Stand: 12.03.2020 19:59 Uhr

Gaffer: Warum Schaulustige Unfälle filmen

von Nicolas Peerenboom
Eine Frau fotografiert mit ihrem Smartphone einen Unfall (Montage) © Colourbox Foto: Giovanni, ThomasG
Oft behindern oder verzögern Gaffer die schnelle Fahrt der Rettungskräfte zum Unfallort.

Jeder hat das schon einmal erlebt: Ein schwerer Unfall auf der Autobahn, der vorbeifahrende Verkehr wird immer langsamer. Leute zücken ihre Handys, machen Aufnahmen, filmen den Unfallort, die Verletzten und die Rettungskräfte. Solche Gaffer sind ein großes Ärgernis für die Polizei und die Einsatzkräfte. Denn Gaffer setzen das Leben der Unfallopfer aufs Spiel und missachten deren Persönlichkeitsrechte. Gaffer werden meist von ihrer Neugier geleitet.

Was kennzeichnet einen Gaffer?

Wer an einer Unfallstelle stehen bleibt, den Unfall und das Unfallgeschehen beobachtet oder sich am Unfallort aufhält, ist ein Gaffer. Oftmals vergessen Gaffer, sich angemessen zu verhalten, beispielsweise unterlassen sie es, Hilfe zu leisten. Sie fühlen sich nicht zuständig und nicht verantwortlich: Es stehen schließlich noch andere Schaulustige herum, die etwas tun könnten.

Warum stellen Gaffer eine Gefahr dar?

Oft behindern oder verzögern Gaffer die schnelle Fahrt der Rettungskräfte zum Unfallort. Sie bilden keine Rettungsgasse, versperren Wege und blockieren im schlimmsten Fall sogar die Zufahrt zur Unfallstelle. Außerdem bremsen Gaffer ihre Autos oder Lkw an der Unfallstelle deutlich ab, um filmen oder fotografieren zu können. Dadurch entsteht ein Rückstau, Rettungsfahrzeuge erreichen den Unfallort verspätet. Im schlimmsten Fall passieren Folge- und Auffahrunfälle. Für die Unfallopfer endet das im schlimmsten Fall tödlich, denn für sie zählt jede Minute.

Warum filmen Gaffer Unfälle?

Gaffer werden von ihrer menschlichen Neugierde geleitet. Wenn sich etwas Außergewöhnliches ereignet, wollen Menschen in der Regel wissen, was geschehen ist, um sich zu orientieren. Doch in Kombination mit Handykameras und kostenlosen Verbreitungsmöglichkeiten im Internet wird aus der menschlichen Neugierde zuweilen ein sozial fragwürdiges Verhalten, das viele Polizei- und Rettungskräfte verzweifeln lässt.

Auf der Suche nach den Ursachen für ein solches Verhalten liefert die Kriminologin und Psychologin Stefanie Kemme von der Hochschule der Polizei in Hamburg eine interessante Erklärung: Sie weist auf eine Studie der Harvard Universität hin, die belegt, dass im Gehirn Glückshormone produziert werden, wenn man Informationen über sich selbst oder eigene Erlebnisse im Internet verbreitet. "Man hat neuronal herausgefunden, dass das dopaminale Belohnungssystem angesprochen wird. Das heißt, es werden Glücksbotenstoffe ausgesendet, wenn ich diese Botschaften weiterleite."

Filmende Gaffer werden also durch die Produktion von Glücksbotenstoffen belohnt. Und im Internet werden sie durch die Likes der anderen bestätigt - ein sich selbst verstärkender Prozess.

Welche Strafen drohen Gaffern?

Um das Problem mit filmenden Schaulustigen in den Griff zu bekommen, hat der Staat in den vergangenen beiden Jahren mit der Einführung von Bußgeldern und Strafen reagiert. Eine kurze Übersicht:

  • Gaffen selbst ist eine Ordnungswidrigkeit, wenn sich jemand einer öffentlichen Ansammlung anschließt oder sich nicht aus ihr entfernt, obwohl ein Träger von Hoheitsbefugnissen die Menge dreimal rechtmäßig aufgefordert hat, auseinanderzugehen (Paragraf 113, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, OWiG). Diese Ordnungswidrigkeit wird mit einer Geldstrafe bis zu 1.000 Euro bestraft.
  • Gaffen selbst wird dann zur Straftat, wenn man es unterlässt zu helfen. Zum Beispiel wenn die Rettungskräfte noch nicht am Unfallort sind. Paragraf 323c des Strafgesetzbuches regelt die unterlassene Hilfeleistung und sieht eine Haftstrafe bis zu einem Jahr vor. Auch die Behinderung von Rettungskräften kann eine unterlassene Hilfeleistung sein, die bestraft wird - mit einer Geldstrafe oder mit bis zu einem Jahr Gefängnis.
  • Wenn ein Schaulustiger nicht nur gafft, sondern auch Videos oder Fotos von hilflosen Unfallverletzten herstellt, macht er sich strafbar. In Paragraf 201a des Strafgesetzbuches wird auch das Strafmaß genannt: Es drohen bis zu zwei Jahre Haft.
  • Künftig wird auch das Anfertigen von Fotos oder Videos von Unfalltoten mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.

Achtung: Das Filmen beziehungsweise Fotografieren von Unfallverletzten oder Unfalltoten ist bereits eine Straftat. Ob dieses Material online gestellt oder auf andere Weise verbreitet wird, ist nicht entscheidend.

Wie verhalten Sie sich am Unfallort richtig?

Wenn der Unfallort noch nicht abgesichert ist und noch keine Rettungskräfte vor Ort sind, sind Sie persönlich gefragt, als Ersthelfer zu handeln.

  • Eigensicherung durch Anlegen der Warnweste
  • Absicherung der Unfallstelle mittels Warndreieck
  • Anruf bei der Feuerwehr, Polizei oder Notruf
  • Erste Hilfe bei Unfallverletzten

Wenn der Unfallort bereits abgesichert ist und Rettungskräfte vor Ort sind:

  • Rettungsgasse bilden
  • Anweisungen der Rettungskräfte befolgen
  • Am Unfallort nicht filmen oder fotografieren
  • Zügig an der Unfallstelle vorbeifahren, nicht stehen bleiben.

Dieses Thema im Programm:

Markt | 16.03.2020 | 20:15 Uhr

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