Schematische Darstellung: Beine mit geschwollenem Knöchel. © NDR

Lipödem: Symptome erkennen und behandeln

Stand: 28.11.2022 09:58 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Beim Lipödem werden vor allem die Beine, manchmal auch die Arme, immer dicker und schmerzen, weil sich das Fettgewebe unkontrolliert vermehrt. Abhängig vom Stadium kann oft nur eine OP die Symptome lindern.

Das Lipödem ist eine Störung der Fettverteilung, bei der es zu einer unkontrollierten Fettvermehrung vor allem an Beinen, Hüfte, Gesäß und in einigen Fällen auch an den Armen kommt. Betroffen sind in Deutschland rund 3,8 Millionen Menschen, fast ausschließlich Frauen. Es ist aber von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, weil viele Betroffene nichts von ihrer Erkrankung wissen und glauben, die Fettvermehrung sei unmittelbare Folge von falscher Ernährung und zu wenig Bewegung. Auch Ärztinnen und Ärzte erkennen die Erkrankung nicht immer, verwechseln sie häufig mit einem Lymphödem oder Adipositas. Erst in den vergangenen 20 Jahren ist das Lipödem zunehmend ins Bewusstsein von Medizinern und Gesellschaft gerückt.

Genaue Ursachen noch nicht geklärt

Typisch für ein Lipödem ist ein unproportionales Verhältnis der einzelnen Körperteile zueinander. Im Extremfall tragen betroffene Frauen Oberteile in Kleidergröße XS und Hosen in Größe XXL. Viele betroffene Frauen leiden unter den Folgen, die diese Ungleichverteilung für ihr äußeres Erscheinungsbild bedeutet. Dazu kommen ständige Schmerzen durch Wasserablagerungen zwischen den Fettschichten.

Die genauen Ursachen des Lipödems sind nicht geklärt. Da die ersten Symptome meist in der Pubertät oder nach Schwangerschaften auftreten, vermuten Experten hormonelle Auslöser. Die Neigung zum Lipödem scheint vererbbar zu sein.

Spannungs- und Schweregefühl in den Beinen

Beim Lipödem vermehren sich die Fettzellen unkontrolliert im Fettgewebe der Unterhaut. An den betroffenen Stellen lassen sich harte Knubbel tasten, während Knöchel und Handgelenke oft schlank bleiben.

Zwischen den Fettzellen kommt es zu Wassereinlagerungen - sogenannten Ödemen. Sie drücken auf das umliegende Gewebe, sodass es insbesondere abends, nach langem Stehen und bei warmen Temperaturen zu Spannungs- und Schweregefühlen der Beine kommt. Die betroffenen Stellen sind sehr berührungs- und druckempfindlich. Bereits nach kleinen Stößen treten Blutergüsse auf.

Tasten hilft bei der Diagnose

Bei einem Lipödem lassen sich schon früh Hinweise auf die Krankheit ertasten, denn die Haut fühlt sich an, als befänden sich Styroporkügelchen darunter. Anders als bei einem Ödem hinterlässt ein leichter Druck auf die Haut nur kurz eine Delle, die schnell wieder verschwindet.

Zu welchem Arzt? Am besten zum Phlebologen und Lymphologen

Für die Diagnostik und Therapieplanung sollten sich Betroffene möglichst an eine Spezialistin oder einen Spezialisten für Phlebologie und Lymphologie wenden, für die operative Behandlung an ein Plastische Chirurgin oder einen Plastischen Chirurgen.

Lipödem-Krankheit verläuft in drei Stadien

Bei einem zumeist schlanken Oberkörper wirken die Beine beim Lipödem meist unproportioniert dick. Die Erkrankung verläuft in drei Stadien:

  • Im Stadium 1 ist die Unterhautschicht noch gleichmäßig verdickt.
  • Im Stadium 2 wird sie knotenförmig und führt zu Unebenheiten der Hautoberfläche.
  • Im Stadium 3 verhärtet sich das Gewebe zunehmend, es entstehen ausgeprägte Fettwülste, die im Knie- und Oberschenkelbereich zu einer Behinderung beim Gehen führen können.

