Stand: 02.09.2016 18:20 Uhr

HT 16: Von der Wehrertüchtigung zum Zumba

von Judith Pape

Neonfarbene Leggings, knatschbunte Energiedrinks am Empfangstresen und wummernde Bässe - nach Seniorenfitness sieht die Hamburger Turnerschaft 1816, kurz auch HT 16 genannt, nicht aus. Dabei feiert der älteste Turn- und Sportverein in diesen Tagen sein 200-jähriges Bestehen. Auf das Mit-der-Zeit-Gehen hat sich die Turnerschaft schon immer verstanden, ohne diese Bereitschaft wäre ihre Gründung undenkbar gewesen.

Denn es war auch eine revolutionäre Idee von der gemeinsamen Leibesertüchtigung, die der junge Kaufmannssohn Wilhelm Benecke Anfang des 19. Jahrhunderts aus Berlin mit nach Hamburg brachte. Gelernt hatte der 18-jährige Benecke das Turnen bei niemand Geringerem als Friedrich Ludwig Jahn. Auf der Hasenheide in Neukölln, einem alten Jagdrevier, verfolgte der später als Turnvater in die Geschichtsbücher eingegangene Jahn seine Idee von einem gemeinsamen Turnplatz. Dort sollte die Jugend "frisch, fromm, fröhlich, frei" ihre Muskeln trainieren.

Turnen für den Nationalstaat

Dabei hatte Jahn mehr als nur körperliche Fitness im Sinn: Nach den Napoleonischen Kriegen und der Besetzung durch französische Truppen 1806 hoffte Jahn die Nationen-Bildung im zersplitterten Deutschland mit der Hilfe von jungen, gut trainierten Männern im Militär voranzutreiben. Er wollte ein wehrhaftes, vereintes Deutschland schaffen. Dementsprechend sind die Turngeräte der Zeit auch Hindernissen im Feld nachempfunden: Auf dem Schwebebalken konnten die Turner das Balancieren auf einem über den Fluss geschlagenen Baum üben. Die Reckstange entsprach einem Ast und der Kasten dem Busch, hinter dem der Kämpfer hervorsprang, um den Feind zu verfolgen.

Diese Idee fruchtete auch in den patriotischen Kreisen der freien Hansestadt. In kürzester Zeit gewann der junge Benecke einen stattlichen Freundeskreis, der sich in Hamburg für das Jahnsche Turnen interessierte. Im Reitstall am Gänsemarkt trainierten die Kaufleute, Künstler und Schüler an Reck und Barren. Allerdings habe die Wehrertüchtigung dabei nur eine Nebenrolle gespielt, betont der Sportsoziologe Hans-Jürgen Schulke. Der ehemalige Direktor des Hamburger Sportamtes hat intensiv zur Geschichte der HT 16 geforscht. "Hamburg war eine Wirtschaftsmacht und keine Angriffsnation." Die Turnerschaft habe den Freiheitsbestrebungen in der liberalen Hansestadt entsprochen - es sei dabei nicht darum gegangen, die Weltherrschaft zu erringen.

Johanniskirche als erste Trainingshalle

HT 16 auf dem Weg in die Zukunft

Am Freitag, 2. September, wurde das Jubiläum der HT 16 bei einem Empfang im Rathaus gefeiert. Eine Jubiläumsgala musste der Verein aufgrund der klammen Kassen absagen. Einen weiteren Grund zum Feiern gibt es dennoch: Nach vier Jahren Planung und Diskussion haben die Bauarbeiten für den Neubau des Sportzentrums in Hamm begonnen. Bis Ende 2017 soll der vierstöckige Komplex mit Kletterhalle und Kita fertig sein.

An Beneckes Seite engagierte sich der Fechtmeister und Tanzlehrer Gotthard Nicolai, der zuvor im dänischen Altona am Versuch gescheitert war, eine Turnschule aufzubauen. Mit dem Turnzirkel um Benecke witterte er nun das Geschäft und bot im Sommer 1816 an, gegen Honorar eine öffentliche "Turnanstalt" zu erreichten, ein "Körperbildungsinstitut für alle Leibesübungen". Damit war die HT 16 geboren. Am 2. September 1816 nahm sie ihren Betrieb auf. In der Johanniskirche an der kleinen Alster fanden die Turner ihre Übungsräume. Dieses Gotteshaus stand auf dem Boden des heutigen Rathausmarktes und hatte den Soldaten Napoleons als Pferdestall gedient. Auf dem von den Franzosen eingezogenen Heuboden wurde elf Jahre lang geturnt.

Anfang 1818 trennten sich die Initiatoren. Nicolais militärischer Ton fand weniger Anklang bei den jungen Turnern, die Mitglieder bevorzugten den jungen, charismatischen Berliner Benecke. Dieser fand Nicolai daraufhin für seine Vorleistungen ab, übernahm die Mietverträge von Turngarten und "Turnboden" und benannte die Anstalt um in "Hamburger Turnplatz". Im Sinne des patriotischen Gemeinsinns regelte er die Turnzeiten bedarfsgerecht, senkte die Beiträge auf etwa drei Groschen und regelte die innere Ordnung im Sinne des Vordenkers Jahn. Seitdem hat der "Hamburger Turnplatz" einen gewählten Sprecher, den Turnwart, qualifizierte Vorstandsmitglieder, einen Gerätewart und Schreiber. Aus der losen freundschaftlichen Vereinigung wurde ein selbst organisierender Verein - bis heute. 1862 kam dann der Name "Hamburger Turnerschaft von 1816" hinzu.

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | 25.08.2016 | 20:00 Uhr

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