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Sibrand Siegert aus Güstrow: Als Held verehrt, als Täter verschont

Stand: 09.09.2024 05:00 Uhr

Im Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Mecklenburg galt Pastor und Landessuperintendent Sibrand Siegert bis vor Kurzem als Held. Recherchen des NDR belegen nun aber eine verdrängte Seite seiner Biografie.

von Heiko Kreft

Der Pastor und Landessuperintendent Sibrand Siegert ist eng mit dem Kampf der "Bekennenden Kirche" und der Rettung Güstrows 1945 verbunden. Im Zweiten Weltkrieg jedoch diente er als stellvertretender Lagerkommandant in Kriegsgefangenenlagern. Dort kamen unschuldige Menschen ums Leben.

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Ein Mann verlässt den Kunstkaten in Ahrenshoop. © NDR Foto: Screenshot
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Sibrand Siegert aus Güstrow: Als Held verehrt, als Täter verschont

Der Pastor war bekannt für sein Eintreten für die "Bekennende Kirche", aber er war auch Vize-Kommandant von Kriegsgefangenenlagern. 45 Min

"Haus der Kirche" wurde nach Siegert benannt

Das Haus der Kirche in Güstrow. © Evangelisch-Lutherischer Kirchenkreis Mecklenburg
70 Jahre lang trug das "Haus der Kirche" den Namenszusatz "Sibrand Siegert".

Fast 70 Jahre war das Güstrower "Haus der Kirche" nach Sibrand Siegert (1890-1954) benannt. In einem überraschenden Schritt nahm die Nordkirche diese Benennung nun zurück. Der Grund: Während des Zweiten Weltkrieges diente Siegert unter anderem als stellvertretender Lagerkommandant in deutschen Kriegsgefangenenlagern in Weißrußland. Von Januar 1943 bis August 1944 war er zunächst im Stammlager Stalag 337 in Baranowitschi, später im Stalag 352 in Minsk tätig. Im Gesamtzeitraum ihrer Existenz starben in beiden Lagern zwischen Juli 1941 und Juni 1944 mutmaßlich etwa 200.000 sowjetische Kriegsgefangene.

Das Haus der Kirche in Güstrow. © Evangelisch-Lutherischer Kirchenkreis Mecklenburg
AUDIO: Haus der Kirche "Sibrand Siegert" in Güstrow wird umbenannt (4 Min)

"Schmerzhafte Neubewertung"

Die Trennung vom Namen Sibrand Siegert sei kein leichter Schritt gewesen, sagt Propst Marcus Antonioli, der eine Arbeitsgruppe der Nordkirche zur Umbenennung des Güstrower "Haus der Kirche" leitete. Man habe eine schmerzhafte Neubewertung vornehmen müssen: "Wenn ein Nachfahre eines Opfers uns fragen würde: Warum ist dieses Haus so benannt? Da hätte ich Mühe gehabt, das zu erklären." Dass Sibrand Siegert jetzt hinterfragt wird, liegt auch an seinen Nachfahren. 2019 gab es in Güstrow den Vorschlag, ihn zum Ehrenbürger zu ernennen. Gleichzeitig sollte dem Kommunisten und SED-Funktionär Bernhard Quandt diese Ehre aberkannt werden. Familie Siegert erhielt damals einen Hinweis auf die verdrängte Geschichte.

Unbequeme Fragen an Familiengeschichte

Der Enkel von Sibrand Sieger, Karl-Matthias Siegert © NDR
Der Enkel von Sibrand Siegert, Karl-Matthias Siegert, hat viel zu seinem Großvater recherchiert.

"Mein Impuls war: Wenn es wirklich belastende Unterlagen gibt und die erkennen Quandt die Ehrenbürgerwürde ab und sprechen sie einem Kommandanten eines Kriegsgefangenenlagers zu, in dem Zigtausende verhungert sind, dann kann das nicht richtig sein", erinnert sich Karl-Matthias Siegert. Er ist ein Enkel von Sibrand Siegert, geboren kurz nach dem Tod seines Großvaters. Die Familie begann nachzuforschen und unbequeme Fragen an die eigene Geschichte zu stellen. Dass Sibrand Siegert in mehreren Stalags diente, sei allgemein bekannt gewesen, sagt Karl-Matthias Siegert. "Aber was da wirklich los war, das hat die wenigsten eigentlich interessiert. Mich bis dahin auch nicht."

Aufwendige Recherchen des NDR

Unabhängig von den Bemühungen der Familie und vor der Umbenennung des "Haus der Kirche" unternahm auch der NDR Mecklenburg-Vorpommern umfangreiche Recherchen zur Biografie. Es wurden Hunderte historische Dokumente aus Archiven und Bibliotheken in Rostock, Berlin, Schwerin und Kiel ausgewertet: Predigten, Aufsätze, Reden, Briefe, Verwaltungsschreiben, Verhörprotokolle, Zeugenaussagen, Fotos, Karten. Zusammengefasst werden sie in einer erweiterten Podcast-Ausgabe der Sendung "Kunstkaten" von NDR 1 Radio MV.

