Auschwitz im Spiegel der Kunst
Wenn die Generation der Überlebenden verstorben ist - wer erinnert dann an Auschwitz? Wer kann weiter berichten über Massenmord und menschenverachtende Gräuel? Die Kunst, lautet die Antwort der Ausstellung "Poland - Israel - Germany: The Experience of Auschwitz", an der der NDR beteiligt ist. Nachdem sie bereits im Berliner Bundestag erfolgreich präsentiert wurde, war die Ausstellung im Juni 2015 im Krakauer Museum für Gegenwartskunst (MOCAK) und damit in unmittelbarer räumlicher Nähe zum ehemaligen Konzentrationslager zu sehen. Erstmals entwickelten dabei Polen und Deutschland ein Ausstellungskonzept zu diesem sensiblen Thema gemeinsam.
Polen, Israelis und Deutsche stellen gemeinsam aus
Die Ausstellung will sichtbar machen, wie sich Polen, Israelis und Deutsche in der Kunst der Verantwortung stellen. Konzipiert hat die Schau der Osnabrücker Kurator Jürgen Kaumkötter mit dem Zentrum für verfolgte Künste Solingen und dem MOCAK. "Polnische Künstler beziehen sich auf Auschwitz, den Ort. Die Deutschen hingegen interessieren sich mehr für die Täter. Die israelischen Künstler beschäftigen sich stärker mit den individuellen Schicksalen", sagt Jalowik. Neben den verschiedenen Nationen, stehen sich Kunstwerke von drei Generationen gegenüber: die der Opfer und Überlebenden sowie die der Kinder und Enkel.
Kunst im Wandel der Generationen
Dabei will die Ausstellung zeigen, wie stark sich die Darstellung im Laufe der Jahre gewandelt hat. Während die Generation um den Überlebenden Yehuda Bacon unmittelbar nach der Befreiung den Terror dokumentierte und Bilder zur Mahnung und Erinnerung schuf, entfernt die Erben-Generation sich von dieser Form. Radikaler, politisierter brechen diese Künstler Tabus im Umgang mit dem Holocaust und stellen unbequeme Fragen. Wie weit dieser Tabubruch geht, zeigen die Comicstrips von Michel Kichka, die im MOCAK neben den abstrakten Kunstwerken von Bacon gezeigt werden. Kichka, Sohn eines Überlebenden, wagt es, Witze über den Alltag im Lager zu zeichnen. Eine neue Form des Umgangs mit der Massenvernichtung in Auschwitz.
"Die zeitgenössischen Künstler benutzen eine Symbolik, die auch die junge Generation berührt: diejenigen, die genug haben von dieser Auschwitz-Tour", erklärt Jalowik. Auch der 30-jährige Pole Lukasz Surowiec setzt sich mit Auschwitz abstrakt auseinander. Er fragt nach den Systemen, in denen sich Menschenverachtung entwickelt. Sein Mittel: Er verpflanzt junge Birken aus der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau und buddelt sie im Krakauer Museum wieder ein.
Von Berlin über Krakau nach Jerusalem
Nach ihrer Zeit im Krakauer MOCAK zieht die Ausstellung weiter nach Israel. Damit schließt sich der Bogen. Zur Eröffnung betonte die Botschafterin Israels in Polen, Anna Azari: "In diesem speziellen Jahr des 50-jährigen Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen und 25 Jahre nach der Wiederaufnahme polnisch-israelischer Diplomatie ist diese Ausstellung ein Symbol für die komplizierten Beziehungen."
Die Nähe zum Gedenkort wird auch unterstützt durch Mitarbeiter des Museums Auschwitz-Birkenau, die in kurzen Videos die Verbindungen zur Gedenkstätte herstellen. Diese Statements, die gleichsam eine Führung durch das ehemalige KZ anbieten, hat der NDR im Rahmen des ARD-Projekts "Auschwitz und Ich" produziert. "Die Videos kommen beim Publikum sehr gut an. Multimediale Angebote werden auch für Museen immer wichtiger und die Interviews zeigen den Bezug der heutigen Kunst zum Ort des Terrors in authentischer Weise", würdigte Kurator Kaumkötter den Beitrag des NDR.