Szene aus "Große Freiheit Nr. 7" mit Hans Albers und Ilse Werner. © picture alliance/United Archives Foto: United Archives / kpa Publi.

"Große Freiheit Nr. 7" wird vor 80 Jahren uraufgeführt

Stand: 15.12.2024 05:00 Uhr

"Große Freiheit Nr. 7" mit Hans Albers sollte 1944 für Ablenkung vom Krieg sorgen, doch der Film war den Nazis zu wenig linientreu und zu melancholisch. Statt in Hamburg wurde er am 15. Dezember in Prag uraufgeführt.

von Simone Stoffers*

Ein Film über zackige Seeleute, ein maritimes Heldenepos mit vielen eingängigen Seemannsliedern und Ufa-Star Hans Albers als bewährtem Draufgänger - so stellt sich Propagandaminister Joseph Goebbels den Farbfilm vor, der im Kriegswinter 1944 für Ablenkung von den Bombennächten sorgen soll.

Hans Albers als alternder Ex-Matrose Hannes

Hans Albers und Hilde Hildebrand im Spielfilm "Große Freiheit Nr. 7" von 1944. © picture alliance / Keystone Foto: Keystone
Nicht für Volk und Vaterland sticht Hans Albers in "Große Freiheit Nr. 7" am Ende wieder in See, sondern wegen seines gebrochenen Herzens.

Doch Hans Albers spielt nicht den kernigen Draufgänger, sondern den alternden, trinkenden Ex-Matrosen Hannes, der als Stimmungssänger im halbseidenen Hamburger Vergnügungslokal "Hippodrom" arbeitet. Als er Gisa (Ilse Werner), die ehemalige Geliebte seines verstorbenen Bruders, bei sich aufnimmt, verliebt er sich bald in das junge Mädchen und hofft, dass es ebenso für ihn empfindet. Er plant sogar, für Gisa seinen anrüchigen Beruf aufzugeben und als Barkassenkapitän sesshaft zu werden. Doch Gisa ist bereits in den frechen Werftarbeiter Willem verliebt. Als Hannes vom Scheitern seiner Liebe erfährt, beschließt er verzweifelt, Hamburg und das "Hippodrom" hinter sich zu lassen und wieder zur See zu fahren.

"Große Freiheit Nr. 7": Mit NS-Geldern finanziert

Weitere Informationen

Film im NS-Staat

Themenpaket über Film im NS-Staat bei Filmportal.de. extern

Goebbels, der selbsternannte "Schirmherr des deutschen Films", setzt darauf, dass Regisseur Helmut Käutner einen ähnlich unterhaltsamen Erfolg landen wird wie zuvor mit der Komödie "Wir machen Musik" - und genehmigt in geldknappen Kriegszeiten rund 1,5 Millionen Reichsmark. Der Propaganda-Minister fordert ausdrücklich die Produktion von Unterhaltungsfilmen: "Auch die Unterhaltung ist heute staatspolitisch wichtig, wenn nicht sogar kriegsentscheidend", notiert er am 8. Februar 1942 in seinem Tagebuch. Doch statt fröhlicher Durchhalte-Lieder liefert "Große Freiheit Nr. 7" eher schwermütige Weisen wie "La Paloma" oder "Beim ersten Mal, da tut's noch weh".

Dabei versucht die Reichsfilmkammer, wie bei allen deutschen Produktionen seit 1933, schon früh Einfluss zu nehmen. Aus dem ursprünglich geplanten Namen "Johnny" für den Hauptdarsteller wird ein deutscher "Hannes". Und damit keine subversiven Gedanken an eine große Freiheit entstehen, die es unter der Herrschaft der Nationalsozialisten nicht gibt, muss Regisseur Helmut Käutner "Nr. 7" im Titel hinzufügen, damit klar wird, es handelt sich hierbei nur um den Namen einer Seitenstraße der Hamburger Reeperbahn.

Bomben auf Hamburg erschweren die Dreharbeiten

Der deutsche Film-Regisseur Helmut Käutner 1944 bei den Dreharbeiten zu dem deutschen Spielfilm "Große Freiheit Nr. 7" © picture alliance / Sammlung Richter
Regisseur Helmut Käutner muss die Reeperbahn wegen der Bombardements im Studio nachstellen.

Die Reeperbahn lässt Käutner wegen der Bombardements auf Hamburg im Studio nachstellen. Am 5. Mai 1943 beginnen die Dreharbeiten in den Berliner Ufa Ateliers Neubabelsberg und später Tempelhof, die ebenfalls bald unter den Bombenangriffen der Alliierten leiden. Darum muss die Produktion in die Barrandow-Ateliers im sicheren Prag umziehen. Dort ist Käutner, der ebenso wie Albers bemüht ist, Distanz zu den Nationalsozialisten zu wahren, weit weg vom Einfluss des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. So sorgt der Regisseur bei den im Herbst wiederum in Hamburg stattfindenden Außenaufnahmen zwar dafür, dass die Tarnnetze, mit denen der kriegswichtige Hafen bedeckt ist, nicht ins Bild geraten. Es erscheint aber auch kein einziges Hakenkreuz auf den Schiffen.