Symptome lindern: Sport und Ernährung helfen oft nicht ausreichend

Die Fettansammlungen lassen sich durch Diäten oder Sport nicht reduzieren. Bislang ist es nicht möglich, ein Lipödem ursächlich zu behandeln. Daher können lediglich die Symptome behandelt werden. Oft lassen sich die Beschwerden lindern durch

  • eine komplexe physikalische Entstauungstherapie
  • eine Kombination aus regelmäßiger manueller Lymphdrainage, Krankengymnastik und dem Tragen von Kompressionsstrümpfen

Fett absaugen: Operation ab Stadium 2

Ab Stadium 2 hat sich in vielen Fällen zusätzlich eine gezielte Fettabsaugung (Vibrationsliposuktion) bewährt. Dabei werden die krankhaften Fettmassen unter örtlicher Betäubung mit einer sehr dünnen, abgerundeten und vibrierenden Sonde abgesaugt. So können normale Körperformen wiederhergestellt und die Beschwerden oft für viele Jahre gelindert werden. Zudem kann eine möglichst frühe OP die Entwicklung gefährlicher Folgeerkrankungen wie Lymphödeme oder offene Beine verhindern.

Nach einer gesicherten Diagnose und im Falle einer Indikation zur Operation empfehlen Experten, den Eingriff in einer spezialisierten Klinik durchführen zu lassen, da die Operation viel Erfahrung erfordert.

Im Stadium 3 übernehmen die Krankenkassen zurzeit die OP-Kosten

Bis vor Kurzem übernahmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten von mehreren Tausend Euro pro Eingriff (häufig sind mehrere Operationen nötig) nur in Einzelfällen: Die dauerhafte Wirksamkeit der Methode sei nicht ausreichend belegt. Seit 2020 ist die operative Fettabsaugung bei einem Lipödem im Stadium 3 eine Kassenleistung. Die Übernahme ist befristet bis 2024. Bis dahin sollen Erkenntnisse aus einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) veranlassten Erprobungsstudie vorliegen, die die Wirkung der Liposuktion in allen Stadien des Lipödems untersucht.

Allerdings wird die OP zur Zeit nur bis zu einem BMI von 35 von der Krankenkasse übernommen, da der Erfolg der OP "... ab einem bestimmten BMI nicht erfolgversprechend" sei. Darüber hinaus muss laut G-BA zunächst die Adipositas behandelt werden, " … um das Verfahren als zweckmäßig einzuschätzen". Tatsache ist jedoch, dass viele Frauen, wenn sie das Stadium 3 eines Lipödems erreicht haben, durch die damit einhergehende Gewichtszunahme auch bei einen BMI von über 35 liegen. Auf diese Weise bleibt vielen eine Kostenübernahme der OP durch Krankenkassen dauerhaft verwehrt.

Konservative Behandlung oft teurer als OP

Die konservative Behandlung mit Kompressionsstrümpfen und Lymphdrainage ist oft deutlich teurer als eine Operation (Stand 2019):

  • Konservative Therapie: Je nach Krankenkasse werden pro Jahr vier maßangefertigte Kompressionsstrümpfe für jeweils 700 bis 1.200 Euro und zehn Rezepte über zehn Lymphdrainagen (jeweils 500 bis 550 Euro) bezahlt. Das sind nach einem Jahr circa 7.800 bis 10.300 Euro, nach zehn Jahren schon 78.000 bis 103.000 Euro.
  • Operation: Der Eingriff bei einem Lipödem kostet einmalig circa 18.000 Euro. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten in der Regel nicht, weil der Posten nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung steht.

Studien deuten darauf hin, dass auch erfolgreich operierte Patientinnen nach der Liposuktion noch weiterhin konservative Therapie benötigen, um ihre Erkrankung weiter in Schach zu halten. Denn geheilt ist das Lipödem durch die OP nicht.

Sanfte Bewegung lindert Schmerzen

Das Lipödem lässt sich nicht "wegtrainieren". Regelmäßige Bewegung kann aber verhindern, dass sich begleitend zum Lipödem ein schmerzhaftes Lymphödem entwickelt (Lipo-Lymphödem). Gezieltes Training hilft so, die Beinödeme zu lindern. Als besonders effektiv gilt das Wassertreten: Das Wasser massiert die Beine, regt den Lymphfluss an und trainiert den Körper, ohne die Gelenke zu überlasten.

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NDR Fernsehen | Visite | 29.11.2022 | 20:15 Uhr

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