Die neuen Erkenntnisse ergeben ein in Teilen neues Bild Sibrand Siegerts, an den in seiner Heimatstadt Güstrow bislang ausschließlich positiv erinnert wird.

Als Pastor in Gestapo-Haft

Luftaufnahme von Güstrow im Kreis Rostock um 1934 © picture alliance / arkivi
In Güstrow hielt man große Stücke auf Sibrand Siegert.

Dass Sibrand Siegert dort vor allem als Held verehrt wird, liegt unter anderem an seinem mutigen Eintreten für die "Bekennende Kirche". Die von ihm betreute Pfarrkirchgemeinde entwickelt sich nach 1933 zu einem Zentrum des Widerstands gegen die Übernahme der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs durch die Nationalsozialisten. Deshalb wird Pastor Siegert damals bespitzelt, schikaniert, bedroht. 1935 erhält er ein öffentliches Redeverbot. Die eigene NS-hörige Kirchenleitung leitet ein Disziplinarverfahren ein, beurlaubt ihn für fast zwei Jahre, verwehrt ihm über einen längeren Zeitraum den Zugang zur eigenen Pfarrkirche. Im Dezember 1937 sitzt Sibrand Siegert zwei Wochen in Gestapo-Haft in Schwerin. Begründet wird das auch mit einem tumultartigen Gottesdienst zum Reformationsfest im Jahr zuvor. In der Pfarrkirche hatte Siegert als Vertreter der "Bekennenden Kirche" eine Erklärung verlesen, die sich unter anderem gegen die religiöse Überhöhung Adolf Hitlers richtet.

Gegen NS-Kirche, aber für NS-Staat

Pastor Siegert verwahrt sich immer wieder und vehement gegen die nationalsozialistische Umdeutung, gegen die verfälschende Inanspruchnahme von Bibel, Glaube, Kirche. Er bekennt sich zum traditionellen Luthertum. Ein grundsätzlicher Gegner des Nationalsozialismus ist er aber nicht. Nicht nur 1933 bejubelt er in mehreren Predigten den Machtantritt der Nationalsozialisten. "Zu rechter Zeit hat Gott dem Volk einen Führer gesendet, der Deutschland vor der hereindringenden Flut ostischen Geistes, vor dem Ungeheuer der Gottlosigkeit bewahrte", predigt er beispielsweise im November 1933. Mit solchen Aussagen ist Siegert ein typischer Vertreter der damaligen mecklenburgischen Pastorenschaft - auch innerhalb der "Bekennenden Kirche".

Anti-Bolschewismus als treibende Kraft

"1933 hatte man wirklich das Gefühl: 'Hitler und die NSDAP haben uns gerade noch vor dem Massenabschlachten und der bolschewistischen Revolution gerettet.'", sagt der Kirchenhistoriker Ulrich Peter. Er hat intensiv zum Wirken mecklenburgischer Pastoren im NS-Staat geforscht. Die Weimarer Demokratie lehnt Sibrand Siegert ab. Das wird in vielen seiner Predigten der 1920er- bis -40er-Jahre deutlich. Immer wieder spricht er über die Weimar Republik als ein Land der Schmach, der Schande, der verlorenen Ehre. Hinzu kommt ein ausgeprägter Anti-Bolschewismus - ebenfalls typisch für seine Pastorengeneration. "Es gab ein totales Bedrohungsszenario in der evangelischen Kirche: Morgen kommt der Bolschewik und macht das, was Bolschewiken immer tun. Er bringt die Pfarrer um", spitzt Ulrich Peter diese Sichtweise zu.

Erste Station Offizierslager Woldenberg

Das frühere Oflag IIC in Woldenberg im heutigen Polen ist ein Museum und erinnert an die bis zu 7.000 polnischen Offizieren, die dort inhaftiert waren. © NDR
Die Bedingungen im Offizierslager IIc waren miserabel.

Mit diesem imaginierten Bild von den Sowjets wird Sibrand Siegert im September 1940 in die Wehrmacht eingezogen. Bereits im Ersten Weltkrieg hatte er mit Stolz gedient, später in Güstrow als Standortpfarrer gewirkt. Angesichts seines fortgeschrittenen Alters ordnet man ihm dem sogenannten Kriegsgefangenenwesen zu. Ab Januar/Februar 1941 ist Sibrand Siegert im Offizierslager Oflag IIc in Woldenberg - im heutigen Polen - eingesetzt. Im Lager werden bis zu 7.000 polnische Offiziere festgehalten. Unter miserablen Bedingungen, sagt der polnische Historiker Przemysław Słowiński. "Kriegsgefangene berichten sehr oft darüber, dass morgens beim Aufwachen alle Flüssigkeiten in den Räumen gefroren waren. Das Essen war sehr, sehr dürftig." Etwa ein halbes Jahr versieht Sibrand Siegert dort seinen Dienst. Mit dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion erfolgt im Juni 1941 seine Versetzung nach Riga. Dort befindet sich die  zentrale Kommandostelle für die Kriegsgefangenenlager im Bereich "Ostland".

