohl die Sorge, dass Feuer könnte auf die benachbarten Wohnhäuser übergreifen. 1941 ging das Gebäude in den Besitz der Stadt über. Die Nationalsozialisten wollten dort ein "Kolonialamt" einrichten, sobald das Dritte Reich Kolonien erobert hätte. Doch aus diesen Plänen wurde nichts.
Getreidelager, Kino und Redaktionräume
Und so überstand das Gebäude den Krieg unter anderem als Getreidelager. Auch als Kino und Redaktionssitz der Zeitung "Hamburger Fremdenblatt" wurde es genutzt. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mietete der NWDR - der Vorgänger des NDR - das Gebäude und baute es so um, dass dort Radio-Aufnahmen und Konzerte stattfinden konnten. 1953 kaufte der NDR das Gebäude schließlich von der Jewish Trust Corporation.
Starpianist und eine Nobelpreisträgerin
Nach der Wiedereröffnung im Jahr 2000 sind viele Stars und große Namen im Rolf-Liebermann-Studio aufgetreten - unter ihnen ist der Star-Pianist Lang Lang. Aber auch so manche Schriftsteller fanden hier ihr Publikum. Martin Walser las auf der Bühne ebenso wie Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller.