Zucker: Kinder als Zielgruppe der Lebensmittelindustrie
Besonders Kinder lieben Süßes. Doch Deutschlands Kinder werden immer dicker: Laut einer Langzeitstudie des Robert Koch-Instituts zur Gesundheit von Kindern ist jedes sechste Kind in Deutschland übergewichtig oder sogar adipös. Im Vergleich zu den 1980er- und 1990er-Jahren sei das ein Anstieg um 50 Prozent. Ärzte warnen vor der Gefahr, die übermäßig süße Lebensmittel für die Gesundheit bedeuten. Denn wer schon als Kind Übergewicht hat, trägt es in der Regel auch bis ins Erwachsenenalter weiter. Neben den offensichtlichen Zuckerquellen wie Süßwaren stellen sich allerdings auch vermeintlich gesunde Lebensmittel als Zuckerfallen heraus - insbesondere wenn diese als Zielgruppe Kinder im Blick haben.
Kinder-Lebensmittel mit hohem Zuckergehalt
Dass Lebensmittel für Kinder oft mehr Zucker als vergleichbare Produkte für Erwachsene enthalten, zeigt eine Studie des Max Rubner-Instituts im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch untersuchte 2019 in einer Marktstudie 78 Frühstücksflocken und 32 Joghurt-Sorten auf ihren Zuckergehalt. Die Produkte werben mit Cartoons, Tieren und Spielzeug oder dem Zusatz von populären Süßigkeiten speziell für Kinder. Das Ergebnis ist in den Augen der Verbraucherschützer unerfreulich: Im Schnitt enthielten die untersuchten Joghurt-Sorten 14 Prozent Zucker, die Frühstücksflocken sogar knapp 25 Prozent Zucker. Diese Werte lägen klar über den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, schreibt Foodwatch, denn die WHO schätze Frühstücksflocken mit einem Zuckergehalt von mehr als 15 Prozent und Joghurt-Sorten mit über zehn Prozent Zucker als unausgewogen ein, sie sollten nicht als für Kinder geeignet beworben werden.
Verbraucherschützer fordern Werbeverbot
Das Problem ist schon lange bekannt, die Rolle der Lebensmittelindustrie in Bezug auf den weltweiten Anstieg von Übergewicht, Adipositas und chronischen Krankheiten wie Diabetes Typ 2 wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert. Verbraucherschützer kritisieren insbesondere das an Kinder gerichtete Marketing für ernährungsphysiologisch unausgewogene Lebensmittel und fordern deshalb ein generelles Werbeverbot für Produkte, die nicht den WHO-Leitlinien entsprechen. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte sich im September 2018 mit den Herstellern darauf verständigt, dass diese bis 2025 freiwillig den Zuckergehalt in Kinder-Frühstücksflocken um durchschnittlich 20 Prozent und in Kinder-Joghurt-Sorten um durchschnittlich zehn Prozent verringern sollten. Allerdings wären damit laut Foodwatch immer noch 94 Prozent der Joghurt-Sorten und 87 Prozent der Frühstücksflocken aus der Marktstudie zu zuckrig.
Andere Länder gehen bereits härtere Wege. In Chile sind Produkte mit Zucker höher versteuert und mit schwarzen Warnsymbolen versehen. Dort gibt es auch keine Cartoonfiguren mehr auf zuckerhaltigen Frühstücksflocken. Aber auch in Europa sind manche Länder strenger als Deutschland. Großbritannien, Irland, Norwegen und Schweden zum Beispiel verbieten Werbung für Lebensmittel mit besonders viel Zucker im Radio- und Fernsehprogramm, die sich an Kinder richtet.