Wie Hamburg des Widerstandskämpfers Helmuth Hübener gedenkt
Mit nur 17 Jahren wird Helmuth Hübener von den Nazis hingerichtet. Zu seinem 80. Todestag hat Hamburg eine Gedenkfeier ausgerichtet. Einige Institutionen erinnern dauerhaft an den Widerstandskämpfer.
Der Name Helmuth Hübener dürfte den meisten Hamburgern nicht geläufig sein - in das allgemeine historische Gedächtnis der Hansestadt haben sich die Flugblatt-Aktionen des jugendlichen Widerstandskämpfers gegen das Nazi-Regime von 1941 bis 1942 offenbar nicht eingebrannt. Gleichwohl handelt es sich bei Hübener um einen bemerkenswerten Menschen, der in jungen Jahren mutig für seine Überzeugungen eingetreten ist und dafür sogar seinen eigenen Tod in Kauf genommen hat. Und den es lohnt zu kennen.
Zum Tode verurteilt im Kampf gegen die Nazis
Zusammen mit drei Freunden hört der Jugendliche während des Zweiten Weltkrieges Feindsender ab. Mit Flugblättern wollen sie die Bevölkerung über die tatsächliche Kriegslage und die Verbrechen der Deutschen informieren. Die Vierergruppe wird erwischt, verhaftet und kommt vor den Volksgerichtshof in Berlin. Weil Hübener versucht, alle Schuld auf sich zu nehmen, erhalten Karl-Heinz Schnibbe (16), Rudolf Wobbe (16) und Gerhard Düwer (17) lediglich Haftstrafen zwischen vier und zehn Jahren. Hübener hingegen wird zum Tode verurteilt. Am 27. Oktober 1942 stirbt der 17-Jährige in Berlin-Plötzensee unter der Guillotine.
Geblieben sind von Helmuth Hübener nicht nur ein paar Fotos und alte Dokumente. In der Hauptstadt trägt die Schule der Jugendstrafanstalt Berlin seit 2020 seinen Namen, dort ziert auch sein Porträt die Fassade. In seiner Heimatstadt Hamburg erinnert noch einiges mehr an den jungen Widerstandskämpfer.
Stadtteilschule in Barmbek macht "Mut üben" zu ihrem Motto
Seit 2011 heißt etwa die vorherige Schule Benzenbergweg im als Arbeiter-Viertel bekannten Barmbek-Nord Stadtteilschule Helmuth-Hübener. Über ihren Namensgeber schreibt die Schule, Hübener sei kein Phantast gewesen, "der sich Illusionen über greifbare Erfolge seiner Aktionen gemacht hätte. Für ihn zählte allein die moralische Verpflichtung, die Wahrheit sagen zu müssen, ein Zeichen zu setzen. Er war geprägt von einer klaren inneren Überzeugung dessen, was richtig und was falsch ist." Die Stadtteilschule hat sich verpflichtet, Helmuth Hübener als Vorbild zu betrachten, was in eigenen Leitlinien festgehalten ist.
"Helmuth Hübener ist uns ein Vorbild für Zivilcourage und für den Einsatz für ein friedliches Zusammenleben der Menschen." Leitbild der Helmuth-Hübener-Schule
Die Schule verweist auf Hübeners starkes Gerechtigkeitsempfinden und auf sein kompromissloses Eintreten für Freiheit als Grundrecht, aber auch als Freiheit von Krieg und Barbarei. "Eine solche Haltung, zumal bei einem Jugendlichen, ist heutzutage, obwohl grundrechtgarantiert, nicht selbstverständlich, damals war sie die Ausnahme", heißt es auf der Schulhomepage.
Alle zwei Jahre richtet die Schule den Helmuth-Hübener-Wettbewerb aus, in dem es unter anderem um Zivilcourage, gegenseitiges Verständnis, Verbesserung des Schulklimas und gegen das Vergessen geht. Ihr Motto "Mut üben" hat die Schule aus dem Namen HelMUTh HÜBENer abgeleitet.
