Zuckerarme Ernährung: Wie geht das?
Zuckerfreie Ernährung ist gesund. Aber warum ist es so schwer gesüßten Lebensmitteln zu widerstehen? Ist es Charakterschwäche oder können wir gar nicht anders? Die Lust auf Süßes ist uns angeboren. In der Natur ist süßer Geschmack ein Signal dafür, dass etwas nicht giftig ist. Das hat unseren Vorfahren bei der Nahrungssuche geholfen. Für sie war es zudem sinnvoll, so viel davon zu essen wie möglich, denn kalorienreiche Kost war knapp. Diese Vorliebe für Süßes prägt uns noch heute. Doch längst gibt es Zucker im Überfluss. Und die Folgen eines hohen Zuckerkonsums können gravierend sein - von Übergewicht über Diabetes bis Krebs.
Ernährungswissenschaftlerinnen und Ernährungswissenschaftler raten dringend, weniger Zucker zu konsumieren. Aber wie auf die Schokolade am Nachmittag verzichten, wenn man gerade im Formtief des Tages angekommen ist? Silke Schwartau, Leiterin der Ernährungsabteilung bei der Verbraucherzentrale Hamburg, gibt Tipps, wie sich der Zucker-Anteil in der Ernährung reduzieren lässt und welche Zucker-Alternativen es gibt.
Mit welchen Lebensmitteln lässt sich am meisten Zucker einsparen?
Silke Schwartau: Mit solchen, in denen versteckter Zucker enthalten ist. Das sind zum Beispiel Müsliriegel, Snacks und Fertigprodukte. Frühstücksflocken für Kinder bestehen im schlimmsten Fall bis zu 40 Prozent aus Zucker. Es hilft, auf die Nährwertangaben auf der Rückseite des Etiketts zu schauen. Dort ist immer der Zuckergehalt aufgelistet. Gerade in dem Bereich kann man sehr viel sparen.
Aber auch Limos und Cola-Getränke können mit bis zu sieben Zuckerwürfeln in einem einzigen kleinen Glas wahre Zuckerbomben sein. Da sie nicht satt machen und erfrischend sind, trinkt man teilweise sehr viel davon und somit gelangt viel zu viel Zucker in den Magen.
Was bedeuten die Deklarationen "zuckerfrei" und "ohne Zuckerzusatz" genau?
Schwartau: Die Begriffe "zuckerfrei" und "zuckerarm" sind rechtlich geregelt. Die Angabe "zuckerfrei" ist nur dann zulässig, wenn nicht mehr als 0,5 Gramm Zucker pro 100 Gramm oder 100 Milliliter eines Produkts enthalten sind. Leider darf mit dieser Bezeichnung noch bis zu dieser Grenze geworben werden.
Wenn ein Lebensmittel mit der Angabe "ohne Zuckerzusatz" beworben wird, darf es keinen Haushaltszucker oder zugesetzte Einfach- und Zweifachzucker wie Traubenzucker oder Fruktose oder irgendein anderes wegen seiner süßenden Wirkung verwendetes Lebensmittel enthalten.
Muss ich auf süßes Frühstück verzichten?
Schwartau: Nein, das ist nicht notwendig. Beim Müsli zum Beispiel gibt es ja unterschiedliche Varianten, etwa solche mit wenig oder gar keinem Zucker. Man kann sich aber auch selbst ein Müsli mischen oder das gekaufte Müsli mit Haferflocken strecken und mit Beeren anreichern. Von der Marmelade einfach ein bisschen weniger essen und vielleicht etwas Quark nehmen. Es geht einfach darum, die Anzahl der zuckerreichen Dinge auf dem Speiseplan zu reduzieren oder sie zu verdünnen.
Womit kann ich Kaffee oder Tee alternativ süßen?
