Spionage und Sabotage: Voller Schutz kritischer Infrastruktur "illusorisch"

Stand: 22.10.2024 09:33 Uhr

Die zunehmenden russischen Spionage-Aktivitäten in der Ostsee alarmieren Anrainerstaaten und die NATO. Insbesondere der Schutz kritischer Infrastruktur stellt sich als große Herausforderung dar. Experten sehen noch viel Nachholbedarf.

von Henning Strüber

In den Nachtstunden des 15. Januar 2023 geht beim Maritimen Such- und Rettungsdienst Swibno nahe Danzig an der polnischen Ostseeküste ein Notruf ein. Ein Boot treibt manövrierunfähig auf der Ostsee. Drei Seemeilen vor der Küste entdecken die Retter kurz vor 2 Uhr nachts ein vier Meter langes, knallrotes Motorboot. Die drei Männer in Taucheranzügen an Bord bibbern vor Kälte. Sie geben sich später als Spanier aus. Sie sagen, sie hätten nach Bernstein gesucht - bei stürmischer See, meterhohen Wellen und schlechter Sicht. Bernstein finden die Polizisten, die das Boot später untersuchen, nicht, dafür aber moderne Unterwasser-Scooter, mit denen man sich mit hohem Tempo unter der Wasseroberfläche fortbewegen kann. Trotz dieser abenteuerlichen Umstände werden die Beamten bei der Vernehmung nicht stutzig. Auch dass Tauchgenehmigungen fehlen und nur einer der Männer einen Pass vorzeigen kann, hindert das verdächtige Trio nicht daran, nach der Befragung unbehelligt zu verschwinden.

Seenotrettungsmission wird zur nationalen Bedrohungslage

Die Männer sind vermutlich schon längst außer Landes, als der Vorfall in Polen nach und nach immer mehr Bedeutung gewinnt. Zunächst nur Randnotiz in lokalen Medien, schaltet sich am Ende auch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki in die Debatte ein. Es geht um den Schutz der kritischen Infrastruktur - und damit um die nationale Sicherheit. Der Präsident fordert von seinen Geheimdiensten einen gründlichen Untersuchungsbericht an. Denn nur wenige Kilometer vom Fundort des Bootes mit den drei "Bernstein-Tauchern" befindet sich der Naftoport-Ölhafen - ein wichtiger Baustein in der Erdölversorgung Polens.

Was sind kritische Infrastrukturen?

Die Bundesregierung definiert kritische Infrastrukturen (KRITIS) als Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden. Dazu gehören etwa die Bereiche Energie- und Wasserversorgung, Transport und Verkehr sowie Informationstechnik und Telekommunikation. Als maritime kritische Infrastruktur (MARKRITIS) gelten beispielsweise Pipelines, Unterwasser-Datenkabel und Stromleitungen sowie Offshore-Windparks.

Polen verstärkt Schutz seiner Energie-Infrastruktur

Ganz in der Nähe soll ein schwimmendes Flüssiggasterminal entstehen - mit Anbindungsleitungen zum Festland. Als Konsequenz verstärkt Polen den Schutz strategischer Infrastruktur - etwa des Gashafens in Swinemünde und der Gasleitung Baltic Pipe. Bis heute ist ungeklärt, was das Trio im Winter 2023 wirklich vorhatte. Doch welch schwerwiegende Folgen Sabotage an einer kritischen Infrastruktur haben kann, hatten rund vier Monate zuvor die Sprengungen der Nord-Stream-Pipelines vor Augen geführt. Angesichts einer plötzlich drohenden Gasmangellage sah sich Deutschland dazu gezwungen, in Windeseile seine Energieversorgung umzustellen.