Tausende Tote pro Tag

Zwei deutsche Soldaten der Wachmannschaft von Stalag 352. Im Hintergrund mit Kreuzen gekennzeichnet ein Massengrab mit ermordeten und verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen. © BStU
Im Stalag 352 kamen im Winter 1941/42 etliche sowjetische Gefangene ums Leben.

Die Situation in den deutschen Lagern in der Sowjetunion ist menschenunwürdig, medizinische Versorgung und angemessene Ernährung kaum gegeben. Politoffiziere und jüdische Soldaten werden gezielt "ausgesondert" und ermordet. Im Stalag 352 müssen im Winter 1941/42  sowjetische Gefangene  trotz zweistelliger Minustemperaturen im Freien übernachten. Viele überleben es nicht. Ein nach dem Kriegsende verfasster sowjetischer Bericht benennt weitere Todesursachen im Stalag 337 und 352: "Massenerschießungen, Tötung in Vergasungswagen, Vergiftung mit verdorbenen Speisen, sowie durch Misshandlungen und Hinrichtungen am Strang". Der frühere Stalag-352-Gefangene Segeji Sawgorodnij sagt 1973 aus: "Ich mußte als Sanitäter die Leichen sammeln. Es gab Fälle, in denen während eines Zeitraums von 24 Stunden bis zu 3.000 Leichname gesammelt werden mußten. Wir transportierten diese Leichname ungefähr 600 Meter vom Lager weg und warfen sie in Gruben."

60 Massengräber für Kriegsgefangene

Rund um das Stalag 337 legen die deutsche Besatzer Massengräber an. Sie werden nach dem Krieg geöffnet und untersucht. "Im Halbkreis von etwa fünf Kilometern zum Kriegsgefangenenlager 337 wurden 60 Gräber verschiedener Ausmaße entdeckt. Davon 19 in einer Länge von 63 Meter und drei im Ausmaß von 150 x 4,6 Meter. In den Gruben und Gräbern wurden 50.000 Menschen bestattet, von denen 44.000 Kriegsgefangene im Alter von 20 bis 45 Jahren waren", heißt es in einem auf den 1. Januar 1945 datierten belarussischen Protokoll.

Siegert wird in "Täterkartei" aufgenommen

Thomas Will, Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung von nationalsozialistischen Verbrechen, steht im Archiv der Einrichtung an Archivschränken mit Karteikarten. (07.12.2023) © picture alliance/dpa Foto: Bernd Weißbrod
Die Behörde von Oberstaatsanwalt Thomas Will untersucht das Geschehen in den Kriegsgefangenenlagern 337 und 352.

"Fakt ist, dass die Zustände im Kriegsgefangenenwesen gerade in den ersten Jahren - aber nicht nur in den ersten Jahren - katastrophal waren, dass die Menschen in Millionenzahl gestorben sind unter qualvollen, grausamen Bedingungen", sagt Oberstaatsanwalt Thomas Will, Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung NS-Verbrechen in Ludwigsburg. Seine Behörde untersucht seit 1967 das Geschehen in den Kriegsgefangenenlagern 337 und 352. Dabei gerät auch der Güstrower Kirchenmann Sibrand Siegert ins Visier. Er wird in die sogenannte Täterkartei“der Behörde aufgenommen, doch die Ermittlungen führen nicht zur Anklage, denn Siegert ist zu diesem Zeitpunkt längst verstorben.

Stasi untersucht Verbrechen

Auch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR ermittelt ab 1967 gegen das Personal der beiden Stalags im heutigen Belarus. Mit einem sogenannten Freunde-Ersuchen baten die Sowjets ihre ostdeutschen Verbündeten um Mithilfe bei der Suche nach noch lebenden Angehörigen der Wachmannschaften. Insgesamt 465 Namen verdächtiger Personen werden übermittelt. Darunter Sibrand Siegert. Er wird als einer der Hauptverdächtigen benannt. Über seine Rolle im Lager teilen die Sowjets der Stasi mit: "Kompaniemeister, Leiter der Abteilung IIa der Kommandantur des Stalags 352, Aufgaben: Kommandeursangelegenheiten, Dienstantritt, Versetzungen, Kommandierungen, Entlassungen, Urlaub der Offiziere, Angestellten und Dolmetscher in Offiziersrang usw." Der Pastor aus Güstrow war demnach so etwas wie der Verwaltungschef des Kriegsgefangenenlagers. Er war verantwortlich für den reibungslosen Dienstablauf.

