Marianne Birthler: "Unsere Fantasie reichte nicht"
Die Aufarbeitung der Unterlagen der DDR-Staatssicherheit hat Marianne Birthlers Blick auf die DDR verändert. Von 2000 bis 2011 war die frühere Bürgerrechtlerin für die Behörde zuständig. Dort habe sie erfahren müssen, was Menschen anderen Menschen antun können, sagt die 71-Jährige im Interview mit NDR Info. Allerdings habe sie in ihrer Zeit als Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen auch viele Beispiele für Mut und Zivilcourage kennenlernen dürfen.
Fall der Mauer war nicht absehbar
Schon im Herbst 1989 prangerte Marianne Birthler staatliche Willkür in der DDR an. Am 4. November 1989 forderte sie bei einer Großdemonstration auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz Reise- und Meinungsfreiheit, eine bessere Bildung und ein besseres Wirtschaftssystem. Außerdem stellte sie im SED-Staat die Machtfrage. Dass wenige Tage später die Mauer geöffnet werden sollte, war für Marianne Birthler damals noch nicht absehbar: "Unsere Fantasie reichte dafür nicht. Wir waren eher damit beschäftigt, wogegen wir waren. Über die Ziele waren wir uns nicht einig", erinnert sich Marianne Birthler.
Im Streit über den Begriff "Unrechtsstaat" vertritt Marianne Birthler einen klaren Standpunkt. Der Begriff beurteile nicht das Leben und den Alltag der Menschen in der DDR. Nach ihrer Ansicht prangert er die staatlichen Strukturen in der DDR an und die Willkür, der die Menschen ausgeliefert waren.