Eine Tausende Kilometer lange Achillesferse am Ostseegrund

"Die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines waren ein Wake-up-Call", sagt Moritz Brake. Der Experte für maritime Sicherheit ist Mitglied der Arbeitsgruppe Dachdokument Marine, die am Marinekommando in Rostock an der Umsetzung einer neuen Sicherheitsstrategie arbeitet. Er ist zudem Geschäftsführer der Firma Nexmaris, die Unternehmen in Fragen maritimer Sicherheit und Resilienz berät. "Aber wenn das ein Wake-up-Call war, dann war der Schlaf vorher sehr, sehr tief und die Aufwachphase dauert immer noch an."

"In der Ostsee sieht man wie in einem Brennglas, wie Russland die internationale Ordnung herausfordert. Gegen die Interessen Deutschlands und Europas versucht Russland hier an verschiedenen Stellen, den Hebel anzusetzen, lässt die Muskeln spielen und zeigt uns ganz offen, dass es Mittel hat, um uns zu schaden." Moritz Brake, Experte für maritime Sicherheit

Sicherheitslage hat sich "durchgreifend verändert" - insbesondere in der Ostsee

Dr. Moritz Brake, Senior Fellow am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) der Universität Bonn © Screenshot
"Russland ist bereit, Regeln und Recht zu brechen - direkt hier vor unserer Haustür", sagt der Experte für maritime Sicherheit, Moritz Brake.

Seit 2022 häufen sich ungewöhnliche Vorfälle im Ostseeraum. Schiffe kappen mit ihren Ankern Gaspipelines und Unterseekabel, am Himmel wird bis nach Mecklenburg-Vorpommern hinein das GPS-Signal gestört, sodass Flugzeuge umgeleitet werden müssen und russische Schiffe kreuzen über sensiblen Unterwasser-Leitungen. Die Ostsee hat sich von einem "Meer des Friedens" in den Schauplatz eines neuen Kalten Krieges verwandelt. Die Sicherheitslage speziell in Nord- und Ostsee habe sich seit dem russischen Überfall auf die Ukraine "durchgreifend verändert", bilanziert die Bundespolizei zur See. Es würden "zunehmend relevante russische Schiffsbewegungen" registriert, mögliche Aktivitäten richteten sich "insbesondere gegen maritime kritische Infrastrukturen". Seit rund einem Jahr hat die Bundespolizei zur See noch auf einen weiteren staatlichen Akteur genau im Blick - nämlich China. Damals war die Pipeline Balticconnector zwischen Finnland und Estland mitsamt Datenkabeln durchtrennt worden - wie sich später herausstellte, vom Anker eines chinesischen Schiffes. Mecklenburg-Vorpommern liegt aufgrund seiner Lage mitten in der Konfliktzone. Durch die Ostsee verlaufen Tausende Kilometer an Datenleitungen, Stromtrassen und Pipelines. Dazu kommen Offshore-Windparks, LNG-Terminals und wichtige Militärstützpunkte. Diese offene Achillesferse vor Angriffen zu schützen, stellt Sicherheitsbehörden vor Herausforderungen: "Wir als Verteidiger unserer Infrastruktur müssen immer alles schützen, während der Angreifer nur an einer einzigen Stelle einmal Erfolg haben muss, um uns sehr großen Schaden zuzufügen", so Brake.

Die Ostseeanrainer reagieren

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Fregatte F 221 Hessen (re) fährt vor den Schiffen anderer Nationen während der Übung Northern Coasts 2023 in der Ostsee, am 18.09.2023. © Bundeswehr/Nico Theska Foto: Yvonne Albert

Neues taktisches Hauptquartier für NATO wird in Rostock eingeweiht

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Die Ostsee-Anrainerstaaten und auch die NATO haben ihre Anstrengungen seit 2022 verstärkt. Dänemark schuf jüngst ein neues Ministerium für gesellschaftliche Sicherheit und Katastrophenschutz, das das Land gegen hybride Angriffe schützen soll. Die NATO gründete Anfang des Jahres das Netzwerk Kritischer Unterwasser-Infrastrukturen. Hierzulande wird der Operationsplan Deutschland umgesetzt. Er soll die Verteidigungsfähigkeit und Aufrechterhaltung unverzichtbarer Infrastruktur gewährleisten. Ein weiterer ganz konkreter Schritt: Ein Teil der Eliteeinheit GSG 9 der Bundespolizei wird künftig in Neustadt in Holstein an der Ostsee stationiert. Und ganz aktuell stärkt die NATO ihre Verteidigungsbereitschaft in der Ostsee-Region mit einem neuen taktischen Hauptquartier der Deutschen Marine in Rostock.