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Kriegsverbrechen kurz vor dem Ende?

In seine Dienstzeit im Minsker Stalag 352 fällt möglicherweise auch ein Kriegsverbrechen. Der frühere Kriegsgefangene Sergeji Sawgorodniji sagt 1973 in einer Zeugenvernehmung über die letzten Wochen von Stalag 352 aus: "Kurze Zeit ehe wir von der sowjetischen Armee befreit wurden, zwangen die Deutschen Kriegsgefangene, Gruben mit Leichnamen von Angehörigen der Zivilbevölkerung wieder aufzugraben. Sie nahmen die Leichen heraus und verbrannten sie auf Scheiterhaufen. Alle Kriegsgefangenen, die an der Ausgrabung teilnahmen, kehrten nicht ins Lager zurück." Ob sich dieses Geschehen so ereignete, ob Sibrand Siegert davon wusste oder beteiligt war - das lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Als stellvertretender Lagerleiter hätte er es mitzuverantworten gehabt.

Verurteilung heute wahrscheinlich

Würde der Kirchenmann heute noch leben, müsste er nicht nur deswegen wahrscheinlich mit einer Anklage und auch mit einer Verurteilung vor Gericht rechnen. Durch eine veränderte Rechtssprechung deutscher Gerichte gilt mittlerweile auch die Beihilfe als strafbar. Das zeigt das jüngsteUrteil des Bundesgerichtshofes im Fall einer Sekretärin des KZ Stutthof. "Täter, zu deren Taten man Beihilfe leistet, sind der Kommandant, sind die lagerführenden Personen", ordnet Oberstaatsanwalt Thomas Will ein. "Schon die bloße Dienstausübung kann eine Strafbarkeit wegen Beihilfe bedingen, wenn systematische Tötungen vorgelegen haben und erkennbar waren."

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"Retter von Güstrow"

Im Güstrower Museum wird bis heute an die Rolle Sibrand Siegerts bei der kamplosen Einnahme Güstrows im Mai 1945 erinnert. Die Stadt und Zehntausende Menschen wurden dadurch gerettet. © NDR
Im Güstrower Museum wird bis heute an die Rolle Sibrand Siegerts bei der kampflosen Einnahme Güstrows im Mai 1945 erinnert.

Ab Oktober 1944 ist Sibrand Siegert wieder als Pastor in Güstrow tätig. Im Mai 1945 sorgt er mit dafür, dass die Stadt von der Roten Armee kampflos eingenommen wird. Zusammen mit anderen Männern geht er zum Güstrower Stadtkommandanten Ernst Nobis und bittet ihn um die Kapitulation. Eine äußerst mutige Aktion, findet Bärbel Kovalevski, die langjährige Leiterin des Güstrower Museums. "Es galt ja der sogenannte Flaggenbefehl. Der besagte, dass man Menschen sofort erschießen kann, sobald jemand eine weiße Fahne oder Zeichen der Aufgabe zeigt." Auch in den Jahren bis zu seinem Tod 1954 zeigt sich Sibrand Siegert mutig - zum Beispiel im Ringen um die "Jungen Gemeinden" in der DDR. Unvergessen ist auch seine Rolle bei der Bodenreform. Auf einem in vielen ostdeutschen Geschichtsbüchern abgedruckten Bild ist er bei der Aufteilung eines Gutes in der Nähe von Güstrow zu sehen.

Komplexes Leben und Wirken

Retter Güstrows, Vormann der "Bekennenden Kirche", Kommandierender in Stalags - Sibrand Siegerts Leben und sein Wirken sind komplex und widersprüchlich. Welche seiner Seiten wiegt mehr? "Es gehörte beides zu seinem Leben und damit auch zu unserer Familiengeschichte", sagt Enkel Karl-Matthias Siegert. Seine Verdienste um Güstrow und die Landeskirche würden nicht geschmälert, wenn auch die bisher verdrängte Vergangenheit zur Sprache käme. "Das andere ist eben auch da. Und es fällt ins Gewicht. So stark, dass der Name zurückgezogen wird. Was ich schade finde, aber verstehen kann."

Transparenzhinweis: Im NDR Landesfunkhaus Mecklenburg-Vorpommern ist Sibrand Siegert, der Urenkel des 1954 verstorbenen Pastors und Superintendenten Siegert, als Chef vom Dienst und Redaktionsleiter tätig. In Themenfindung, Beauftragung, Recherche, Produktion und redaktionelle Abnahme war er nicht eingebunden.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 01.09.2024 | 19:30 Uhr

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