Das Ende der Nationalen Volksarmee in MV im Oktober 1990
Mit dem Ende der DDR am 3. Oktober 1990 wird auch die NVA aufgelöst, die Stützpunkte unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern werden nach und nach geschlossen. Ein Blick auf die Geschichte der Streitkraft und das, was übrig blieb.
Am 1. März 1956 wurde in der DDR die Nationale Volksarmee (NVA) gegründet. Willi Stoph, der erste Minister des neuen Ministeriums für Nationale Verteidigung, betonte, die Armee solle lediglich "die Verteidigungsfähigkeit unserer Republik gewährleisten". Auch in der Bundesrepublik begann zu dieser Zeit die Wiederbewaffnung. Auch hier beteuerte Bundeskanzler und CDU-Politiker Konrad Adenauer: "Einziges Ziel der deutschen Wiederbewaffnung ist es, zur Erhaltung des Friedens beizutragen."
Bundeswehr wird 1990 zur "Armee der Einheit"
Die DDR war in den Warschauer Pakt eingebunden, die Bundesrepublik in das Nordatlantische Verteidigungsbündnis. Jahrzehntelang standen sich die beiden deutschen Staaten in feindlichen militärischen Bündnissen gegenüber - bis zur Wiedervereinigung. Am 3. Oktober 1990 hörte mit der DDR auch die 173.000 Mann starke NVA auf zu existieren. Die Bundeswehr galt von nun an als "Armee der Einheit". Zahlreiche ehemalige NVA-Stützpunkte wurden nach und nach geschlossen und die einzelnen Einheiten aufgelöst.
Demen: Vom idyllischen Dorf zum Raketen-Stützpunkt
Bis Anfang der 70er-Jahre war zum Beispiel Demen in Westmecklenburg ein ganz normales Dorf: ruhig, idyllisch, landwirtschaftlich geprägt. Die Leute waren füreinander da, erinnerte sich einst der Bewohner Horst Spieck im Gespräch mit dem NDR. Doch dann sei alles durcheinander gekommen: "Dann hieß es, dort oben baut die Armee. Dann wurde als Erstes der geliebte Spargelacker, wo heute die Neubauten stehen, eingestampft. Und dann wurde mächtig abgeholzt." Mitten in den Wald hinein baute die NVA einen der größten Raketen-Stützpunkte der DDR sowie eine Plattenbausiedlung für die Offiziere und deren Familien, mit Schulen und Kindergärten. Auch ein Kino und eine Gaststätte gab es, die für die alteingesessene Bevölkerung jedoch tabu waren.
Zur strengsten Verschwiegenheit verpflichtet
Die Ansiedlung der Volksarmee hatte in Demen aber auch ihr Gutes, so Host Spieck. Die Kneipe machte großen Umsatz. Die Gemeinde bekam Hilfe: Beispielsweise bauten die Soldaten eine Badestelle. Doch ein wirkliches Zusammenleben zwischen den Dorfbewohnern und den Soldaten entwickelte sich nicht. Dafür bestanden zu viele Sicherheitszwänge, dafür war die neue Siedlung zu sehr abgeschottet. Die Geheimhaltung ging vor.
Rostocker Heide wird zunehmend militärisch genutzt
Wiethagen in der Rostocker Heide: Dort, wo mittlerweile Büsche und Bäume stehen, befand sich bis 1990 ein Schießplatz der Infanterie. Auch in den Nachbarorten gab es Schießplätze, für die 4. Flottille und die in Rostock stationierten Einheiten. Einige NVA-Truppen waren direkt in der Heide stationiert. Ab 1961 kamen die Flugabwehrraketen-Abteilung mit Kasernen, Raketenstellungen und Raketenanlagen sowie das Küstenregiment 18 hinzu. Mehr 20 Millionen Ost-Mark steckte die DDR in die militärische Ausstattung der Rostocker Heide. Mit dem Schlagen des Holzbestandes wurde der Militärforstbetrieb beauftragt beziehungsweise die Oberförsterei oder der Revierförster. 1989 wurden von insgesamt 5.800 Hektar Heide rund 2.600 militärisch genutzt. Proteste dagegen gab es offenbar nicht.
Renaturierung statt Schießanlage
Nach 1990 kursierten Pläne, wenigstens einen Schießplatz für das Militär zu erhalten. Doch das konnten Forstamtsleiter Jörg Harmuth und seine Mitstreiter verhindern. Stattdessen begann ein riesiges Renaturierungsprogramm. Viele Einheimische fanden hier in den 90er-Jahren wenigstens zeitweise Arbeit. Was sie aus der Heide abtrugen, hört sich gewaltig an: 66 Gebäude wurden abgerissen, 50.000 Quadratmeter Betonfläche aufgebrochen und 5.800 Quadratmeter Asbest entsorgt. Heute steht die Rostocker Heide unter Naturschutz. Dass auch hier einmal der Kalte Krieg ausgefochten wurde, können die Besucher des Landschaftsschutzgebiets auf den ersten Blick kaum mehr erkennen.
Die Marineflieger am Strelasund
In Parow am Strelasund, der Meerenge zwischen Rügen und Festland, waren Marineflieger der DDR stationiert. Zunächst gab es auf dem Militärflugplatz nur "Mi-4"-Hubschrauber, die jedoch bald gegen die leistungsstarken Turbinenhubschrauber "Mi-8" ausgetauscht wurden. Die "Mi-8" dienten als "Mädchen für alles", wurden als Transport- oder Rettungshubschrauber eingesetzt und waren auch als Kampfhubschrauber verwendbar. Später kamen hochmoderne Hubschrauber des Typs "Mi-14" hinzu, die insbesondere der U-Boot-Abwehr dienten. Neben der Grenzsicherung waren die Stralsunder Marineflieger für Hilfeleistungen auf hoher See zuständig. Bei Havariefällen flogen sie Rettungskräfte zu Schiffen oder setzten Taucher ab. Besonders hat sich unter den Marinefliegern der Winter 1977/78 eingeprägt, als Rügen völlig verschneit war. Per Hubschrauber wurden zahlreiche Kranke und ein Säugling nach Stralsund transportiert.
Eine Mi-8 im Marinemuseum
Am 2. Oktober 1990 wurde auf dem Flugplatz in Parow die Dienstflagge der NVA eingeholt. Nach und nach wurden alle Hubschrauber abgerüstet - alle bis auf zwei des Typs Mi-8, die 1994 als Ausstellungsstücke nach Dresden gebracht und nach Stralsund ins Marinemuseum Dänholm kamen. Dies war nur per Luftweg möglich. "Er ist das einzige Exponat, welches praktisch selbst zum Museum kam", schreibt das Haus auf seiner Website. Es muss eine abenteuerliche Aktion gewesen sein: Genehmigungen gab es keine, geflogen ist der Kommandeur persönlich. Sein Assistent war jener Mann, der die Maschine Jahrzehnte zuvor als erster Pilot geflogen war, so berichtete es einst der damalige Leiter des Marinemuseums, Klaus Trepping. Nach der geglückten Landung hätten die beiden Ex-Marineflieger dem Museum auch gleich noch ihre Ausrüstung geschenkt - die brauchten sie ja nun nicht mehr.