"Hundertprozentiger Schutz ist illusorisch"

Doch wie lässt sich kritische Infrastruktur wirksam schützen? "Vollumfänglich ist der Schutz vor Angriffen auf unsere kritische Infrastruktur nicht möglich. Hundertprozentiger Schutz ist illusorisch", so Brake. NATO-Staaten setzen künftig auf innovative Technologien wie unbemannte Seedrohnen, moderne Sensoren und den Einsatz von KI. Aber vieles davon ist noch Zukunftsmusik. Vorerst gehe "es in erster Linie darum, überhaupt zu erfassen, was passiert dort", so Brake. Denn Spionage-Aktivitäten lassen sich naturgemäß nur schwer erkennen - und einem Urheber zuordnen. Dabei sei ein genaueres Lagebild grundlegend, auch weil es das Risiko für potenzielle Angreifer erhöhe, entdeckt zu werden und damit die Androhung einer Reaktion glaubhafter mache.

Psychologische Wirkung: "Eine unterschätzte Gefahr für uns alle"

Sönke Marahrens vom European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats (Hybrid CoE) in Helsinki. © Screenshot
Sönke Marahrens, Experte für hybride Bedrohungen, weist auf die möglichen psychologischen Auswirkungen hin.

Diese schwer festzustellende Zuordbarkeit, wer es war, sei ein wesentlicher Bestandteil hybrider Aktivitäten, sagt Sönke Marahrens. Er war bis Ende September beim European Center of Excellence for Countering Hybrid Threats in der finnischen Hauptstadt Helsinki tätig. Die Ungewissheit verstärke die beschriebene Wirkung im Ziel - nämlich demokratischer Gesellschaften. Dort steige zum einen das Gefühl der Bedrohung in der Bevölkerung und zum anderen verliere die Bevölkerung so das Vertrauen in den Staat und seine ausführenden Elemente, weil diese ja anscheinend nicht in der Lage sind, Gefahren für bekannte kritische Infrastrukturen im Vorfeld zu erkennen und abzuwehren. "Gerade in diesen psychologischen Vorgängen liegt eine weit unterschätzte Gefahr für uns alle", so Marahrens. Die Palette hybrider Kriegsführung ist laut Experten breit gefächert. Sie reicht von Cyberangriffen über Desinformationskampagnen bis hin zu Sabotageakten und habe die Zersetzung dieser Staaten im Fokus und würde in der Regel verdeckt unterhalb der Gewaltschwelle stattfinden - also bevor ein Staat erklärt, er sei von außen angegriffen worden oder jemand habe sich in seine inneren Angelegenheiten eingemischt", so Marahrens.

"Durch das Internet ist alles vernetzt. Das heißt: Jemand kann in unseren Vorgarten oder Hinterhof, denn er kommt durch den Zaun durch. Und jetzt über soziale Medien kommt er auch ins Haus hinein und kann dort die Meinungsbildung beeinflussen und Desinformation betreiben."

(Sönke Marahrens, Experte für hybride Kriegsführung)

