1914: Altona lädt zur großen Gartenschau
Mai 1914: Während im nahen Kohle- und Fischereihafen Kräne ihre schwarze Last auf den Kai schütten, Hafenarbeiter Metallfässer zur Güterbahn rollen oder von den Fischdampfern schwere Körbe mit Kabeljau an Land tragen, promenieren in Sichtweite die Altonaer Bürger durch Laubengänge.
Sie erfreuen sich an duftenden Rosen und leuchtenden Chrysanthemen. Vornehme Herren mit Gehstock und Zylinder und feine Damen in weißen Kleidern streben der Tanzhalle zu, dem Konzertpavillon oder dem Vergnügungspark.
Konkurrenz für Hamburg
Die Bürger besuchen eine einmalige Schau: die Gartenbauausstellung am Elbufer in Altona. Ein großes Ereignis, mit dem die bis 1937 eigenständige preußische Hafen- und Industriestadt die mächtige Nachbarin Hamburg endlich einmal in den Schatten stellen will.
Honoratioren und Exzellenzen sind erschienen, als Oberbürgermeister Bernhard Schnackenburg am 15. Mai 1914 seine Eröffnungsrede hält: "Wo findet sich wohl wieder eine solche Vereinigung intimen landschaftlichen Reizes, wie ihn der herrliche Baumbestand unseres hochaufragenden Elbufers bietet, mit dem monumentalen Ausblick auf einen gewaltigen, der Weltschiffahrt dienenden Strom mit dem so überaus interessanten Einblick in das große Getriebe eines Welthafens?“ Die Schirmherrschaft hat niemand Geringeres übernommen als die Kaiserin Auguste Viktoria.
Private Parks werden öffentlich
Die Stadt feiert sich selbst: anlässlich des 250. Stadtjubiläums und 50 Jahre nach der "Befreiung von der dänischen Herrschaft", wie es in einem Programmheft heißt. In der Absicht, etwas Bleibendes für möglichst weite Teile der Bevölkerung zu schaffen, hat sie den eigens dafür berufenen Stadtgartendirektor Ferdinand Tutenberg mit der Planung der Gartenbauausstellung beauftragt.
Schon vor der Jahrhundertwende hat die Stadt den Wriedtschen Park am Elbufer gekauft und 1912 den 54.000 Quadratmeter großen Park des verstorbenen Etatsrat Bernhard Donner samt Schloss und Mühlenteich. Tutenberg plant ein Areal, das diese Anlagen für die Altonaer erschließen soll, einen zusammenhängenden öffentlichen Park.
Gartenbau als soziale Aufgabe
Die Stadtväter erhoffen sich außerdem Impulse für den damals noch jungen Städtetourismus, vor allem aber Anregungen für den Altonaer Volkspark, den der Gartenbaudirektor ebenfalls einrichten will.
Gartenbau ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch eine wichtige soziale und städtebauliche Aufgabe. Überall in Deutschland entstehen in diesen Jahren öffentliche Grünanlagen, Sportstätten und Spielplätze in sogenannter Kinderwagenentfernung zu den Wohnquartieren. Sie sollen Erholungsräume bilden in den durch Landflucht und Industrialisierung inzwischen immens gewachsenen und verdichteten Großstädten des Reiches.
So hebt Oberbürgermeister Schnackenburg in seiner Eröffnungsrede den erzieherischen Wert einer Gartenbaukunst hervor, die "Oasen" schaffe, "auf die sich der Natur entfremdete Großstädter retten" könne. Um möglichst alle Schichten zu erreichen, ist der Eintrittspreis einigermaßen niedrig gehalten. Er beträgt 1,10 Mark (in heutiger Kaufkraft knapp fünf Euro), an "billigen Tagen" 60 Pfennige. Kinder und Soldaten zahlen die Hälfte. Ein Hafenarbeiter allerdings verdient damals nur rund sechs Mark am Tag.
Das Budget verdreifacht sich
Die Ausstellung soll die wilhelminische Gartenkunst in ihrem gesamten Spektrum zeigen, soll ein opulentes, bleibendes Ereignis im historischen Gedächtnis der Stadt werden. Immer neue Flächen werden erschlossen, am Hohenzollernring, an der Eggersallee. Zuletzt stellt sogar Kommerzienrat Plange Flächen seines Privatparks - des heutigen Heineparks - zur Verfügung. Das ursprüngliche Budget wird schon in den Monaten der Planungsphase verdreifacht, auf 1,13 Millionen Mark. In nur sieben Monaten errichten zahlreiche Handwerker 76 kleinere und größere Gebäude aus Holz, Ausstellungshallen, Lauben, Restaurants, Tanzlokale.
- Teil 1: Konkurrenz für Hamburg
- Teil 2: Bierlokal, Rosengarten und Naturschutz
- Teil 3: Nach Kriegsbeginn bleiben die Besucher aus