Weitere Informationen
Bilder von Schauspieler Hans Albers in verschiedenen Posen.
2 Min

Heimatkunde: Alles über Hans Albers

Hans Albers spielte in etwa 150 Filmen mit und nahm Dutzende Schallplatten auf. Auf zahllosen Theaterbühnen begeisterte er das Publikum. Hier sind fünf Fakten über den Star. 2 Min

"Große Freiheit Nr. 7": Aus Helden werden frivole Rabauken

Das Bild, das Käutner von den Besuchern des Hamburger Vergnügungsviertels St. Pauli zeigt, entspricht so gar nicht den Vorstellungen der Nationalsozialisten: Seeleute sind in "Große Freiheit Nr. 7" keine strammen Helden zur See, sondern frivole Rabauken. Frauen rauchen, trinken und richten ihre Strumpfbänder in der Öffentlichkeit und Protagonistin Gisa wird sogar im Bett mit ihrem Willem gezeigt, ohne mit ihm verheiratet zu sein. Zu allem Überfluss fährt Ufa-Star Albers am Ende nicht für Volk und Vaterland zur See, sondern wegen seines gebrochenen Herzens.

Besonders Großadmiral Karl Dönitz protestiert. Er soll befunden haben, der Film mache die Marine verächtlich und sei abzulehnen. Die NS-Prüfstelle verbietet den Film am 12. Dezember 1944 für die Aufführung in Deutschland. Goebbels ordnet Schnitte für die Inlandsfassung an. Die geplante große Premiere in Hamburg wird abgesagt. Stattdessen findet am 15. Dezember die Uraufführung im Lucerna-Palast in Prag statt. Goebbels gibt nur einige Kopien zur Truppenbetreuung in den besetzten Ländern Polen, Tschechoslowakei und Frankreich frei. Darüber hinaus soll der Film in Schweden, Dänemark und der Schweiz für Devisen sorgen.

Weitere Informationen
Wehrmachtssoldaten ergeben sich 1945 und halten weiße Tücher hoch. © picture alliance/akg-images Foto: akg-images

Wie der Zweite Weltkrieg im Norden endete

Am 8. Mai 1945 kapituliert die deutsche Wehrmacht. Viele Städte und Lager sind von den Alliierten da bereits befreit worden. mehr

Großer Erfolg nach dem Zweiten Weltkrieg

Überraschend erhält "Große Freiheit Nr. 7" im Jahr 1945 den Schwedischen Kritikerpreis. Danach gibt die Kontrollstelle der Alliierten den Streifen frei, als eine der ersten deutschen Filmproduktionen nach dem Zweiten Weltkrieg. Am 9. September 1945 findet die deutsche Erstaufführung statt - in Berlin. Die Geschichte vom Seemann Hannes und seiner unglücklichen Liebe feiert, trotz moralischer Einwände der Kirchen, große Erfolge an den Kinokassen und macht Hans Albers zum Nachkriegsstar. "Große Freiheit Nr. 7" wird einer der erfolgreichsten frühen Farbfilme.

* Die Autorin ist inzwischen nicht mehr für den NDR tätig. Die Urfassung dieses Beitrag wurde bereits 2008 veröffentlicht.

Weitere Informationen
Hans Albers in dem Film "Der Tolle Bomberg". © picture alliance/United Archives Foto: United Archives / kpa / Grimm
15 Min

Hans Albers: Als "blonder Hans" zum Volksidol

Der Hamburger spielte in über 100 Filmen mit und nahm Dutzende Schallplatten auf. Auch auf Theaterbühnen begeisterte er das Publikum. 15 Min

Hans Albers, ca. 1958. © IMAGO / United Archives
4 Min

Interview mit Schauspieler Hans Albers

Hans Albers berichtet über kommende Gastauftritte, neue Filmprojekte und seine Verbundenheit mit der Stadt Hamburg. 4 Min

Hans Albers im Film "Der Greifer" (1930) © picture alliance / kpa | 90061

Hans Albers: Die singende Schauspiel-Legende aus Hamburg

Er verströmte Optimismus wie auch Melancholie. Albers war einer der populärsten Schauspieler und Sänger des 20. Jahrhunderts. mehr

Ilse Werner (r) pfeift in der ZDF-Unterhaltungssendung "Wir machen Musik" im Juli 1975 zu den Klängen der Klarinette von Hugo Strasser (l). © picture-alliance / dpa Foto: Heinz Wieseler

Pfeifend durchs Leben - Ilse Werner

Ihr Pfeifen hat die Schauspielerin und Sängerin zu einer Legende gemacht. Am 11. Juli wäre sie 100 Jahre alt geworden. mehr

Helmut Schmidt, Hans Albers und Heidi Kabel (Montage) ©  picture-alliance/KP, dpa Foto: Christian Charisius, KPA, Heinz Unger

Norddeutsche, die Geschichte machten

Diese Menschen haben Geschichte geschrieben - Porträts bekannter norddeutscher Persönlichkeiten. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 14.12.2019 | 11:51 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

NS-Zeit

Spielfilm

Mehr Geschichte

Für fünf Tage, bis zum 30. Dezember 1974, hatte die Hamburger Baubehörde zwei der drei neuen Elbtunnelröhren zur Besichtigung frei gegeben. © picture-alliance / dpa Foto: Lothar Heidtmann

Vor 50 Jahren: Tausende Hamburger besichtigen Neuen Elbtunnel

Vom 26. bis 30. Dezember 1974 feiern 600.000 Hamburger ein Tunnelfest unter der Elbe. Die Bauarbeiten hatten 1968 begonnen. mehr

Norddeutsche Geschichte