Bundeswehr und Bundespolizei patrouillieren

Für das Lagebild in der Ostsee sind in erster Linie die Deutsche Marine und die Bundespolizei zur See zuständig, die mit rund einem Dutzend Schiffen und Kontrollbooten regelmäßig patrouilliert und verdächtige Schiffe "engmaschig" begleitet. Wie engmaschig, konnte man in einer Recherche von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" sehen, als ein russisches "Forschungsschiff" mit bewaffneten Soldaten an Bord durch den Windpark Arcadis-Ost vor Rügen fuhr - dicht gefolgt von einem Schiff der Bundespolizei zur See. Die Eingriffsmöglichkeiten sind beschränkt und müssen "im Einklang mit den Bestimmungen des Seevölkerrechts" stehen, wie die Bundespolizei betont. Das Seevölkerrecht lässt nur vergleichsweise wenige Einschränkungen der Seeschifffahrt zu. Nach bisherigen Erkenntnissen der Bundespolizei hat kein russisches Kriegs- oder Forschungsschiff gegen das Seerecht verstoßen. Die Handhabung solcher Aktivitäten wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sie in die Zuständigkeit verschiedener Behörden fallen. Das erfordert genaue Koordination.

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Ein Schiff fährt durch die Ostsee. © NDR

Systematische Spionage in der Ostsee

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Droht ein neuer "Sputnik-Schock"?

Vieles von dem, was sich in der Ostsee an Spionage und Vorbereitungen für Sabotage abspielt, dringt nicht an die Öffentlichkeit. Doch die Ostsee-Anrainer haben laut Experten allen Grund, alarmiert zu sein. Sie halten es für möglich, dass dem Westen in einem künftigen Ernstfall nach 1957, als die Sowjetunion überraschend den ersten Satelliten ins Weltall schickte, ein neuer "Sputnik-Schock" bevorstehen könnte - aber nicht im Weltall, sondern unterhalb der Meeresoberfläche. Denn Russland hat seine Unterwasser-Fähigkeiten in den vergangenen Jahrzehnten mit hohem Aufwand ausgebaut. Allein in der Ostsee sollen bis zu 50 "Forschungsschiffe" der Abteilung "Hauptverwaltung Tiefseeforschung" (GUGI) operieren. Neben Spionage und Vorbereitungen zur Sabotage sind sie in der Lage, den Meeresgrund exakt zu kartografieren.

Dies könnte es Russland künftig ermöglichen, mit bewaffneten Unterwasser-Fahrzeugen überraschend zuzuschlagen. Denn diese Art von Waffen wäre nicht auf GPS-Ortungssysteme angewiesen - ein großer Vorteil gegenüber westlichen Militärs, die in vielen Bereichen auf Satellitennavigation zurückgreifen. Aus Sicherheitskreisen erfuhr der NDR, dass Russland diese Fähigkeiten auch jetzt schon einsetzt. So sollen die jüngst bekannt gewordenen Überflüge schneller Drohnen etwa über dem Flughafen Köln/Bonn mit der Folge der Sperrung einer Startbahn oder über Industrieanlagen in Brunsbüttel mutmaßlich von russischen Schiffen in Nord- und Ostsee ausgegangen sein.

Schutz von Offshore-Windparks: Betreiber halten sich bedeckt

Neben der Bundespolizei zur See und der Bundeswehr sind in erster Linie die KRITIS-Betreiber für den Schutz ihrer Anlagen verantwortlich. Wie genau sie dabei vorgehen, wollen sie aus Sicherheitsgründen nicht sagen. EnBW, Betreiber der beiden Baltic-Windparks, erklärte auf NDR Anfrage, man verfolge einen "gefahrenübergreifenden Ansatz" aus Prävention, Resilienz und Redundanz - also frühzeitiger Gefahrenerkennung, Widerstandsfähigkeit und Reservekapazitäten im Fall eines Ausfalls. Der Netzbetreiber 50 Hertz, der Interkonnektoren ("Kriegers Flak") und Anschlussleitungen ("Ostwind") unterhält, teilte mit, man nehme die "Gefahr von Angriffen auf unsere physischen und digitalen Systeme und Anlagen sehr ernst". Bislang habe es aber noch keine meldepflichtigen Störungen gegeben.

