So unterschiedlich sind die Wahlkreise im Norden
Viele Faktoren fließen in die Wahlentscheidung ein: Wie sie in einem bestimmten Wahlkreis ausgeht, hat auch damit zu tun, wie alt die Menschen dort sind und wie sie leben. Eine Auswertung von NDR Data zeigt, welche Wahlkreise hervorstechen.
Größere Städte ziehen junge Menschen an – wegen der Uni, gut bezahlter Jobs oder der Kultur. So ist es auch in Kiel - dort war jeder fünfte Deutsche zwischen 18 und 29 Jahren alt, als die Zensus-Daten im Mai 2022 erhoben wurden. Kiel ist damit einer der norddeutschen Wahlkreise mit den meisten jungen Menschen - direkt nach Hamburg-Mitte.
Doch andere Altersgruppen haben mehr Gewicht in der Politik, befürchtet Sarah. Sie ist Anfang 20 und studiert in Kiel: "Ich blicke mit einem sehr traurigen Auge auf diese Bundestagswahl, weil ich das Gefühl habe, dass die jungen Menschen nicht gehört werden", sagt die junge Frau, die Mitglied der #NDRfragt-Community ist.
Besonders alt sind dagegen die Wähler im Osten: Im Wahlkreis "Mecklenburgische Seenplatte I - Vorpommern-Greifswald II" sind nahezu 30 Prozent der deutschen Staatsangehörigen 65 Jahre oder älter. Zugleich leben dort mit gut sieben Prozent nur sehr wenig junge Erwachsene - die drittwenigsten in Norddeutschlands Wahlkreisen. Zugrunde liegen all dem die Daten des Zensus 2022, der genauesten und umfassendsten statistischen Befragung der letzten zehn Jahre.
Senioren teils mehrfach in der Überzahl
Ein hoher Anteil an Senioren ist jedoch nicht auf den Osten beschränkt: Auf den Plätzen zwei und drei stehen "Goslar - Northeim - Göttingen II" und "Ostholstein - Stormarn-Nord" mit jeweils über 29 Prozent. Wenn man den Anteil von Jungen und Senioren direkt gegenüberstellt, zeigt sich das Ungleichgewicht aber besonders stark im Osten. Drei Wahlkreise in Mecklenburg-Vorpommern stechen heraus: Dort übersteigt der Anteil von Menschen über 65 den der jungen Erwachsenen um ein Vielfaches. Dagegen ist Hamburg-Mitte der einzige Wahlkreis, in dem es mehr Deutsche unter 30 gibt als solche über 65.
Nachwuchs-Wunder Cloppenburg-Vechta
Der Wahlkreis "Cloppenburg - Vechta" überrascht. So gibt es dort mit über 14 Prozent nicht nur überdurchschnittlich viele Erwachsene unter 30, sondern eine sehr gleichmäßige Altersverteilung: Besonders viele Kinder und Jugendliche (Platz 2 im Norden), durchschnittlich viele Menschen zwischen 30 und 65 und recht wenig Senioren.
Hohe Mieten: Nicht nur ein Problem des Großraums Hamburg
Es gibt auch Wahlkreise im Norden, in denen die Menschen niedrige Mieten zahlen – allerdings sind dies oft Randgebiete, etwa in Mecklenburg-Vorpommerns Osten oder im Süden Niedersachsens. Im Wahlkreis "Hameln - Pyrmont - Holzminden" zum Beispiel liegt die durchschnittliche Quadratmetermiete bei fünf Euro. Wichtig dabei: Es handelt sich um Bestandsmieten, denen oft ältere Verträge zugrunde liegen.
Dagegen müssen sich Menschen auf Wohnungssuche oft mit ganz anderen Preisen auseinandersetzen. Im Großraum Hannover etwa lag schon die Bestandsmiete 2022 bei durchschnittlich 7,50 Euro. Dort bleiben Familien oft notgedrungen in zu kleinen Wohnungen. So sagt #NDRfragt-Mitglied Denis, der mit seiner vierköpfigen Familie aktuell in drei Zimmern im Wahlkreis "Hannover Stadt II" wohnt: "Die guten Gebiete sind zu teuer, auch die Randgebiete werden entsprechend teurer. Man wartet ab und versucht weiter sein Glück." Aus seinem Umfeld berichtet er, dass viele ihren Wohnungen immer mehr Platz abringen, etwa durch Hochbetten. Denis betont, dass seine Frau und er trotz eines gutes Einkommens Probleme hätten, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Und für Menschen mit weniger Geld sieht es noch einmal schlechter aus.
Die höchste Bestandsmieten 2022 hatten die Wahlkreise Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg-Nord mit jeweils über 10 Euro je Quadratmeter. Dort sind die Preise inzwischen noch einmal deutlich angestiegen, wie etwa Erhebungen der Value AG nahelegen: Schon 2022 lag die durchschnittliche Angebotsmiete im gesamten Stadtgebiet bei 13 Euro je Quadratmeter.
Leerstandsquote - verschränkt mit der Miete
Ob eine Region mehr oder weniger attraktiv ist, zeigt sich auch an der Leerstandsquote: Trotz niedriger Mieten stehen in einigen Wahlkreisen bis zu fünf Prozent der Wohnungen leer, etwa im Wahlkreis "Goslar - Northeim - Göttingen II". Hingegen bleiben In der Umgebung Hamburgs, zum Beispiel in den Wahlkreisen Pinneberg oder "Segeberg - Stormarn-Mitte" nur ein Prozent der Wohnungen länger als ein Jahr unbewohnt.
Ausländeranteil vor allem im Westen deutlich höher
Die Daten des Zensus erfassen nicht gut, ob eine Personen einen Migrationshintergrund hat. Daher verwenden wir den Ausländeranteil als Hinweis auf die kulturelle Vielfalt eines Wahlkreises. Zugleich bedeutet dies, dass teils ein deutlicher Teil der Bevölkerung nicht an der Wahl teilnehmen kann. Der Anteil von Menschen ohne deutschen Pass ist in Mecklenburg-Vorpommern besonders gering, am niedrigsten im Wahlkreis "Mecklenburgische Seenplatte II - LK Rostock III" mit gut 3,5 Prozent. Hingegen fällt auf, dass es im Großraum Hamburg und im Süden und Westen Niedersachsens deutlich mehr Ausländer gibt. Den höchsten Anteil hat Hamburg-Mitte mit 22,2 Prozent, gefolgt von "Hamburg-Bergedorf - Harburg" mit knapp 21 Prozent.
Auch in Hannovers beiden Stadt-Wahlkreisen liegt der Anteil von Nicht-Deutschen bei knapp einem Fünftel. Cloppenburg-Vechta fällt auch in diesem Zusammenhang auf: Mit 13,5 Prozent hält es den höchsten Anteil unter den Wahlkreisen, die nicht zu einer Großstadt gehören. In den benachbarten Wahlkreisen "Mittelems" und "Unterems" ist der Ausländeranteil mit jeweils knapp 12 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich hoch.
Die Wahlkreise in Norddeutschland sind sehr unterschiedlich strukturiert sind. Diese Unterschiede werden unter anderem ausschlaggebend dafür sein, wie die Wahl in den einzelnen Wahlkreisen ausgeht.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir geschrieben, dass der Wahlkreis "Cloppenburg-Vechta" keine Hochschulen hat. Das ist nicht zutreffend. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
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