Arolsen Archives: Erinnerung und Aufarbeitung der NS-Zeit
Ihre Hauptaufgabe ist Erinnerung und Aufarbeitung der Nazi-Zeit: Die Arolsen Archives in Hessen sind das weltweit größte Archiv zu Opfern und Überlebenden des NS-Regimes. Dort werden Dokumente zu rund 17,5 Millionen Menschen aufbewahrt.
Die Arolsen Archives im hessischen Bad Arolsen verstehen sich als das internationale Zentrum über NS-Verfolgung mit dem weltweit umfassendsten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Sie beinhaltet Dokumente zu den verschiedenen Opfergruppen des NS-Regimes, zur Zwangsarbeit sowie zu sogenannten Displaces Persons (Vertriebene) und stellt eine wichtige Wissensquelle für die Gesellschaft dar. Die Arolsen Archives erteilen Auskünfte zum Schicksal ehemals NS-Verfolgter an Überlebende oder an ihre Angehörigen, darüber hinaus auch an Dritte, wenn die Betroffenen sich dazu bereit erklärt haben.
"Ausgehend von unserer einzigartigen Sammlung über NS-Verfolgte gedenken wir der Opfer und setzen uns zugleich in der heutigen Gesellschaft für historische Wahrheit sowie Respekt, Vielfalt und Demokratie ein." Mission der Arolsen Archives
Vorgänger-Institution von den Allierten gegründet
Bis 2019 wurden die Arolsen Archives noch unter dem Namen Internationaler Suchdienst (englisch: International Tracing Service; ITS) geführt. Sie beantworten bis heute jährlich Anfragen zu rund 20.000 NS-Verfolgten. Die Klärung von Schicksalen und die Suche nach Vermissten war über Jahrzehnte die zentrale Aufgabe der Institution, die 1948 von den Alliierten gegründet wurde. Damals war die Kernaufgabe des ITS die Suche nach nichtdeutschen Personen im Gebiet des damaligen Deutschen Reiches sowie den deutsch besetzten Gebieten in der Zeit von 1933 bis 1945, die während des Zweiten Weltkrieges verschleppt worden waren oder aus anderen Gründen vermisst wurden.
"Möge dieses Archiv, das der Wiedergutmachung an den Opfern und deren Angehörigen dient, allen kommenden Generationen eine Mahnung sein, solches Unheil nie wieder über die Menschheit kommen zu lassen." Zitat aus der Bestimmungsurkunde, die am 20. August 1952 beim Richtfest des Haupthauses der Arolsen Archives eingemauert wurde
Digitalisierung von Informationen für ein Online-Archiv
Seit 2015 bauen die Arolsen Archives ein umfassendes Online-Archiv auf, um den weltweiten Zugriff auf die Dokumente zu ermöglichen. Dabei setzen die Verantwortlichen auch auf die Mithilfe von Freiwilligen. Jeder kann sich daran beteiligen, zuvor eingescannte Dokumente in eine Datenbank zu übertragen. Unter dem Motto #everynamecounts ("Jeder Name zählt") ruft die Einrichtung die Bevölkerung rund um den Holocaust-Gedenktag am 27. Januar zum Mitmachen auf. Aber auch unabhängig von diesem Datum ist eine Mitarbeit ausdrücklich erwünscht. Die Daten lassen sich über ein leicht verständliches, intuitiv nutzbares Tool eingeben, versprechen die Verantwortlichen. Alle Infos: https://everynamecounts.arolsen-archives.org.
Jedes Jahr Tausende Anfragen
Jedes Jahr wenden sich viele Tausend Menschen aus der ganzen Welt an die Arolsen Archives, um mehr über das Schicksal von NS-Verfolgten zu erfahren. Bei den Mitarbeitendeb sind dabei Empathie, Geschichts- und Fremdsprachenkenntnisse sowie ein langer Atem gefragt. Die Anfragenden bekommen Kopien von Dokumenten, die im Archiv aufbewahrt werden. Sie erhalten auch Tipps, an welchen Stellen sich eine weitere Suche lohnen könnte. Wer die Originaldokumenten anschauen möchte, kann nach Bad Arolsen kommen und dort recherchieren. Mitarbeiter führen die Interessierten dann "durch das Schicksal ihres Verwandten, erklären die Dokumente und liefern Kontextinformationen über die Systematik der NS-Verfolgung, Zwangsarbeit oder den Alltag in den Konzentrationslagern", heißt es auf der Website der Einrichtung. Die Arolsen Archives recherchieren auch für Hobbyforscher, Historiker, Journalisten und alle, die sich für die NS-Verfolgung interessieren.
Bildung und Forschung stehen ebenfalls im Mittelpunkt
Das Archiv ist zugleich die Grundlage für Bildung und Forschung. So bringen die Arolsen Archivs zum Beispiel verschiedene Bildungsmaterialien heraus und organisieren Ausstellungen. Veranstaltungen informieren über Forschungsprojekte.
Finanzierung durch den Bund geregelt
Rechtliche Basis für die Arolsen Archives ist das Berliner Übereinkommen von 2011. Es hat das Bonner Abkommen von 1955 abgelöst. Das Papier regelt unter anderem die Finanzierung der Arolsen Archives durch den Bund, genauer gesagt durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die Institution kann auch Mittel aus öffentlichen oder privaten Quellen einwerben und annehmen. Seit dem 1. Januar 2013 ist das Bundesarchiv der Bundesrepublik Deutschland der institutionelle Partner der Arolsen Archives.
"Mit der Arbeit der Arolsen Archives bleibt die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten als fortwährende Warnung vor Rassismus und Antisemitismus lebendig und kann wirksam weitergetragen werden. Dabei können sie auf einen immensen und zeitgeschichtlich unglaublich wertvollen Dokumentenbestand zurückgreifen." Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien und Schirmfrau der Kampagne #everynamecounts
Netzwerke über Grenzen hinweg ausgebaut
Die Arolsen Archives haben ihre Netzwerke stets ausgebaut - und das immer über Grenzen hinweg. Gedenken, Forschung und Bildung werden international gedacht. "Die Zusammenarbeit mit unseren Partnern ist auch deshalb entsprechend bedeutsam. Neben vielen projektorientierten Partnerschaften engagieren wir uns seit vielen Jahren in der European Holocaust Research Infrastructure (EHRI) sowie als permanenter internationaler Partner in der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA)", heißt es auf der Website der Institution.