Verwaltungsschule Borgfelde zeigt Dauerausstellung
Die Hamburger Verwaltungsschule benennt 1967 nach ihrem Einzug in das Gebäude Schwenckestraße 100 ihre Aula nach Helmuth Hübener, der dort während seiner Ausbildung Schüler gewesen ist. Seit dem Umzug der Schule in den Normannenweg 26 in Borgfelde im Jahr 2009 ist dort eine ständige Ausstellung zu Hübener und der Widerstandsgruppe zu sehen. Die Schule möchte damit ein Zeichen setzen.
"Unsere Verantwortung in der Verwaltung liegt insbesondere darin, dass wir Menschen gleich und fair behandeln, die Grundrechte achten und die Werteordnung des Grundgesetzes zur Grundlage unseres jetzigen und späteren Handelns machen." Kernaussage der Verwaltungsschule Borgfelde
In der Ausstellung sind Fotos von Hübener, Flugblätter, Dokumente und Berichte zu sehen. Außerdem ist in der Schule ein Saal nach ihm benannt.
Installation in der Hamburger Kunsthalle
Im Bieberhaus in St. Georg - dort, wo Helmuth Hübener ab 1941 seine Ausbildung für die gehobene Verwaltungslaufbahn in der Hamburger Sozialbehörde absolviert - hat die Künstlerin Cordula Ditz 2020 zur Ausstellung "Mind the Gap" beigetragen. Sie hat nicht nur zur Geschichte des Gebäudes recherchiert, sondern auch zu Helmuth Hübener. Ihre Installation trägt den Titel "You may not know him but" ("Sie werden ihn wohl nicht kennen, aber...").
Cordula Ditz sagt selbst: "Ich kannte ihn so nicht gar nicht, obwohl ich Hamburgerin bin." Die Installation beinhaltet unter anderem Radiogeräte, die für das Abhören des Feindfunks stehen. Sie ist inzwischen Teil der permanenten Sammlung der Hamburger Kunsthalle und dort bis zum 18. Februar 2024 zu sehen.
Zwei Straßen in Hamburg tragen Hübeners Namen
In Hamburg-Lohbrügge erinnert schon seit 1965 der Helmuth-Hübener-Weg an den Widerstandskämpfer. Ob ein Bezug Hübeners zu der Gegend bestanden hat, können Bezirksamt Bergedorf und Staatsarchiv mangels Informationen in den Akten heute nicht mehr sagen.
Im Stadtteil St. Georg gibt es seit 2003 den Helmuth-Hübener-Gang. An der angrenzenden Heinrich-Wolgast-Schule hat die Hamburger Künstlerin Hildegund Schuster ein Wandbild zur Erinnerung an die Helmuth-Hübener-Gruppe geschaffen. 2010 wird es öffentlich präsentiert. Der Stadtteil Hammerbrook, in dem Hübener damals wohnt, gehört bis 1938 zu St. Georg - als St. Georg Süd. Hübeners einstige Ausbildungsstätte liegt ebenfalls in St. Georg. In der heutigen Sozialbehörde an der Hamburger Straße 47 erinnern im Eingangsbereich eine Gedenktafel sowie Fotos und Dokumente an den ehemaligen Lehrling.
Stolperstein in der Sachsenstraße verlegt
In der Sachsenstraße 42 in Hammerbrook hat Hübener zuletzt gewohnt. Im Krieg werden dort fast alle Häuser zerstört, der gesamte Stadtteil liegt in Trümmern. Heute sieht es dort völlig anders aus. Anstelle stattlicher Gründerzeit-Wohnhäuser säumen viele zweckmäßige Büro- und Firmengebäude die Straßen. Zur Erinnerung an Helmuth Hübener ist ein Stolperstein auf dem Gehweg der Sachsenstraße in Höhe der heutigen Hausnummer 2 eingelassen worden.
