Upcycling: Aus altem Holz werden neue Möbel
Anna Anderson baut Möbel - vom Kerzenständer bis zum Kleiderschrank. Das Material dafür holt sie aber nicht einfach aus dem Baumarkt. Das wäre zu einfach und vor allem nicht originell genug.
Sie erschafft Neues aus Altem, findet ihr Holz auf Dachböden, Weiden oder im Wald. Obwohl es eine Herausforderung ist, mit altem Holz zu arbeiten, wie sie sagt. Denn die Formen der Natur, die könne man sich nicht selber ausdenken. Ein paar alte Zaunpfähle mit Wurmlöchern und rostigen Nägeln auf dem Acker im Schnee - für die meisten wäre das wohl einfach ein Haufen altes Holz. Anna Anderson sieht darin mehr: "Holzstücke, die einen besonderen Schwung haben - große Äste oder interessante Formen - nehme ich mit. Da sehe ich sofort, was ich draus machen kann", sagt die gelernte Tischlerin, während sie die Bohlen aufhebt und in ihren Bus einlädt.
"Die Natur ist der tollste Künstler"
Eines der Bretter holt sie auf dem Hof vor ihrer Werkstatt in Grande im Kreis Storman gleich wieder raus, um es zu reinigen. Daraus soll mal ein Wandregal werden. "Bei so altem Holz braucht es aber erst einmal viel Vorbereitungszeit", erklärt Anna Anderson, während sie den angerotteten Zaunpfahl von allen Seiten gründlich mit einer elektrischen Bürste bearbeitet. Ihr Baumaterial sucht sie sich am liebsten draußen - in Absprache mit den jeweiligen Grundstücksbesitzern. Das hat sie schon als Kind gerne gemacht. "Obwohl meine Eltern alles andere als begeistert von dem alten Zeug in der Wohnung waren, das ich angeschleppt habe", erinnert sie sich. "Denn die Natur ist der tollste Künstler - ob das Formen, Farben oder Strukturen sind, die sie hervorzaubert."
Altes Holz ist eine Herausforderung
Bevor sie an dem Zaunpfahl weiter arbeiten kann, muss er erst noch in die Hitzekammer - mehrere Stunden bei 53 Grad, gegen die Holzwürmer. Anna Anderson betritt ihre Werkstatt, vorbei an vergoldeten Wand-Regalen aus 500 Jahre altem Holz, einer Schaukel aus ausrangierten Bohlen und einer Konstruktion, die Stehpult und Couchtisch in einem ist. Was die studierte Gestalterin herstellt, ist nie nur funktional, und kostet zwischen 30 und mehreren Tausend Euro. "Viele Kunden verstehen nicht, warum es so teuer ist. Sie denken: Es ist doch nur altes Holz. Aber genau das ist ja die Herausforderung", erklärt sie.
Upcycling liegt im Trend
Seit 20 Jahren ist Anna Anderson selbständig. Noch nie hatten sie und ihre Mitarbeiterin so viel zu tun wie jetzt, denn Upcycling liegt im Trend. Ihre Auftragsbücher sind ein halbes Jahr im Voraus gefüllt. "Ich denke, das liegt an der Umwelt. Man hat mittlerweile kapiert, dass man die Wälder nicht unbegrenzt abholzen kann", sagt Anna Anderson. "Aber die Schönheit von Gebrauchtem, der Patina, liegt sicher auch im Trend." Sie hat den Umgang mit altem Holz schon während ihrer Ausbildung in einem Restaurationsbetrieb gelernt. Gerade arbeitet sie an einer Tischplatte aus alten Gerüstbohlen.
Altholz punktet mit Individualität
Rostige Beschläge, Nägel oder Strukturen im Holz - davon will sie so wenig wie möglich wegnehmen, aber genug, um die Möbel funktional zu machen. Eine weitere Schwierigkeit: Die Maschinen sind auf gerade Flächen und rechtwinklige Schnitte ausgerichtet. Die Gerüstbohlen sind durch das Laufen der Bauarbeiter darauf schon krumm und schief. "Klar ist das manchmal nervig, weil es lange dauert. Oder wieder ein Nagel drin ist oder ein anderes Geschoss. Und ich muss die Hobelmesser wechseln, und das Kreissägeblatt ist stumpf. Aber es ist optisch nachher so schön, das bekomme ich nie hin mit neuem Holz." Denn in altem Holz stecken Geschichte und die Formen der Natur.