Stand: 17.06.2020 13:54 Uhr

Diskussion um rassistische Denkmäler und Statuen

von Vanessa Wohlrath

Es sind beeindruckende Szenen, wie sie sich zurzeit in den USA, in England und Belgien zutragen: Bilder von geköpften oder mit roter Farbe beschmierten Statuen, Denkmäler historischer Figuren gestürzt und zu Grabe getragen - oder vielmehr - zu Wasser. Mit diesen Denkmalstürzen fordern Demonstranten der anti-rassistischen Protestbewegung Black Lives Matter: Unsere Geschichte muss aufgearbeitet werden! Wie wird mit dem kolonialen Erbe in Hamburg umgegangen und welche Statuen aus der Kolonialzeit könnten auch bei uns im Norden zu Fall kommen?

Ägypter, die auf Dromedaren reiten, und Afrikaner in Baströcken - bis in die 1930er-Jahre wurden Menschen aus vorwiegend afrikanischen und südostasiatischen Ländern in Europa ausgestellt wie Objekte. Vorangetrieben hat diese Völkerschauen in Deutschland 1874 erstmals der Tierhändler Carl Hagenbeck. Nach ihm benannt ist heute nicht nur der Zoo in Hamburg, im Tierpark Hagenbeck steht ihm zu Ehren auch noch eine Statue.

Die Direktorin des Hamburger Völkerkundemueseums, Barbara Plankensteiner. © Museum für Völkerkunde Hamburg Foto: Paul Schimweg
Barbara Plankensteiner, Direktorin am Hamburger MARKK, hat Verständnis für die aufgestaute Wut.
Plankensteiner: "Beleidigung für viele Menschen"

Barbara Plankensteiner, die Direktorin des Hamburger Museum am Rothenbaum für Kulturen und Künste - kurz MARKK, gibt zu Bedenken: "Das ist zum Teil eine Beleidigung für viele Menschen, die aus diesen ehemals kolonialisierten Regionen stammen, wenn zum Teil verbrecherische Personen, die in den Kolonien sehr viel Unheil und Gewalt vertreten haben, hier geehrt werden. Das ist vielen Menschen in unserer Gesellschaft ja gar nicht bewusst!"

Thema kommt in den gesellschaftlichen Diskurs

Am Hamburger MARKK setzt man sich intensiv mit dem schwierigen Kolonialerbe Hamburgs auseinander - einst Deutschlands Handelsmetropole Nummer eins. Für Barbara Plankensteiner sind Denkmalstürze, wie sie zurzeit weltweit im Zuge der anti-rassistischen Proteste stattfinden, verständlich: "Ich finde sie schon nachvollziehbar. Wir sind ja inzwischen eine sehr diverse Gesellschaft und es gibt viele Menschen, die immer das Gefühl haben, dass sie nicht gleich behandelt werden. Das hat natürlich auch mit einer gewissen Geschichte in Europa zu tun und das ist nun eben auch die Kolonialgeschichte, die globale Ungerechtigkeit. Es sind Erlebnisse, die viele Menschen haben - das beginnt in der Schule, bei der Jobsuche, bei der Wohnungssuche etc. Ich kann schon verstehen, dass sich Wut aufstaut und dass bestimmte Aktionen gesetzt werden. Es ist für manche Menschen vielleicht nicht nachvollziehbar, aber es bringt ein Thema in den gesellschaftlichen Diskurs. Und das geschieht halt gerade."

Über einen reflektierten Umgang mit der kolonialen Erinnerungskultur wird in Hamburg seit 2014 diskutiert. Zu dieser Zeit ist an der Universität die Forschungsstelle "Postkoloniales Erbe" eingerichtet worden. Der Runde Tisch zum kolonialen Erbe Hamburgs tauscht sich seit 2017 aus und im letzten Jahr hat der Senator der Behörde für Kultur und Medien Carsten Brosda (SPD) einen einschlägigen Beirat zur Aufarbeitung der städtischen Kolonialgeschichte einberufen.

Das Schutztruppen-Denkmal in Hamburg-Aumühlen im Jahr 2009 © Reinhard Behrens Foto: Reinhard Behrens
Das "Deutsch-Ostafrikaner-Ehrenmal" in Aumühle zeigt einen Spähtrupp, bestehend aus einem deutschen Soldaten, einem Askari-Hilfssoldaten und einem afrikanischen Träger.
Denkmäler zum Ostafrika-Kolonialismus

Rassistische und kolonialistische Denkmäler stehen hier allerdings nach wie vor unversehrt. Das gilt auch für den Rest des Nordens: In Aumühle in Schleswig-Holstein wird mit dem "Deutsch-Ostafrikaner-Ehrenmal" ein Kriegsverbrecher geehrt: Paul von Lettow-Vorbeck, der zwischen 1904 und 1908 am Völkermord an den Herero und Nama beteiligt war. In Hannover erinnert das während der Zeit des Nationalsozialismus errichtete Carl-Peters-Denkmal an den Gründer der "Deutschen Gesellschaft für Kolonisation". Er war verantwortlich für die gewaltsame Errichtung der Kolonie "Deutsch-Ostafrika".

Das historische Wissmann-Denkmal liegt auf dem Boden eines Schuppens in Hamburg-Bergedorf. © Reinhard Behrens Foto: Reinhard Behrens
Das Wissmann-Denkmal erinnert an den Kolonialgouverneur Hermann von Wissmann und stand vor der Hamburger Universität, bis es Ende der 1960er Jahre von Studenten gestürzt und mit Farbe bemalt wurde.

Denkmalstürze, wie die des Wissmann-Denkmals vor der Universität Hamburg in den 60er-Jahren, hat es im Norden bisher kaum gegeben. Häufig sind die Statuen höchstens mit einer Erklär- oder Mahntafel versehen. Barbara Plankensteiner versteht das nur als Steinbruch: ""Ich glaube, dass Tafeln auch wichtig sind, um zu informieren, aber es braucht etwas Stärkeres. Also so ein Gegendenkmal vielleicht. Insgesamt, denke ich, braucht es ein koloniales Erinnerungskonzept in einer Stadt. Es ist auch wichtig, dass wir andere Denkmäler setzen, die eine andere Erinnerung in den Stadtraum bringen, und auch das Thema Straßennamen finde ich sehr wichtig. Wir brauchen auch Straßennamen, die an Opfer des Kolonialismus, des deutschen Kolonialismus erinnern, aber auch an Helden, die dagegen angekämpft haben. Damit auch unsere diverse Gesellschaft besser repräsentiert wird und nicht nur die eine Perspektive."

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

Klassisch unterwegs | 17.06.2020 | 16:20 Uhr

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