Subventionen in der Landwirtschaft: Fluch oder Segen?

Stand: 22.02.2024 22:02 Uhr

Die Abschaffung der steuerlichen Vergünstigungen für Agrardiesel hat die Landwirte auf die Straße getrieben. Dabei gibt es für die Bauern viel entscheidendere Subventionen. Allerdings nur mit viel Bürokratie.

von Birgit Stamerjohanns

"Die Agrarsubventionen haben aus meiner Sicht das Höfesterben befeuert", sagt Landwirt Eike Bruns. Durch die Rückvergütung für den Agrardiesel hat er bisher pro Jahr "eine größere vierstellige Summe" erhalten - genauer möchte er es nicht sagen. Im Schnitt bringt die Agrardieselvergütung laut Landwirtschaftskammer knapp 4.000 Euro im Jahr für Ackerbaubetriebe, gut 3.000 Euro für Milchbauern. Geld, das bis zum Jahr 2026 stufenweise wegfallen soll.

Steuern, Auflagen und Beraterkosten fressen die Subventionen auf

Weitaus höhere Summen erhalten Landwirte wie Eike Bruns von der EU, etwa in Form von Flächenprämien: Für 100 Hektar Land pro Jahr knapp 20.000 Euro, die sich aus einer Basisprämie und speziellen Kleinbauernprämien zusammensetzen. Letztere sollen die bäuerlichen Familienbetriebe fördern. Es gibt auch gesonderte Unterstützung für Junglandwirte und für Landwirte, die beispielsweise Bienenweiden und Blühstreifen anlegen.

Von 20.000 Euro bleiben dem Landwirt manchmal nur 1.500 übrig

Aber auf die Subventionen entfallen Steuern, außerdem müssen die Landwirte bestimmte Auflagen einhalten, beispielsweise eine Winterbegrünung pflanzen. Und: "Um mit der Bürokratie klarzukommen, brauche ich einen Berater, auch der kostet Geld", erklärt Eike Bruns. Am Ende blieben ihm von den 20.000 Euro nur rund 1.500 Euro übrig. Deswegen hat sich Eike Bruns entschieden, für dieses Jahr keine Agrarbeihilfen mehr zu beantragen. Weil sich der bürokratische Aufwand für ihn nicht lohne.

Weitere Informationen
Agrarökonom Sebastian Lakner © privat

"Subventionierung des Agrardiesels hat keine Zukunft"

Agrarökonom Sebastian Lakner meint, dass die geplanten Kürzungen nicht existenzgefährend seien. Subventionen müssten zielführender eingesetzt werden. mehr

Ohne Zuschüsse nicht wettbewerbsfähig

Sinn und Zweck der Subventionen für die Landwirte verdeutlicht Albert Hortmann-Scholten von der Niedersächsischen Landwirtschaftskammer: Die europäische Landwirtschaft wäre in einem globalen Markt nicht wettbewerbsfähig, könnte nicht mit den großen Weizen- oder Fleisch-Produzenten in den USA oder Kanada konkurrieren. Er schätzt, dass die Beihilfen aus Brüssel, aber auch aus Fördertöpfen des Bundes und der Länder, für konventionelle Betriebe rund zehn bis 20 Prozent des Unternehmensergebnisses ausmachen.

Biobetriebe könnten ohne Subventionen nicht überleben

Das Bild zeigt Landwirtin Nadja Poppen auf einem Trecker. © NDR
Nadja Poppen, Landwirtin aus Aurich, hat ihre Schweinezucht auf Bio umgestellt.

Bei Biobetrieben sieht die Lage anders aus: Hier liegt der Anteil des Einkommens "deutlich über 30 Prozent, die durch Förderprogramme abgesichert werden", so Albert Hortmann-Scholten. "Ohne die Subventionen könnten wir nicht existieren, weil wir mit dem Betrieb noch nicht in den schwarzen Zahlen sind", sagt Nadja Poppen, Landwirtin aus Aurich. Vor fünf Jahren haben die Poppens ihre Schweinezucht auf Bio umgestellt, 1,6 Millionen Euro in den Wandel des Betriebs investiert. 360.000 Euro haben sie von der EU für den tierwohlgerechten Umbau der Ställe bekommen. Im Jahr 2023 hat die Familie knapp 60.000 Euro an Subventionen erhalten, unter anderem Flächen- und Bioprämien. Dazu kamen rund 30.000 Euro vom Land Niedersachsen, das eine Tierwohl-Prämie zahlt.

