Orkan "Xaver" wütet im Dezember 2013 in Norddeutschland
Selten hat ein Wetterphänomen so sehr für Aufmerksamkeit gesorgt wie "Xaver": Anfang Dezember 2013 zog das Sturmtief über den Norden. Drei Tage lang - vom 5. bis zum 7. Dezember - hielten starke Orkan-Böen und Sturmfluten die Menschen in Atem.
Doch trotz Dünenabbrüchen an den Küsten, Überschwemmungen und dem zweithöchsten Wasserstand, der jemals in Hamburg gemessen wurde, waren die angerichteten Schäden durch "Xaver" geringer als zunächst befürchtet.
"Xaver" - ein Sturm der Medien?
"Xaver" erhielt schon lange, bevor er in Norddeutschland eintraf, eine hohe Aufmerksamkeit in den Medien - anders als Orkan "Christian", vor dem Ende Oktober 2013 kaum gewarnt wurde, der aber überall im Norden für Millionenschäden gesorgt hatte und von der Polizei das Etikett "Extremsturm" verpasst bekam. Im Fall von "Xaver" gab es deutliche Warnungen im Vorfeld, doch der Sturm fiel am Ende weniger heftig aus als "Christian". Im Nachhinein wurde an der Berichterstattung auch Kritik geübt: Wurde ein normaler Sturm zum Jahrhundert-Orkan aufgeblasen? Viel Wind um nichts? Meteorologen beschwichtigten: "Nein, es war keine Panikmache. Bis nördlich des Mittellandkanals war es fast ein Volltreffer in der Warnung, da müssen wir stolz drauf sein", sagte Wolfgang Seifert vom Deutschen Wetterdienst.
Niedersachsen: Küstenabbrüche und Tanzeinlage
In Niedersachsen gab es durch eine bis zu 2,80 Meter hohe Sturmflut erhebliche Dünenabbrüche - vor allem auf den Inseln Juist, Norderney, Spiekeroog und Wangerooge. Spitzengeschwindigkeiten erreichte der Sturm auf Spiekeroog und am Brocken mit etwa 150 Kilometern pro Stunde. Das Besondere an "Xaver" sei die Kette von vier aufeinanderfolgenden Sturmfluten gewesen, sagte Herma Heyken vom Landesbetrieb für Küstenschutz. "Wir hatten praktisch zwei Tage lang Sturmflut, das Wasser ist gar nicht mehr abgelaufen."
Im Harz tobte sich "Xaver" mit heftigen Schneestürmen aus. Lastwagen kamen nicht weiter, in Torfhaus (Landkreis Goslar) fiel stundenlang der Strom aus.
Zweithöchste Sturmflut in der Geschichte Hamburgs
Auch in Hamburg gab es drei Sturmfluten in direkter Folge. Eine von ihnen war die zweithöchste Sturmflut in der Geschichte der Stadt. Nur 1976 war das Wasser noch stärker aufgelaufen. Der Scheitel lag am Nikolaustag gegen 6.15 Uhr bei 6,09 Meter über NN, fast vier Meter über dem mittleren Hochwasser. Zum Vergleich: Bei der Sturmflut 1962 waren die Pegel "nur" auf 5,70 Meter über NN gestiegen, was wegen zu niedriger Deiche aber verheerende Auswirkungen hatte. Nach der Naturkatastrophe waren die Schutzmaßnahmen ausgebaut worden. Allerdings: Der Fischmarkt, die Speicherstadt und Teile der Hafencity sowie die Gebiete am Falkensteiner Ufer und am Strandweg in Blankenese standen 2013 zum Teil meterhoch unter Wasser. Verletzte oder größere Schäden gab es nicht.
Schleswig-Holstein: Küste bröckelt, Deiche halten
Auch Schleswig-Holstein kam laut dem Direktor des Landesbetriebs für Küstenschutz, Johannes Oelerich, vergleichsweise "glimpflich" davon. "Xaver" bescherte den Menschen vor allem an den Küsten Dithmarschens und Nordfrieslands viele unruhige Stunden, allerdings waren die Pegelstände der Nordsee nicht so hoch wie befürchtet. Überall hielten die Deiche, auch auf Sylt. Und das, obwohl gegen die Westküste der Insel bis zu sechs Meter hohe Wellen peitschten. An knapp 60 Prozent der Steilküste brachen Vordünen ab, insgesamt 21 Kilometer Küstenstrecke wurden beschädigt. Auch der Wall an der Wattenmeerseite drohte zu brechen. Ein Jahr danach schützt nicht mehr nur der Erdwall, sondern ein "richtiger" Deich den Ort Keitum. Bezahlt haben ihn Anwohner und örtliche Vereine aus eigener Tasche - denn das Landesamt für Küstenschutz ist nur für die Seeseite der Insel zuständig.
Sturmflut auch an der Ostsee
Der Sturm erreichte Mecklenburg-Vorpommern als letztes norddeutsches Bundesland. Die Sturmflut fiel mit Werten um einen Meter über dem mittleren Wasserstand in Wismar und Warnemünde sowie 85 Zentimetern in Sassnitz und Greifswald geringer aus als befürchtet. Die Spitzengeschwindigkeit erreichte "Xaver" nach Angaben des Wetterdienstes Meteomedia auf der Insel Hiddensee mit 167 Kilometern pro Stunde. In Heiligendamm wurden Windgeschwindigkeiten von 141 km/h, in Warnemünde von 137 km/h gemessen. Von der extremen Wetterlage war auch die Schifffahrt betroffen. Eine Fähre aus dem schwedischen Trelleborg konnte mehrere Stunden lang den Rostocker Hafen nicht anlaufen, weil eine Fahrwassertonne mitten in der Zufahrt trieb. Die Landesforsten stellten einen erheblichen Schaden fest: Rund 60.000 Festmeter Holz im Wert von mehr als drei Millionen Euro gingen zu Boden, vor allem in Küstenwäldern.
Neben der durchaus ernsten Lage gab es aber auch spaßige Ereignisse wie dieses: Während NDR Reporterin Ute Lawrentz live aus Norddeich berichtete, tanzten hinter ihrem Rücken zwei spärlich bekleidete 17-Jährige ins Bild und führten ihre Version des "Gangnam Style" auf. Die beiden Flitzer wurden so zu lokalen Berühmtheiten in Ostfriesland.