#everynamecounts: Infos zu "Cap Arcona"-Überlebenden digitalisieren
Der Untergang der Schiffe "Cap Arcona" und "Thielbek" in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945 ist der Anlass der neuen Aktion von #everynamecounts. Freiwillige können Hinweise auf Überlebende einer der größten Schiffskatastrophen der Welt digitalisieren.
Die Arolsen Archives und das Stadtarchiv Neustadt in Holstein rufen Freiwillige im Rahmen der Crowdsourcing-Initiative #everynamecounts dazu auf, eine historisch bedeutende Kartei zu digitalisieren. Sie enthält Hinweise auf Überlebende einer der größten Schiffskatastrophen der Welt: der Untergang der Schiffe "Cap Arcona" und "Thielbek" in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945. Die Kartei enthält 19.200 Karten und stammt aus einem Nachkriegslager in Neustadt in Holstein. Dort hatten Überlebende der Schiffskatastrophe sowie weitere ehemalige KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter vorübergehend eine Unterkunft gefunden.
Die Initiative #everynamecounts sorgt auch anlässlich des Holocaust-Gedenktags am 27. Januar dafür, Informationen über NS-Opfer zu digitalisieren - auch über diesen Tag hinaus.
Eingabe über eine Online-Plattform - Kein Vorwissen nötig
Das Lager in Neustadt bestand bis zum Jahr 1950. Bis zu 4.000 Menschen lebten dort. Die Forschenden stellen sich folgende Fragen: Wer davon war Überlebender der Schiffskatastrophe? Woher stammten die anderen Menschen? In welchem KZ waren sie interniert, wo und für wen mussten sie Zwangsarbeit leisten? Mit der Kampagne #everynamecounts wollen die Arolsen Archives diese Fragen klären.
Freiwillige können die Personalien auf den eingescannten Karteikarten über eine Online-Plattform digitalisieren - seit dem 25. April 2024. Dazu braucht es kein Vorwissen oder besondere Kenntnisse. Man kann einfach mitmachen und dabei helfen, die Regionalgeschichte aufzuarbeiten und an die Überlebenden zu erinnern.
Die Ergebnisse werden auch die Planung eines neuen Dokumentationszentrums zur "Cap Arcona"-Katastrophe unterstützen, das die Stadt Neustadt in Holstein errichtet. Eine Dauerausstellung auf rund 300 Quadratmetern erlaubt es zukünftig, das Schicksal Tausender KZ-Häftlinge aus vielen Ländern Europas in der Lübecker Bucht und in Neustadt am 3. Mai 1945 zu vermitteln. Hauptzielgruppen sind Jugendliche und junge Erwachsene.
Irrtümliche Bombardierung durch Alliierte
Die Alliierten hatten den Passagierdampfer "Cap Arcona" und das Frachtschiff "Thielbek" irrtümlich bombardiert. Sie gingen davon aus, dass sich deutsche Truppen an Bord befanden. Tatsächlich waren dort aber etwa 7.500 evakuierte KZ-Häftlinge. Rund 7.000 von ihnen starben. Die meisten stammten aus dem Konzentrationslager Neuengamme, einige Hundert aus Auschwitz-Fürstengrube. Die SS hatte die Lager beim Vormarsch der alliierten Truppen geräumt und die KZ-Überlebenden nach Holstein getrieben - eines der letzten Rückzugsgebiete des Deutschen Reichs.
Lager als vorübergehende Unterkunft für Überlebende
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieben die wenigen Überlebenden der Schiffskatastrophe und der Todesmärsche in Neustadt und Umgebung. Sie kamen zunächst in ein von den Alliierten eingerichtetes Lager. Dort warteten auch andere sogenannte Displaced Persons (DP) - ehemalige KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, Jüdinnen und Juden - auf die Rückkehr in ihre Heimat oder auf eine Möglichkeit auszuwandern. Der Hauptteil des Lagers befand sich in den Kasernengebäuden der ehemaligen deutschen U-Boot-Schule auf dem Wieksberg. Einige kamen auch in Privatwohnungen in den benachbarten Ostseegemeinden Scharbeutz, Sierksdorf und Timmendorfer Strand unter. In der Zeit waren zudem ein Lazarett, ein Kinderheim und mehrere Schulen für die Überlebenden von NS-Verfolgung vor Ort eingerichtet worden.
Suche nach Angehörigen von "Cap Arcona"-Opfern
Von einigen Dutzend Opfern der Schiffskatastrophe verwahren die Arolsen Archives noch persönliche Gegenstände. Insgesamt sind es noch über 2.000 Umschläge mit persönlichem Besitz von ehemaligen KZ-Häftlingen, die nicht dem Archiv, sondern den Familien der Opfer gehören. Darauf hat Wanderausstellung #StolenMemory aufmerksam gemacht. Sie hat zum Ziel, auf persönliche Schicksale der NS-Verfolgung hinzuweisen und Angehörige zu finden, um die Gegenstände zurückzugeben.
Arolsen Archives: Sammlung mit Hinweisen zu 17,5 Millionen Menschen
Die Arolsen Archives sind das internationale Zentrum über NS-Verfolgung mit dem weltweit umfassendsten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.