Schwartau: Langfristig könnte man sich lieber daran gewöhnen, Kaffee und Tee ohne Zucker zu trinken. Einfach immer etwas weniger nehmen. Ein Schuss Milch kann helfen, denn Milchkaffee schmeckt ja auch eher süßlich. Aber das alles ist eine Frage der Gewohnheit. Wenn man schon Stoffwechselprobleme wie Diabetes hat, sollte man auf Süßstoff oder ähnliches zurückgreifen.
Gibt es weniger "schlimme" Süßigkeiten?
Schwartau: Wenn man auf die Zutatenliste guckt, gibt es schon einige, wie etwa sehr dunkle Schokolade oder Kekse mit viel Getreide und wenig Zucker. Manchmal ist es mühsam, herauszufinden, wie Zucker in den Produkten zu beurteilen ist. Der Ampelcheck der Verbraucherzentrale kann da zum Beispiel weiterhelfen. Wenn mehr als 22,5 Gramm Zucker (pro 100 Gramm) zugesetzt worden sind, dann würde eine imaginäre Ampel rot aufleuchten, denn das ist zu viel.
Was kann ich essen, wenn mich der Heißhunger packt?
Schwartau: Es ist wichtig, dass man schon etwas Gesundes dabei hat, wenn man in so ein Hungerloch fällt. Schokolade ist natürlich eine bequeme Zwischenmahlzeit, weil es sie am Kiosk gibt oder sie schon griffbereit in der Schublade liegt.
Aber dafür sollte man für sich Alternativen vorbereiten, die nicht zuckrig sind: etwa eine kleine Quarkspeise mit ins Büro nehmen, ein Knäckebrot zum Knabbern dabeihaben oder Möhrenspalten, Gurkenscheiben oder Äpfel in einer Brotdose mitnehmen. Nüsse sind auch eine gute Alternative zu Süßigkeiten, sie enthalten vor allem gesunde Fette, aber leider auch viele Kalorien. Aber eine kleine Handvoll Studentenfutter wäre möglich.
Wie schaffe ich es, weniger Zucker zu essen?
Schwartau: Nicht von einem Tag auf den anderen aufhören. Unser Gehirn mag keine Verbote. Die Psyche möchte belohnt werden. Wenn Schokolade die Belohnung ist, sollten wir versuchen, sie durch etwas anderes zu ersetzen. Wer drei Tage ohne Süßigkeiten ausgekommen ist, könnte sich als Belohnung zum Beispiel einen Besuch in der Sauna gönnen. Und so ganz abstinent leben muss man gar nicht, wenn die Gesundheit es nicht erfordert.
Wie lange dauert eine Zucker-Entwöhnung?
Schwartau: Ich würde mir schon Zeit geben. Die ersten vier Wochen sollte man einfach mal verstärkt darauf achten, was man isst. Dazu gehört, die Verpackungen der Lebensmittel genau anzugucken und zu notieren, was man eigentlich an Süßigkeiten am Tag isst. Mithilfe eines Ernährungsprotokolls kann man sich dann überlegen, was man vielleicht weglassen oder reduzieren könnte. Mit der Zeit gewöhnt man sich zum Beispiel daran, Tee oder Kaffee ohne Zucker zu trinken.
Ist Obst eine gute Zwischenmahlzeit, auch wenn es sehr süß ist?
Schwartau: Ja, denn obwohl manches Obst voller Zucker steckt, sind außerdem Vitamine sowie Mineral- und Ballaststoffe darin enthalten. Aber auch hier kommt es auf die Menge an, gerade bei sehr süßem Obst wie etwa Weintrauben. Trotzdem ist es sehr viel besser Obst zu essen, als einen süßen Keks. Zwei Portionen Obst am Tag sind gut.
Welche Hilfestellungen gibt es noch?
Schwartau: Wer allein nicht weiter kommt, kann Kurse bei seiner Krankenkasse besuchen. Diese sind meistens kostenlos. Eine individuelle Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen, kann auch sehr gut weiterhelfen. Einige Krankenkassen fördern das.