Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR am 1. März 1959 in Leipzig anläßlich der Feier zum 3. Jahrestag ihres Bestehens bei der feierlichen Übergabe einer Truppenfahne. © dpa - Bildarchiv Foto: Günter Bratke

NVA: Von der Freiwilligen-Armee zur Gesamtstreitkraft

Stand: 01.03.2021 23:00 Uhr

Bei ihrer Gründung am 1. März 1956 ist die Nationale Volksarmee der DDR zunächst eine reine Freiwilligen-Armee. 1962 wird sie zur Gesamtstreitkraft aus Berufsoffizieren, Zeitsoldaten und Wehrpflichtigen. Mit der Wiedervereinigung 1990 wird die NVA aufgelöst.

Als nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 im Potsdamer Abkommen die Demilitarisierung Deutschlands verfügt wurde, galt dies zunächst auch in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) als strenger Grundsatz. Lediglich zur Gewährleistung der inneren Sicherheit begann man mit der Bildung einer Polizei, der Deutschen Volkspolizei (DVP). In deren Aufgabengebiet fiel unter anderem die Schaffung einer Grenzpolizei, mit deren Aufbau 1946 begonnen wurde. Zunächst betrug die genehmigte Personalstärke dieser Einheit 2.543 Mann, bis 1948 war sie auf 10.000 angewachsen. Dabei handelte es sich um kasernierte Volkspolizei-Einheiten, die mehr oder weniger militärisch organisiert waren.

Von der Grenzpolizei zur Nationalen Volksarmee

Erst 1956, mit der Schaffung der Nationalen Volksarmee (NVA) wurden von der Polizei unabhängige Grenztruppen geschaffen. Die bislang existierende Grenzpolizei wurde der NVA als "Teilstreitkraft" unterstellt.

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Die eigentliche Gründungsphase der NVA begann im Mai 1955 mit dem Abschluss des Warschauer Vertrages sowie einem Souveränitäts-Vertrag zwischen DDR und UdSSR: Der DDR wurde die volle Souveränität und damit auch die Verantwortung für ihren militärischen Schutz zugesprochen. Bereits existierende Einheiten konnten in die Anfang 1956 offiziell gegründete Nationale Volksarmee überführt werden. War die NVA ebenso wie die Grenztruppen zunächst eine reine Freiwilligen-Armee, erfolgte mit der Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes von 1962 die Umwandlung zu einer Gesamtstreitkraft aus Berufsoffizieren, Zeitsoldaten und Wehrpflichtigen.

Grenzsicherung mit Selbstschussanlagen und Mauern

Eine Schwarzweißfotografie zeigt einen Soldaten mit einem Maschinengewehr im Anschlag vor einem Bunker. © NDR Foto: Hermann Pröhl
Der Dienst an der Grenze bedeutete auch, bei Fluchtversuchen auf die eigenen Landsleute zu schießen.

Die vornehmliche Aufgabe der Grenztruppen bestand besonders seit dem Mauerbau 1961 in der Sicherung der Grenzen nach innen. Ab 1966 erfolgte dann ein systematischer Ausbau der Überwachung dieser Grenzen mit "wirksamen Pionieranlagen". Darunter wurden elektrische Warnsysteme ebenso verstanden wie automatische Selbstschussanlagen, Stacheldrahtsicherungen, Metallgitterzäune, Mauern aus Stahlbeton, Kfz-Sperrgräben, Bunker, Beobachtungstürme, Hundelaufanlagen, Kolonnenwege für Transport- und Kontrollfahrten sowie ein ausgedehntes Meldenetz. Dieses Grenzaufgebot sollte in erster Linie die Flucht aus der DDR unterbinden.

DVP und Freiwillige unterstützen in Zivil

Unterstützt wurden die Grenztruppen anfänglich durch die DVP und so genannte "Grenztruppenhelfer". Diese etwa 2.000 bis 3.000 im Grenzgebiet ansässigen Helfer waren den Grenzkompanien unterstellt. Sie halfen bei der Überwachung des Grenzraums, bei Verkehrskontrollen auf Zufahrtsstraßen oder bei Fahndungen. Ihr Mindesteinsatz betrug zwölf Arbeitsstunden im Monat, die in Zivilkleidung abgeleistet wurden. Lediglich eine Armbinde kennzeichnete sie als "Freiwillige Helfer der Grenztruppen".

"Ideologisch zuverlässige" Wehrpflichtige lösen Freiwillige ab

Rekrutierte sich die Grenzpolizei in ihren Anfängen aus Freiwilligen, wurde sie nach Einführung der Wehrpflicht aus einem Kreis immer sorgfältiger ausgewählter Wehrpflichtiger gebildet. Wichtig war absolute "ideologische Zuverlässigkeit". Denn im Ernstfall sollte die Waffe auf eigene Mitbürger gerichtet werden. Der Soldat hatte festzunehmen oder zu vernichten. Kam es an der Grenze zu Zwischenfällen, wurden diese von der für das Militär zuständigen Abteilung 2.000 des Ministeriums für Staatssicherheit untersucht.

Wehrdienst in der NVA: Leben mit dem erwarteten Ernstfall

Auch für diejenigen, die nicht an der Grenze dienen mussten, stellte der Wehrdienst in der NVA große psychische und physische Anforderungen dar. Trotz des Anscheins, eine Verteidigungsarmee zu sein, befand sich die Armee in einer ständig hohen Gefechtsbereitschaft. Der Kernsatz der sozialistischen Militärdoktrin lautete: Der Gegner wird auf seinem eigenen Territorium vernichtet. Die Theorie ging davon aus, dass nach einer NATO-Aggression die Truppen des Warschauer Paktes zur Offensive übergehen und den Feind auf dem Gebiet der NATO vernichten.

Wehrpflicht in der DDR

Intern ergingen sich die Offiziere der NVA gern in der Vorstellung, dass es bis zum Atlantik kein Hindernis für die Panzerdivisionen des Warschauer Paktes gäbe. Für die Wehrdienstleistenden bedeutete die permanente Gefechtsbereitschaft eine hohe Beanspruchung: wenig Urlaub, kaum Ausgang und damit die dauernde Trennung sowohl von der Familie als auch der zivilen Umwelt. Hinzu kam ein äußerst rigides disziplinarisches System. Waren Waffentechnik und militärische Ausrüstung meist in sehr gutem Zustand, galt dies für die Mannschaftsunterkünfte, Sanitäreinrichtungen, Küchen und Speiseräume weniger. Die Haushaltsmittel wurden vorrangig für die Sicherstellung der Kampfkraft genutzt.

Angesichts der vielfältigen Beanspruchungen, Verpflichtungen und Entbehrungen war der Wehrdienst für Jugendliche kaum eine Verlockung. Um sie dennoch zu motivieren, wurden sie sowohl innerhalb der Armee als auch außerhalb - im Rahmen der Wehrerziehung - politisch geschult.

"Bausoldaten" statt Wehrdienstverweigerung

Bausoldat bei der NVA. © Robert-Havemann-Gesellschaft Foto: Berndt Püschel
Wer den Dienst an der Waffe verweigerte, wurde als "Bausoldat" trotzdem Teil der NVA - und hatte mit massiven Repressalien zu rechnen.

Die Musterung für den Wehrdienst erfolgte in der Regel im Alter von 17 Jahren. Jetzt musste der Jugendliche auch entscheiden, ob er sich eventuell für eine längere Dienstzeit verpflichten wollte. Eine Wehrdienstverweigerung war anfangs überhaupt nicht möglich. 1964 schuf der Nationale Verteidigungsrat die Möglichkeit eines waffenlosen Militärdienstes als sogenannter Bausoldat. Wer diesen Dienst wählte, hatte unter ständigen Schikanen zu leiden. Eine Totalverweigerung war gesetzwidrig und wurde entsprechend hart bestraft. Der Grundwehrdienst war im Alter von 18 bis 26 Jahren für 18 Monate abzuleisten. Er wurde mit dem obligatorischen Wehrkundeunterricht an den Schulen vorbereitet und setzte sich in Form von Reservisteneinsätzen zum Teil noch viele Jahre nach dem aktiven Wehrdienst fort. Bis zu einem Alter von 50 Jahren konnte man insgesamt weitere 24 Monate einberufen werden. Eine Laufbahn als Berufsunteroffizier dauerte zehn Jahre, als Fähnrich 15 und als Berufsoffizier 25 Jahre.

VIDEO: Vaterlandsliebe und Wehrdienstverweigerung in West und Ost (27 Min)

Grundwehrdienst: Uniform auch im Urlaub

Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR mit Stahlhelm auf den Köpfen und mit Maschinenpistolen marschieren am 07.10.1989 auf den Straßen in Berlin (Ost) © dpa-Zentralbild Foto: Günter Gueffroy
Noch nach dem Fall der Mauer marschierten Soldaten der NVA mit Maschinenpistolen auf den Straßen in Ost-Berlin.

Während des Grundwehrdienstes bestand 18 Monate lang selbst beim Ausgang im Urlaub Uniformpflicht. Die Wehrpflichtigen sollten sich an eine spartanische Lebensführung gewöhnen. Zur Durchsetzung von Ordnung und Disziplin waren die Vorgesetzten mit einer weitreichenden Disziplinargewalt ausgestattet, sie konnten Urlaub und Ausgang gewähren oder auch verbieten, Arrest und Degradierungen aussprechen, aber auch Belobigungen in Form von Beförderungen oder Sonderurlaub. Der Druck, der dadurch auf die Wehrpflichtigen ausgeübt wurde, fand seinen Ausdruck in der sogenannten EK-Bewegung. Die Entlassungskandidaten, also die ihr letztes Diensthalbjahr absolvierenden Soldaten, ließen ihren angestauten Frust an später eingezogenen Wehrpflichtigen aus. Nicht selten kam es zu Gewalt und Schikane.

Quelle:www.mdr.de/damals

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Nordmagazin | 14.02.2021 | 19:30 Uhr

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