LNG-Terminal im Hafen Mukran: MV will Prüfung

Stand: 08.07.2023 10:00 Uhr

Bundestag und Bundesrat haben beschlossen, im Hafen Mukran auf Rügen den Bau eines LNG-Terminals zu ermöglichen. Beide stimmten für eine Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes.

Am Freitag haben Bundestag und Bundesrat beschlossen, den Bau eines Flüssigerdgas-Terminals im Hafen Mukran auf Rügen schneller voranzutreiben. Schon im kommenden Winter soll das Terminal im Hafen von Mukran zur Verfügung stehen, also in etwa einem halben Jahr. Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister, Till Backhaus (SPD), hat eine gründliche Prüfung der Anträge für das geplante LNG-Terminal angekündigt. Doch bisher sind noch nicht einmal die Antragsunterlagen vollständig.

Backhaus sieht Betriebsdauer kritisch

Backhaus Angaben zufolge werden sich die zuständigen Behörden in Mecklenburg-Vorpommern die Anträge genau anschauen. Auch bei der Länge des Betriebs ist aus seiner Sicht noch nicht das letzte Wort gesprochen. Das Terminal für 20 Jahre zu betreiben, werden wir nicht akzeptieren, sagte Backhaus. Ob und wann eine Genehmigung erfolgt, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu sagen. Es müsse die Gesamtprognose stimmen, es würden keine Teilabschnitte des Projekts genehmigt.

Gemeinde Binz will gegen LNG-Genehmigung klagen

Den Zeitplan durcheinander wirbeln, könnten auch Klageverfahren. Die Gemeinde Binz etwa will mit mehreren einstweiligen Anordnungen einen Baustopp erreichen. "Wir werden gegen die geplante Errichtung der Anlagen vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Einstweilige Anordnung mit dem Ziel des vorläufigen Baustopps beantragen", teilte deren Anwalt, Reiner Geulen, am Freitag mit. Dies richte sich sowohl gegen den Hafenumbau in Mukran bei Sassnitz als auch gegen den Bau der Verbindungspipeline in Richtung Lubmin. Der Binzer Bürgermeister, Karsten Schneider, sagte dem NDR, notfalls werde die Gemeinde vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Darüber hinaus will die Kommune eine weitere Einstweilige Anordnung gegen das Ausbaggern der Fahrrinne in Mukran erreichen. Begründet wird das Vorgehen wie auch zuvor mit den Auswirkungen eines möglichen Störfalls auf die Küstenregion sowie Zweifeln an der vom Bund angeführten drohenden Gasmangellage. Geulen wirft dem Bund zudem vor, unzulässigen Druck auf das Land und seine Genehmigungsbehörden auszuüben.

Abstimmung für Terminal

Trotz Widerstands örtlicher Gemeinden und des Landes Mecklenburg-Vorpommern kann auf Rügen künftig Flüssigerdgas, sogenanntes LNG, entladen werden. In namentlicher Abstimmung votierten am Freitag 370 Abgeordnete für den Gesetzentwurf. 301 Parlamentarier waren dagegen, vier enthielten sich. Die Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hatten zuvor ihre Zustimmung signalisiert, alle Oppositionsparteien wollten dagegen stimmen. Inzwischen stimmte auch der Bundesrat dem LNG-Beschleunigungsgesetz zu.

Gaslieferungen bereits im Winter 2024

Das Parlament stimmte in Berlin für eine entsprechende Ergänzung des LNG-Beschleunigungsgesetzes. Das soll schnellere Genehmigungen ermöglichen. Nach den Planungen des Bundes sollen am Standort Mukran zwei schwimmende LNG-Terminals mit einer Jahreskapazität von zehn Milliarden Kubikmeter Gas stationiert werden. Ziel ist es, dass das Terminal für die Versorgung im Winter Anfang 2024 zur Verfügung steht. Die Schiffe sollen privatwirtschaftlich von der Deutschen Regas betrieben werden. Die Bundesregierung will damit die Gasversorgung auch im kommenden Winter sichern. Am frühen Freitagnachmittag hatte auch der Bundesrat der Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes zugestimmt.

Habeck: "Wir sind noch nicht durch"

Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) warnte im Bundestag mit Blick auf die Versorgungssicherheit allerdings. Der Grünen-Politiker sprach im Bundestag mit Blick auf Proteste gegen das Terminal von einer schwierigen Abwägung. Es gehe aber darum, die Energieversorgung Deutschlands zu sichern. "Wir sind noch nicht durch."

Kritik aus der Opposition

Der CDU-Politiker Oliver Grundmann sagte, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ziehe hier die Strippen: "Eine Ferieninsel wird LNG-Standort. Basta." Auch der AfD-Politiker Leif-Erik Holm kritisierte die Regierung: "Der Tourismus steht auf der Kippe." Im vergangenen Jahr habe es auf Deutschlands beliebtester Insel 1,3 Millionen Gäste gegeben. Das LNG-Terminal werde aber Stress für Menschen und Natur bedeuten.