Einstiges Polizeigefängnis wird Unterkunft für Wohnungslose
Hütten 42 ist die Adresse des ehemaligen Polizeigefängnisses in Hamburg. Zur NS-Zeit werden dort politische Gegner inhaftiert - wie Helmuth Hübener. Seinen Namen trägt heute eine Unterkunft für wohnungslose, alleinstehende Männer an dieser Stätte. Träger ist das Sozialunternehmen Fördern und Wohnen. Im Keller sind noch einige Zellen vorhanden, die Interessierten am jährlichen Tag des offene Denkmals gezeigt werden. Zwischenzeitlich sind im Treppenhaus verschiedene Kunstwerke zur Erinnerung an Hübener angebracht worden. Diese gibt es dort mittlerweile nicht mehr.
Förderkreis bietet Berufsorientierung für Jugendliche
Das Haus der Familie an der Straße Bei der Schilleroper 15 auf St. Pauli führt lange Zeit den Namen Helmuth Hübeners. Bis zum einem Umbau ist der Schriftzug auch an der Fassade des Gebäudes zu sehen gewesen. Das Haus versteht sich als Netzwerk für den Stadtteil St. Pauli und bietet verschiedene Hilfen für Kinder, Jugendliche und Familien an. Dort ist auch der 1987 gegründete Förderkreis Helmuth Hübener Haus beheimatet, der sich unter anderem um Berufsorientierung und Bewerbungstrainings für Jugendliche kümmert sowie eine Stadtteilwerkstatt unterhält, in der geschraubt und gebaut werden kann.
Vereine und Organisationen halten Erinnerungen aufrecht
- Das Stadtteilarchiv Hamm hat zu Helmuth Hübener geforscht und einige Materialien in seinem Bestand, die vor allem von Buch-Autor Ulrich Sander ("Jugendwiderstand im Krieg - Die Helmuth-Hübener-Gruppe 1941/1942") stammen. Das Archiv hat an der Ausstellung in der Verwaltungsschule Borgfelde mitgewirkt.
- Auch die Geschichtswerkstatt St. Georg kümmert sich darum, dass das Thema Widerstand in Hübeners Heimat-Stadtteil nicht vergessen wird.
- Im St. Pauli-Archiv liegen ebenfalls einige Dokumente und Materialien über Hübener.
- Die Geschichtswerkstatt Barmbek organisiert regelmäßig Veranstaltungen im Stadtteil, zum Beispiel Lesungen zu Schulgeschichten aus der NS-Zeit oder zur Jugend in der Nachkriegszeit.
- Die Hamburger Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) hat 2021 unter anderem mit dem Medienpädagogik Zentrum Hamburg, mehreren Geschichtswerkstätten und Kultureinrichtungen den Film "Vier gegen Hitler - Auf den Spuren der Helmuth-Hübener-Gruppe" von Jürgen Kinter und Gerhard Brockmann produziert. Er dokumentiert die Lebens- und Widerstandsgeschichte der Gruppe und ist zugleich ein aktueller Beitrag zu einer aktiven und kreativen Gedenk- und Erinnerungskultur. Die VVN ist ebenfalls mit dem Hübener-Biografen Sander im Austausch.
Gedenkveranstaltungen der Stadt Hamburg
Zur Erinnerung an Helmuth Hübener veranstaltet die Hamburger Sozialbehörde, die mit Manfred Schönbohm übrigens einen Beauftragten für Erinnerungskultur hat, regelmäßig Gedenkfeiern. 2012 sagt der damalige Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) anlässlich Hübeners 70. Todestages: "Menschen, die wie er gegen das Nazi-Regime Widerstand leisteten, gebührt ein dauerhafter Platz in der Geschichte Deutschlands."
2022 würdigt Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) Hübener einen Tag vor dessen 80. Todestag. Sie hebt den Mut und den Willen des jungen Mannes hervor, die in der damaligen Zeit außergewöhnlich gewesen seien. An der Gedenkfeier in der Helmuth-Hübener-Schule in Barmbek nehmen auch Stefan Romey, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Stiftung Hilfe für NS-Verfolgte, und Norma van der Walde, eine Zeitzeugin aus einer Hamburger Widerstandsfamilie, teil. Peggy Parnass - Journalistin, Autorin und Publizistin sowie langjährige Kämpferin für Gerechtgkeit - ist ebenfalls unter den Gästen.