Der Schriftsteller Erich Maria Remarque 1956 auf dem Flughafen Tempelhof in Berlin. © dpa - Bildarchiv Foto: Bruechmann
Der Schriftsteller Erich Maria Remarque 1956 auf dem Flughafen Tempelhof in Berlin. © dpa - Bildarchiv Foto: Bruechmann
Der Schriftsteller Erich Maria Remarque 1956 auf dem Flughafen Tempelhof in Berlin. © dpa - Bildarchiv Foto: Bruechmann
AUDIO: 22. Juni 1898: Geburtstag von Erich Maria Remarque (3 Min)

Erich Maria Remarque: "Im Westens nichts Neues"

Stand: 29.01.2024 05:00 Uhr

Als Jugendlicher kämpft Erich Paul Remark im Ersten Weltkrieg als Rekrut an der Westfront. Mit seinem Anti-Kriegsroman "Im Westen nichts Neues", der am 29. Januar 1929 erscheint, wird er als Erich Maria Remarque berühmt.

Als Erich Paul Remark kommt der Schriftsteller am 22. Juni 1898 in Osnabrück als Sohn des Buchbinders Remark auf die Welt. Diese Tatsache, die 30 Jahre später aus politischen Gründen bestritten wird, ist durch eine Geburtsurkunde der Stadt belegt. Ende der 1920er-Jahre hatten Nationalsozialisten verbreitet, er heiße eigentlich Kramer (Remark rückwärts gelesen) - eine Behauptung, um den Autoren des Anti-Kriegsromans "Im Westen nichts Neues" zu diffamieren und als Lügner darzustellen.

Remark wird zu Remarque: Über Umwege zum Schriftsteller

Nach der Schule besucht Remark das katholische Lehrerseminar. Im Jahr 1916 erscheint sein erster Text "Von den Freuden und Mühen der Jugendwehr". Als der Erste Weltkrieg zu Ende ist, absolviert er seine Lehrerprüfung und beginnt in Lohne bei Lingen als Volksschullehrer zu arbeiten, unterrichtet einige Wochen in Klein Berßen, schließlich einen Monat lang in Nahne bei Osnabrück. Aber der Beruf ist nicht das Richtige für ihn. Er quittiert den Schuldienst, hält sich mit Jobs über Wasser, schreibt Gedichte und Kurzgeschichten und veröffentlicht Theater- und Konzertkritiken bei der "Osnabrücker Tages-Zeitung". In dieser Zeit experimentiert er mit Künstlernamen. Er sieht den Ursprung seines Namens Remark bei französischen Vorfahren und entscheidet sich irgendwann - auch in Anlehnung an den Schriftsteller Rainer Maria Rilke - für Erich Maria Remarque. 1920 erscheint sein erster Roman "Die Traumbude".

Erich Maria Remarque als Werbetexter für Conti in Hannover

1922 zieht Remarque nach Hannover. Dort arbeitet er als Werbetexter und verantwortlicher Redakteur für das "Echo Continental" der Continental-Gummiwerke. Er beginnt zu reisen, lernt die Schweiz, Jugoslawien, Italien, England, Belgien und die Türkei kennen. 1925 zieht es ihn in die Hauptstadt Berlin. Hier verdient er sein Geld als Redakteur der Zeitschrift "Sport im Bild". Kurz darauf heiratet er die Tänzerin Jutta Ilse Zambona zum ersten Mal. Ein zweites Mal wird folgen.

"Im Westen nichts Neues": Klassiker nach Feierabend geschrieben

Erich Maria Remarque: "Im Westen nichts Neues", Einbandtitel der Ausgabe Berlin (Propylaeen-Verlag), 1929. © picture-alliance / akg-images
Der S. Fischer Verlag lehnt das Buch ab, im Ullstein Verlag wird es schließlich zu einem Stück Weltliteratur.

Nach Büroschluss schreibt er, ein Jahrzehnt nach seinen schlimmen Erlebnissen als Soldat, den Anti-Kriegsroman "Im Westen nichts Neues". 1928 bietet er das Werk zunächst dem S. Fischer Verlag an. Der hält das Thema für nicht mehr aktuell und lehnt ab. Ein glücklicheres Händchen beweist der Ullstein-Konzern: Er nimmt Werk und Autor unter Vertrag. Der Roman erscheint als Vorabdruck in der "Vossischen Zeitung", die dem Ullstein-Verlag gehört, und am 29. Januar 1929 darauf als Buch. "Im Westen nichts Neues" wird zum bis dahin größten Erfolg der deutschen Literaturgeschichte - auch wegen einer intensiven Vermarktung. Schon im ersten Jahr wird das Buch in 26 Sprachen übersetzt. Im Sommer 1930 sind bereits eine Million Exemplare in Deutschland verkauft.

"Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg"

Erich Maria Remarque um 1930 © picture-alliance / brandstaetter images/Austrian Archives Foto: Anonym
Den Nazis ist der Kriegsgegner Erich Maria Remarque, hier um 1930, ein Dorn im Auge.

Es ist die Zeit, in der die Nationalsozialisten ihre Machtübernahme vorbereiten - und ihnen gefällt der Erfolg des Buches nicht. "Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg. Bis ich 'rausfand, dass es welche gibt, die dafür sind. Besonders die, die nicht hineingehen müssen", sagt Remarque später. Nationalsozialisten verbreiten, dass Remarque eigentlich Kramer heiße. Er soll als Lügner dastehen. Sie behaupten auch, Remarque sei ein französischer Jude und wäre nie als Soldat im Ersten Weltkrieg gewesen.

"Im Westen nicht Neues"-Verfilmung nach nur einem Jahr

Filmszene aus "Im Westen nichts Neues". © picture-alliance / AKG
1930 wird "Im Westen nichts Neues" ("All Quiet on the Western Front") in den USA verfilmt.

Unterdessen verfilmt eine amerikanische Gesellschaft schon den Roman "Im Westen nichts Neues". Bei der Uraufführung 1930 in Berlin gibt es Ärger. Goebbels, damals Gauleiter vor Ort, lässt die Veranstaltung massiv stören. Im Dezember verbietet die Filmoberprüfstelle Berlin den Film. Wenige Wochen danach wird Remarque aus dem Ausland für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Dieser geht aber an die Pazifisten Jane Addams und Nicholas Murray Butler.

Vier Oscars für Neuverfilmung von Edward Berger

73 Jahre später wird Remarques Roman "Im Westen nichts Neues" durch die Neuverfilmung durch den Wolfsburger Regisseur Edward Berger große Ehre zuteil: In Los Angeles wird der Film im März 2023 mit gleich vier Oscars ausgezeichnet: als bester internationaler Film wie auch in den Kategorien "beste Kamera", "beste Filmmusik" und "bestes Produktdesign".

Weitere Informationen
Regisseur Edward Berger mit seinem Filmteam auf der Bühne der Oscar-Gala, dort nimmt er seinen Oscar für den Besten Internationalen Film in Los Angeles entgegen © Chris Pizzello/Invision via AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Chris Pizzello

Oscars 2023: "Im Westen nichts Neues" ist bester internationaler Film

Bei der Gala in Hollywood gewann das Drama des Wolfsburger Regisseurs Edward Berger vier Oscars. Bester Film ist "Everything Everywhere All at Once". mehr

Remarque geht in der Schweiz ins Exil

Die Villa von Erich Maria Remarque in Porto Ronco am Lago Maggiore im Juni 1992. © picture-alliance / dpa
1931 kauft Remarque diese Villa am Lago Maggiore in der Schweiz und zieht dort hin.

Remarque selbst hatte "Im Westen nichts Neues" als Teil einer Trilogie geplant. 1931 erscheint "Der Weg zurück", der zweite Teil. Vorerst von seiner Frau geschieden und viel im Ausland unterwegs, kauft Remarque eine Villa am Lago Maggiore in der Schweiz. Dort trifft er sich mit Thomas Mann, Carl Zuckmayer, Else Lasker-Schüler und anderen Autoren, die Deutschland verlassen haben.

Im Mai 1933 werden in der Berliner Universität Remarques Bücher öffentlich verbrannt. Er lebt weiter in der Schweiz und veröffentlicht 1937 den dritten Teil seiner Trilogie: "Drei Kameraden". 1938 entziehen die Nationalsozialisten ihm die deutsche Staatsangehörigkeit. Remarque hat seine erste Frau inzwischen zum zweiten Mal geheiratet, obwohl er auch eine Beziehung zu Marlene Dietrich hat.

Als der Zweite Weltkrieg beginnt, siedelt das Ehepaar Remarque in die Vereinigten Staaten über. Hier trifft der Autor viele Verleger und Filmproduzenten. Besonders Filmtheater-Besitzer und Produzent Joseph Kennedy, Vater des späteren Präsidenten der USA, hilft ihm, sich zu etablieren.

Marlene Dietrich, Greta Garbo & Co.: Chaos im Liebesleben

Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque bei einer Vorführung 1939 in Hollywood. © picture alliance / Everett Collection / Everett Col
Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque waren drei Jahre lang ein Paar und schrieben sich Hunderte von Briefen.

