Fliegende Streifenwagen: 60 Jahre Hamburger Hubschrauberstaffel
Am 4. August 1964 gründet die Polizei in Hamburg eine Hubschrauberstaffel. Die Maschinen sollen den Verkehr beobachten, Straftäter suchen und vermisste Personen aufspüren. Heute sind neue Aufgaben hinzugekommen.
Die Gründung einer Hubschrauberstaffel der Polizei hat Hamburgs damaliger Innensenator Helmut Schmidt (SPD) verfügt, der beim Rettungseinsatz während der Flutkatastrophe von 1962 noch auf die Maschinen der Bundeswehr und der NATO angewiesen war. Das soll vom 4. August 1964 an anders werden. Ausgerüstet ist die Staffel zunächst mit einem Hubschrauber des US-amerikanischen Unternehmens Bell. Im folgenden Jahr kommt ein zweiter hinzu.
Die Aufgaben sind vielfältig
Die Maschinen vom Typ 47 J 3 überwachen den Verkehr in der Hansestadt, vor allem auf den Autobahnen, suchen Straftäter, spüren Vermisste auf und retten Menschen, die in Not geraten sind. Zu ihrem Einsatzgebiet gehören auch die Hamburger Inseln Neuwerk und Scharhörn in der Elbmündung, die sie etwa bei starkem Eisgang aus der Luft versorgen. Innerhalb kürzester Zeit sind sie startbereit und erreichen jeden Punkt in der Hansestadt innerhalb von sieben Minuten.
Nach ihrem Aussehen lautet ihr Funkrufname "Libelle", bis heute. Die Bell 47 haben vier Sitze, der Motor ist 310 PS stark und bringt den Hubschrauber auf eine Geschwindigkeit von 140 km/h. Bis zu 2:45 Stunden können sie in der Luft bleiben. Stationiert sind sie am Flughafen Fuhlsbüttel. Erster Kommandeur der Staffel wird ein ehemaliger Aufklärungsflieger und Ritterkreuzträger der Wehrmacht.
Technische Entwicklung schreitet voran
Weil sich die noch junge Hubschraubertechnik rasch weiterentwickelt, werden die Bell 47 schon 1970 durch schnellere Maschinen ersetzt: zwei französische Alouette II SA 318 C. Die besonders leichte Konstruktion besteht nur aus Plexiglas und Stahlrohren. Sie kosten 750.000 Mark, haben einen 530 PS starken Motor und erreichen eine Geschwindigkeit von rund 175 km/h. In dieser Zeit verfügt die Hubschrauberstaffel über fünf Piloten, fünf Bordwarte und einen Beamten in der Leitstelle. Die Ausbildung findet an einer Flugschule statt. Sie dauert 14 Monate und kostet damals rund 120.000 Mark.
Superhubschrauber aus bayerischer Produktion
Zehn Jahre später werden sie ebenfalls ausgemustert und zwei BO 105 des bayerischen Unternehmens Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB) angeschafft. Die zwei Millionen Mark teuren Maschinen verfügen über neueste Technik, haben zwei leistungsstarke Triebwerke mit zusammen 850 PS, erreichen 260 km/h und haben einen Aktionsradius von 600 Kilometern. Neben den Piloten können noch drei weitere Personen mitfliegen.
Herausragende Einsätze
Zu den vielen besonderen Ereignissen seit 1964 gehört der Transport des sogenannten Kiez-Paten Reinhard "Ringo" Klemm 1987, der dem St.-Pauli-Killer Werner Pinzner die Waffen für dessen "großen Abgang" besorgt haben soll. Außerdem zählt der Transport von Thomas Drach, Entführer des Hamburger Millionärs Jan-Philipp Reemtsma, nach seiner Auslieferung aus Argentinien vom Frankfurter Flughafen im Jahr 2000 dazu. Und Terrorhelfer Mounir Al-Motassadeq wird im Oktober 2018 mit einer "Libelle" in Begleitung schwerbewaffneter Spezialkräfte von der Haftanstalt Fuhlsbüttel zum nahen Flughafen gebracht, von wo er nach 15 Jahren Haft nach Marokko abgeschoben wird.
Katastrophe in Neustadt
Im August 1996 stürzt ein Hamburger Polizeihubschrauber während einer Übung bei Neustadt in die Ostsee, der traurigste Moment in der Geschichte der Staffel. Das Rettungsnetz, das an einem Seil unter dem Hubschrauber hängt, wird von einer Böe nach oben geschleudert und verfängt sich in den Rotorblättern, die abreißen. Der Hubschrauber stürzt senkrecht in das Hafenbecken, fünf Polizeibeamte sterben. Zur Trauerfeier im Michel kommen 3000 Menschen.
Die Staffel im Wandel der Zeit
2004 tritt erstmals eine Frau ihren Dienst als Hubschrauberführerin an. Im gleichen Jahr ersetzen zwei Eurocopter EC 135 die alten MBB-Maschinen. Sie kosten sechs Millionen Euro, sind in Donauwörth gebaut worden und steigen bis zu einer Höhe von 6500 Metern auf. Neben Pilot und Techniker ist immer auch ein Operator an Bord, der die hochauflösenden Kameras bedient.
Neueste Technik unterstützt die Einsätze
Denn die Filme müssen jetzt nicht mehr erst entwickelt werden, sondern der Beamte sendet die Aufnahmen zur Auswertung umgehend an die Einsatzzentrale. Mithilfe einer speziellen Wärmebildkamera kann er Straftäter oder vermisste Personen auch in völliger Dunkelheit aufspüren. Zur Ausstattung gehört ebenfalls ein starker Scheinwerfer, der aus 700 Metern Höhe ein Fußballfeld bei Nacht so ausleuchtet, das darauf gespielt werden könnte, wie ein Beamter 2023 dem "Hamburger Abendblatt" berichtet.
Die Aufgaben nehmen zu
Auch heute sind die Hubschrauber innerhalb weniger Minuten an jedem Ort in Hamburg. Sie beobachten noch immer den Verkehr, verfolgen Bankräuber oder Dealer. Hinzugekommen sind die Jagd auf Umweltsünder im Hafen und auf der Elbe. Bei Bedarf können auch Spezialkräfte transportiert werden, etwa bei Antiterroreinsätzen. Die "Libellen" begleiten Großveranstaltungen, etwa Fußballspiele oder Demonstrationen. Während des G20-Gipfels im Juli 2017 sichern sie den Luftraum und beobachten die Ausschreitungen auf den Straßen der Hansestadt.
Länderübergreifende Kooperationen
Die Zahl der Einsätze hat seit den 1960er-Jahren um ein Viertel zugenommen. Sie sind auch in Schleswig-Holstein im Einsatz, das über keine eigenen Polizeihubschrauber verfügt, und helfen in Niedersachen aus. Rund 500 Mal im Jahr steigen die Libellen vom Flughafen Fuhlsbüttel auf. Ihre Geschichte dokumentiert das Hamburger Polizeimuseum, wo man im Cockpit einer BO 105 virtuelle Einsätze über Hafen und Volksparkstadion erleben kann.