Gegenseitiger Vorwurf: Fehlende Dialogbereitschaft

Der Tourismusdirektor der Binzer Bucht, Kai Gardeja, bekräftigt den Klageweg der Gemeinde. Im Online-Format NDR MV Live sagte er: "Wir sind optimistisch für die anstehenden Verfahren.“ Die Entscheidung im Bundestag sei ein "Tiefschlag in Sachen Dialog und Demokratieverständnis". Gardeja befürchtet durch die bevorstehenden Eingriff Belastungen durch Lärm und Schmutz. Rügen stehe für Natur, für Freiraum und für gute Luft. Die Flüssigerdgas-Anlage widerspreche daher den Werten der Insel.

Carsten Schneider (SPD), Ostbeauftrageter der Bundesregierung, bemängelt bei NDR MV Live eine fehlende Dialogbereitschaft des Binzer Bürgermeisters Karsten Schneider (parteilos) und des Tourismusdirektors. Im Onlineformat bezeichnete der Ostbeauftragete die Entscheidung als "essenziell und wichtig für Ostdeutschland". Die Industrie im Osten brauche das Gas für die Stahl- und Glasproduktion in Riesa über Dresden bis nach Thüringen.

Umrüstung auf Wasserstoff im Gesetz vorgesehen

Bundeswirtschaftsminister Habeck spricht bei der Kritik aus Binz von "berechtigten Anliegen, die berücksichtigt werden müssen". Habeck stellte eine mögliche grüne Nutzung des LNG-Terminals in Aussicht, spricht von einer "Brücke hin zu einer Wasserstoffversorgung". Die Vorgaben der nötigen Umrüstung seien in dem Gesetz verankert.

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Gasspeicher bereits zu über 80 Prozent gefüllt

Es gebe eine stabile Gasversorgungslage, die Gasspeicher seien bereits zu über 80 Prozent gefüllt, so Habeck. "Stand heute kommen wir sehr gut durch den Winter." Man sollte sich aber nicht darauf verlassen, dass immer alles gut gehe. Das sei die politische Lektion, die man gelernt habe, sagte er mit Blick auf die frühere Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Lieferanten könnten ausfallen, es könne zu Anschlägen kommen, es könne dazu kommen, dass Terminals nicht mehr funktionieren und dass der Winter kälter werde. Das "Vorsorgeprinzip" müsse durchgehalten werden.

Habeck: "Keine Abstriche bei Umwelt- und Gewässerschutz"

Habeck sagte weiter, es gebe auf Rügen berechtigte Fragen und Sorgen, die er ernst nehme. Die Anliegen müssten so gut es geht beantwortet werden. "Trotzdem sind wir hier als Bundesgesetzgeber verpflichtet, auf die Energieversorgung und Energiesicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu achten." Man dürfe nicht in eine politische Handlungsunfähigkeit geraten. Es gebe beim LNG-Gesetz keine Abstriche bei materiellen Schutzgütern - vor allem Umwelt- und Gewässerschutz.

Schwesig: Bund müsse sich fragen, was man verkehrt gemacht hat

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) betonte im Gespäch mit Phoenix, ihr sei wichtig, dass jedes Projekt im Einklang mit der Umwelt, dem Tourismus und der Akzeptanz der Bürger stehe. "Sicherlich wird man nie alle überzeugen. Aber wenn man alle gegen sich hat, dann muss man sich schon als Bund fragen, was man eigentlich verkehrt gemacht hat."

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Landesumweltminister Backhaus machte breits am Donnerstagabend klar, dass dem Land verbindliche Zusagen des Bundes zur Förderung der Region fehlen. Unter diesen Umständen lehne man das Projekt ab. Trotz zahlreicher Gespräche zwischen Bund und Land sei der Bund bis zum heutigen Tag nicht ausreichend auf die Vorschläge der Landesregierung eingegangen, sagte Backhaus. "Vor allem aber ist für uns enttäuschend, dass keine Perspektive als Wasserstoff-Standort aufgezeigt werden konnte." Das Land hatte einen Maßnahmen-Katalog mit Vorschlägen an den Bund geschickt, mit denen für mehr Akzeptanz in der Region geworben werden sollte.

Milliarden-Projekt soll staatlich finanziert werden

Ursprünglich sollten LNG-Schiffe auch weiterhin vor Sellin auf Rügen ankern. Darauf wird Regierungskreisen zufolge nun aber verzichtet. Eines der beiden Flüssiggas-Schiffe der Deutschen Regas soll zudem von Lubmin abgezogen und vor Mukran stationiert werden. Die Kosten für den Umbau eines großen Teils der Erdgasversorgung auf Flüssiggas soll staatlich mit rund zehn Milliarden Euro finanziert werden. Der Bund erwartet allerdings über Gebühren zur Nutzung der Schiffe und Leitungen Rückflüsse.

 

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Aktuell | 07.07.2023 | 19:30 Uhr

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