Weitere Informationen
Ein Landwirt erntet mit einem Trecker Bio-Möhren auf einem Feld © picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte Foto: Julian Stratenschulte

Experte: Agrardiesel-Subventions-Abbau trifft vor allem Ökobetriebe

Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer erklärt im Interview, welche Folgen die Kürzungen für Landwirte hätten. mehr

Gelder landen nicht nur bei den Landwirten

Laut Bundesministerium wurden für Landwirtschaft und Ernährung im Wirtschaftsjahr 2022 insgesamt sieben Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen an Deutschland ausgezahlt - insgesamt 315.000 Begünstigte haben davon profitiert. Nadja Poppen würde am liebsten auf die Finanzspritze verzichten und höhere Preise für ihre Produkte erzielen: "Subventionen sind schließlich Steuergelder, die wir Verbraucher bezahlen." Umso mehr ärgert sie, dass auch Unternehmen von Zahlungen der EU profitieren, die gar nichts mit Landwirtschaft zu tun haben. Bauern und Umweltverbände kritisieren gleichermaßen, dass Konzerne Flächen als Geldanlage nutzen und dafür auch noch Prämien kassieren.

Weitere Informationen
Drohnenansicht eines Traktors, der das Land bearbeitet. © Photocase Foto: Ramon Simona Pujado

Agrargespräche: Niedersächsische Landwirte verhalten optimistisch

In Berlin haben Bundestagsabgeordnete und Vertreter der Landwirtschaft diskutiert. Die Bauern sollen entlastet werden. mehr

Miriam Staudte (links), Landwirtschaftsministerin Niedersachsen, und Christian Meyer (beide Grüne), Umweltminister Niedersachsen, sitzen im niedersächsischen Landtag. © dpa Foto: Julian Stratenschulte

Agrardebatte im Landtag: Jede Menge Bauernversteher

Alle Parteien haben sich dafür ausgesprochen, den Agrardiesel weiter finanziell zu fördern - wenn auch nicht für immer. (08.02.2024) mehr

Landwirte fahren mit ihren Treckern auf der Autobahn 7 zwischen Soltau und Hannover. © dpa Foto: Philipp Schulze

Streit über Bauernproteste: Wie einig sind sich die Landwirte?

Seit Wochen protestieren die Landwirte in Niedersachsen gegen die Agrarpolitik. Doch es gibt interne Konflikte. mehr

Eine Reihe Traktoren in der Innenstadt von Hannover, auf dem Weg zu einer Kundgebung vor dem Landtag. © NDR Foto: Julia Henke

Bauernprotest: Rund 400 Landwirte demonstrieren in Hannover

Die Landwirte überreichten ein Forderungspapier. Darin geht es um mehr als die geplanten Steuererhöhungen beim Agrardiesel. (08.02.2024) mehr

Obstbauern formen mit ihren Fahrzeugen einen leuchtenden Apfel. © Simon Ecks Foto: Simon Ecks

Obstbauern im Alten Land demonstrieren bewusst ohne Blockaden

Sie meinen, dass Straßenblockaden die falschen Menschen treffen. In Eilendorf formten Trecker deshalb einen leuchtenden Apfel. mehr

Zwei Traktoren mit Protestplakaten bei Nacht. © NDR Foto: Maren Osterbuar

Bauern wehren sich gegen rechte Stimmungsmacher bei Protesten

Immer wieder fallen rechte Parolen bei den Demos auf, aber es gibt eine Gegenbewegung. Landwirtschaft sei "bunt und nicht braun". mehr

Auf einer Demonstration des Deutschen Bauernverbandes vor dem Brandenburger Tor hält jemand ein Schild mit der Aufschrift "Finger weg vom Agrardiesel" hoch. © picture alliance/dpa Foto: Fabian Somme

Niedersachsen und MV wollen Agrardiesel-Subventionen später abschaffen

Auch Brandenburg und das Saarland schließen sich der Forderung an. Die Länder wollen einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat einbringen. mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 22.02.2024 | 19:30 Uhr

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen

Ein Einsatzfahrzeug der Polizei steht in der Fußgängerzone in der Innenstadt vor der Weihnachtspyramide am Kröpcke. © dpa-Bildfunk Foto: Moritz Frankenberg

Anschlag in Magdeburg: Niedersachsen verstärkt Schutzmaßnahmen

Die Zahl der Einsatzkräfte auf den Weihnachtsmärkten wird laut Innenministerin erhöht. Es wurde Trauerbeflaggung angeordnet. mehr