Peter Zadek: Zwischen Welttheater und Skandalen
Seine Shakespeare-Inszenierungen sind bis heute legendär - und umstritten. 1976 sorgte Peter Zadek mit seinem "Othello" in Hamburg für einen Theaterskandal. Am 30. Juli 2009 starb der Regisseur in Hamburg.
Schon zu Lebzeiten ist Peter Zadek eine Legende. Auch und gerade weil viele seiner Inszenierungen Publikum und Kritik oft tief spalten. Seine Hamburger "Lulu", heute seine vielleicht berühmteste Inszenierung, sorgt sogar für einen handfesten Theaterskandal.
Erste Sporen in London verdient
Am 19. Mai 1926 wird Peter Zadek in Berlin geboren. Er stammt aus einer jüdischen Familie. Vater Paul und Mutter Susanne gehen 1933 mit ihrem Sohn nach London, später nach Oxford. Dort besucht Paul Zadek das St. John Baptist College der Colleges der University of Oxford. Er kommt in Kontakt mit einem Amateurtheater, daraufhin beginnt er eine Regieausbildung in London. Bereits mit 21 Jahren inszeniert er "Salome" von Oscar Wilde.
Die eigene Theatertruppe - ein Jugendtraum
"My way" nennt Peter Zadek seine erste Autobiografie genannt - und seinen Weg ist er immer gegangen, selten geradeaus, oft mit überraschenden Wendungen. Der Dramaturg Hermann Beil, ein langjähriger Wegbegleiter, formuliert es einmal so: "Das finde ich das ungemein Sympathische an ihm, dass er nicht stur an einer Linie festhält, sondern es sind bei ihm Kurven, Schlangenlinien, er schlägt Haken - und insofern ist man immer wieder neugierig."
So erfüllt Zadek sich 2005, vier Jahre vor seinem Tod, noch einen Jugendtraum. Zusammen mit Tom Stromberg gründet er eine eigene Theatertruppe, die, natürlich, "My way productions". Gespielt werden sollen die für ihn zeitlebens so zentralen Werke Shakespeares. Und das von Schauspielern aus der über Jahrzehnte gewachsenen "Zadek-Familie" - wie Eva Mattes, Uwe Bohm, Susanne Lothar und Angela Winkler.
Peter Zadek konnte tagelang bei den Proben schweigen
Die Beziehung zu seinen Schauspielern ist zentral für Peter Zadek. Während der Proben lässt er sie oft tagelang einfach spielen - und treibt sie zur Verzweiflung, weil er nichts kommentiert, sondern einfach wartet und beobachtet. Der inzwischen verstorbene Gert Voss beschreibt Zadeks Methode so: "Es wird ja wahnsinnig viel gelogen am Theater, also beim Spielen auch, und er hat uns Schauspieler dazu gebracht, statt zu verstellen, uns zu enthüllen. Und zwar mit der ganzen Person."
Theaterskandale "Othello" und "Lulu"
Ja, es gehört sehr viel Mut dazu oder auch Überwindung, sich so preiszugeben. Doch wenn das gelingt, entsteht großes Theater. Wie 1976 "Othello" am Hamburger Schauspielhaus, mit Eva Mattes und Ulrich Wildgruber. Der mit schwarzer Farbe bemalte Koloss Wildgruber raste über die Bühne - und der Theaterskandal war perfekt: "Ein Totengräber des Theaters. Die Kapitulation vor dem Menschen ist diese Vorstellung, einfach grauenhaft. Ein Missbrauch von Shakespeare, ein Missbrauch der Schauspieler, zum Kotzen", so die Pressestimmen.
Zwölf Jahre später dann, wieder am Hamburger Schauspielhaus: "Lulu" mit Susanne Lothar. Der nächste Skandal. In diesen Jahren ist Peter Zadek auch Intendant des größten deutschen Sprechtheaters, doch die Verwaltungsarbeit liegt ihm nicht. Ab 1989 arbeitet er nur noch als freier Regisseur. "Meine Begabung ist sicher, am Theater mit Menschen zu arbeiten und aus den Menschen, aus der Mixtur, von dem, was die Menschen an Fantasie zu dem Thema oder dem Stück oder dem Film bringen und was ich dazu bringe, dann das zu formulieren", beschreibt er seine Arbeit selbst.
"Welttheater" aus Bremen
Dabei hält Zadek sich selbst für einen scheuen, verkrampften Menschen. Warum er sich entschieden habe, zum Theater zu gehen, wisse er gar nicht genau, gesteht er einmal. Seine ersten Inszenierungen hat er noch in England herausgebracht. "Die Regiearbeiten, die ich in England gemacht habe, waren immer in einem ganz komischen Missklang mit dem englischen Publikum", erinnert er sich. "Aber nicht der Art von Missklang, der hier entsteht, sondern in England war ich einfach ein Deutscher."
Zadek führt das Theater in eine neue Zeit
Ende der 1950er-Jahre kehrt Peter Zadek nach Deutschland zurück, und geht 1962 mit Kurt Hübner nach Bremen. Dort sei "Welttheater" entstanden, findet Claus Peymann, der aus Hansestadt stammt und damals ein Jugendabonnement für das Theater in Bremen hat: "Das war der Aufbruch in eine neue Zeit. Das deutsche Theater fand Anschluss an das internationale Theater. Die Zeit des Biedermeiers der Nachkriegszeit, von den Leuten, die sich irgendwie mit den Nazis engagiert hatten, war dann mit einem Paukenschlag vorbei", erklärt der Theaterregisseur.
Zadek inszeniert auch dort Shakespeare, unter anderem "Maß für Maß", eine ebenfalls legendäre Aufführung. Bei Shakespeare findet der Regisseur all das, was sein Theater ausmacht. Schönheit und Wildheit, Horror, Obszönität und Grazie.
2009 nach langer Krankheit gestorben
Am 30. Juli 2009 stirbt Peter Zadek nach langer Krankheit in Hamburg. Er wird 83 Jahre alt. In Bremen wird im Jahr 2010 ein Platz nach dem berühmten Regisseur benannt. Im Oktober 2012 wird das Peter-Zadek-Archiv in der Akademie der Künste in Berlin für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In Berlin-Wilmersdorf erinnert eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus in der Offenbacher Straße an Zadek.