Der traumatisierte Osnabrücker Kriegsversehrte ist trotz der Depressionen, die ihn immer wieder einholen, ein attraktiver Mann von Welt geworden. Verheiratet mit einer Tänzerin, liiert mit Marlene Dietrich, dazu in einem Verhältnis mit einem Fotomodell, trifft er 1940 den Hollywood-Star Paulette Goddard, die frühere Frau von Charlie Chaplin. 18 Jahre später wird er sie heiraten.

Doch vorerst fasziniert ihn auch Greta Garbo, mit der er bald ebenfalls eine enge Beziehung beginnt. So geht es weiter. Remarque ist mit vielen Kreativen bekannt, lernt zahlreiche interessante Frauen kennen. Er hat keinerlei Ordnung in seinen Beziehungen. Aber der Kreativität schadet das nicht.

Acht Verfilmungen und ein Theater-Erfolg

Erich Maria Remarque mit seiner Ehefrau Paulette Goddard. © picture-alliance / dpa | UPI
Am 25. Februar 1958 heiraten Remarque und Paulette Goddard - es ist seine dritte Ehe.

In den USA erscheint 1941 in englischer Sprache "Flotsam", ein Roman über deutsche Flüchtlinge. Schicksale von Flüchtlingen stehen auch im Zentrum des Romans "Arc de Triomphe", der 1946 zuerst auf Englisch veröffentlicht wird. Dieses Buch wird wieder ein Welterfolg. Mit den späteren Romanen "Der Funke Leben", "Zeit zu leben und Zeit zu sterben", "Der schwarze Obelisk", "Die Nacht von Lissabon" gelingt das so nicht mehr. Und doch werden acht Werke von Remarque verfilmt. Auch mit seinem 1956 erschienenen Schauspiel "Die letzte Station" hat er Erfolg.

Späte Ehre in Deutschland

Deutschland ist inzwischen stolz auf ihn, den US-amerikanischen Staatsbürger, der viel in der Schweiz lebt. 1964 erhält Remarque die Justus-Möser-Medaille seiner Geburtsstadt Osnabrück, 1967 das Große Bundesverdienstkreuz. 1968 wird Remarque als Mitglied in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung aufgenommen. Insbesondere diese Ehrung soll den 70-Jährigen sehr gefreut haben. Er ist seit Längerem immer wieder schwer krank, hat mehrere Herzanfälle erlitten. Am 25. September 1970 stirbt Remarque in einer Klinik in Locarno.

Podcast Info Zeitzeichen Mediathekbild © PantherMedia Foto: belchonock
AUDIO: 25. September 1970: Erich Maria Remarque stirbt in Locarno (15 Min)

Osnabrück verleiht den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis

Seit 1991 vergibt Remarques Geburtsstadt Osnabrück alle zwei Jahre den mit 25.000 Euro dotierten Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis. Ausgezeichnet werden belletristische, wissenschaftliche oder journalistische Werke, die sich mit dem Thema Frieden auseinandersetzten. 2023 geht der Preis an die russische Schriftstellerin Ljudmila Jewgenjewna Ulitzkaja, die seit März 2022 im Exil in Berlin lebt. "Ihre kritische Haltung gegenüber dem damaligen sowjetischen und jetzt russischen Regime drückt sie in Romanen und Erzählungen aus, die nicht nur die russische Tragödie des 20. Jahrhunderts widerspiegeln, ein Jahrhundert der Gewaltherrschaft und des Genozids", heißt es dazu von der Stadt Osnabrück. Auch ein Sonderpreis wird verliehen, und zwar an den ukrainische Zeichner Sergiy Maidukov, der mit seinen Illustrationen des Kriegsalltags in der Ukraine weltweit Beachtung findet.

Weitere Informationen
Regisseur Edward Berger mit seinem Oscar für den Besten Internationalen Film in Los Angeles © Invision via AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Jordan Strauss

"Im Westen nichts Neues"- Regisseur Berger über Scham und Schuld

Der Filmregisseur aus Wolfsburg spricht im NDR Interview über die Oscar-Nominierungen für sein Kriegsdrama "Im Westen nichts Neues" und über die Geschichte des Films. mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 13.03.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Porträt

Mehr Geschichte

Bertha Keyser, der "Engel von St. Pauli" © Hauptkirche St.Michaelis

60. Todestag von Bertha Keyser: Der echte "Engel von St. Pauli"

Bertha Keyser hat sich ein halbes Jahrhundert lang um Arme und Obdachlose in St. Pauli gekümmert. Am 21. Dezember 1964 starb sie. mehr

Norddeutsche Geschichte