Stand: 18.01.2015 10:44 Uhr

Als die Luftschiffe in den Krieg eingriffen

von Dirk Hempel, NDR.de

Des Kaisers neueste Waffe ist noch nicht einsatzbereit, als am 1. August 1914 der Krieg ausbricht. Nur einen einzigen Zeppelin besitzt die im Vorjahr aufgestellte Marine-Luftschiff-Abteilung. Aber die britischen Spione wissen schon Bescheid: In Nordholz südlich von Cuxhaven entsteht der zentrale Luftschiffplatz des Deutschen Reiches. Mehr als 18 Millionen Mark wird er kosten, mit Hallen, Unterkünften, Werkstätten und eigener Gasanstalt.

Gerade einmal 14 Jahre ist es her, dass Ferdinand Graf Zeppelin in Friedrichshafen am Bodensee mit der LZ 1 sein erstes, 128 Meter langes Luftschiff gestartet hat. Drei Jahre bevor 1903 die Brüder Wright mit ihrem Flugzeug abheben. Versuche mit Ballons gibt es seit dem 18. Jahrhundert. Aber Graf Zeppelin hat ein Luftschiff konstruiert, das nicht von der Windrichtung abhängig ist und gelenkt werden kann. Mehr als 25 Jahre hat er sich dafür eingesetzt, sein Vermögen verbraucht. Nun erfasst eine Luftschiffbegeisterung das Land. Zeppeline und andere Fabrikate verkehren bald zwischen den deutschen Großstädten. 1912 wird in Hamburg-Fuhlsbüttel die erste Luftschiffhalle gebaut, die Geburtsstunde des heutigen Flughafens. Und Graf Zeppelin denkt bereits an Linienflüge in die USA.

Nach Kriegsbeginn wird das Luftschiff zur Waffe

Inzwischen interessiert sich auch das Militär für das neue Flugobjekt. Heer und Marine rüsten nach Kriegsbeginn eilig auf. In Nordholz werden bis zum Juni 1915 vier Luftschiffe stationiert, auch an anderen Orten Landeplätze gebaut, in Hage etwa und Wittmundhafen in Ostfriesland, in Ahlhorn bei Oldenburg und im nordschleswigschen Tondern. Bald wächst die Truppe auf fast 4.000 Offiziere und Mannschaften an, die meisten zum Halten der Flugköper beim "Ein- und Aushallen". Graf Zeppelin begleitet die Schiffe bei der Auslieferung in den Norden. Die Ausbildung leitet dort ein Vertrauter, der ehemalige Journalist Hugo Eckener.

Anfangs werden die Luftschiffe nur für Aufklärungsflüge eingesetzt. Sie orten britische U-Boote und markieren Minenfelder. Aber der Kommandeur der Luftschiff-Abteilung, Fregattenkapitän Peter Strasser, der mit seinem Stab in Nordholz residiert, fordert ebenso wie Graf Zeppelin bald den Einsatz als Fernbomber, gegen feindliche Industriegebiete und Transportwege, vor allem in Großbritannien. Seine Männer schlafen in den Hangars, dürsten nach Taten. Doch Kaiser Wilhelm II. zögert. Er ist mit dem britischen Königshaus verwandt, und Angriffe auf Zivilisten gelten als Kriegsverbrechen.

Nachdem am ersten Weihnachtstag 1914 britische Flugzeuge überraschend Nordholz angegriffen haben, ändert sich jedoch die Haltung. Am 10. Januar 1915 genehmigt der Kaiser Bombenangriffe auf militärische Ziele in Großbritannien. Nur London bleibt ausgespart. Neun Tage später starten in Norddeutschland drei Zeppeline. 300 Mann haben die 158 Meter langen Ungetüme gegen Mittag aus den Hallen gezogen und halten sie startbereit.

19. Januar 1915: Angriff auf Großbritannien

22.000 Kubikmeter hochbrennbares Wasserstoffgas in riesigen Gaszellen lassen sie in der Luft schweben. Die Zellen bestehen aus Goldschlägerhaut, in Schichten verklebte hauchdünne Rinderblinddärme, 700.000 je Schiff. Die Außenhülle, die das Aluminiumgerippe überzieht, ist aus lackiertem Baumwollstoff genäht und hat die Maße von vier Fußballfeldern. Angetrieben werden die Zeppeline von Benzinmotoren der Firma Maybach.

Luftschiffe von Herr und Marine

Sowohl Heer als auch Marine verfügten im Ersten Weltkrieg über Luftschiffe. Sie dienten der Suche nach Minenfeldern, feindlichen Schiffen und der Beobachtung von Truppenbewegungen, ebenso für Bombenangriffe auf militärische und zivile Ziele. Während das Heer seine Luftschiffe vor allem an den Kriegsschauplätzen in Osteuropa erfolgreich einsetzte, Städte wie Warschau, Minsk und Bukarest bombardierte, führte die Marine zahlreiche Aufklärungsflüge über Nord- und Ostsee durch. Das Heer löste seine Luftschiffsabteilung zugunsten von Flugzeugen schon 1917 auf. Marineluftschiffe waren bis zum Ende des Krieges im Einsatz. An den Angriffen auf Großbritannien waren Heeres- und Marineluftschiffe beteiligt.

Sie sind anfangs mit je 500 Kilogramm, später mit bis zu fünf Tonnen Bomben bestückt und verfügen über mehrere Maschinengewehre. Zur etwa 15-köpfigen Besatzung gehört auch ein Segelmacher, der Beschädigungen der Außenhaut während des Fluges reparieren kann. Auf der Oberseite des Luftschiffs befindet sich eine MG-Plattform. Hier harren die Schützen in Eiseskälte aus, in dickem Lederzeug, Pelzen und Filzschuhen. Minus 30 Grad werden in 5.000 Meter Höhe gemessen.

An jenem 19. Januar 1915 erreichen die Luftschiffe am Abend die englische Küste. In der mondlosen Dunkelheit sind sie am schwarzen Himmel schwer zu erkennen. Eine Luftabwehr mit Flugzeugen und Kanonen gibt es noch nicht. Über Hafenanlagen in Norfolk werfen sie ihre Bomben ab. Vier Menschen sterben, 16 werden verletzt. Die Briten sind schockiert, müssen erkennen, dass ihre Insellage im modernen Krieg nun keinen Schutz mehr bietet.

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Hallo Niedersachsen | 01.07.2014 | 19:30 Uhr

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