Sabotage an LNG-Terminal in Schleswig-Holstein

Die Deutsche Regas, die das LNG-Terminal in Mukran auf Rügen betreibt, ließ eine NDR Anfrage zu ihren Schutzmaßnahmen unbeantwortet. Dabei hatte Anfang des Jahres ein Vorfall in Schleswig-Holstein gezeigt, dass auch solche Anlagen offenbar im Visier von Angreifern stehen. In den Röhren einer Pipeline waren mehrere zehn Millimeter große Löcher gebohrt worden, die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Anfangsverdachts der verfassungsfeindlichen Sabotage. Die Deutsche Regas betreibt auch das Regasifizierungsschiff "Neptune", das mittlerweile vor Rügen liegt, 2023 aber noch im Hafen von Lubmin lag. Dort gab es nach Angaben des Landesinnenministeriums in jenem Jahr mehrere unerlaubte Drohnenüberflüge. Die genauen Hintergründe sind unklar.

"Nicht ausreichend geschützt": BSI attestiert Mängel beim KRITIS-Schutz

Neben physischen Angriffen sind KRITIS-Anlagen auch Attacken aus dem Cyberraum ausgesetzt. Störungen, die zu einem Ausfall oder erheblichen Beeinträchtigungen der kritischen Infrastruktur führen, müssen die Betreiber dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) melden. Laut einem Bericht, der dem NDR vorliegt, gingen bei der Behörde allein im zweiten Quartal dieses Jahres bundesweit 183 solcher Störungsmeldungen ein - eine Zunahme um 10 Prozent zum Vorquartal. "Generell ist die allgemeine Cyberbedrohungslage unverändert hoch", teilte das BSI dem NDR auf Anfrage mit. Ein wesentlicher Teil betrifft den Sektor Energie. Allein im zweiten Quartal 2024 sind demnach dem BSI allein in diesem Bereich von KRITIS-Betreibern deutschlandweit 39 Störungen gemeldet worden.

Experte: Zahl der Cyber-Angriffe wird "definitiv" zunehmen

Um welche Art von Störungen es sich genau handelte, wird aus Sicherheitsgründen nicht weiter klassifiziert, aber die Bundesbehörde spricht von einer "anhaltend angespannten Cyberbedrohungslage für Kritische Infrastrukturen im Sektor Energie, auch bei Offshore-Windanlagen." Die Betreiber müssen ihre IT-Sicherheit laut Gesetz laufend dem Stand der Technik anpassen. Der Bericht des BSI kommt zu dem Schluss, dass "sich noch nicht alle KRITIS-Betreiber ausreichend vor Angriffen und Störungen schützen" und "ein ausreichendes IT-Sicherheitskonzept" fehle. Ausfälle kritischer Infrastruktur in Deutschland seien zwar noch vergleichsweise selten, sagt der IT-Sicherheitsexperte Manuel Atug, doch die Zahl der Angriffe werde "definitiv" zunehmen. "Wir haben immer mehr Digitalisierung und damit immer mehr Angriffsfläche." Was Cyberangriffe anrichten können, wurde im Februar 2022 deutlich: Seinerzeit war bei Tausenden Windkraftanlagen in Norddeutschland, die über eine Satellitenanbindung mit dem Internet verbunden waren, die Fernüberwachung ausgefallen. Dabei galt der Angriff eigentlich der Internetversorgung in der Ukraine.

Hybride Bedrohungen: "Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe"

Kürzlich ließen Äußerungen der drei deutschen Geheimdienstchefs im Bundestag aufhorchen. Sie warnten vor zunehmender russischer Desinformation, Spionage und Sabotage. Russland würde "ohne jeglichen Skrupel" agieren. Vor diesem Hintergrund und der breiten Palette hybrider Bedrohungen sieht Experte Marahrens "eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", die "für die Sicherheit Europas von entscheidender Bedeutung" sei. "Bildung und Erziehung sind eine Grundsäule für Sicherheit." Deshalb sollte beispielsweise schon an Schulen über Desinformation aufgeklärt werden, meint Marahrens. Der Experte für maritime Sicherheit, Brake, findet, das Thema müsse deutlicher in die Öffentlichkeit kommuniziert werden. "Wir müssen sicherstellen, dass wir uns nicht verwundbar machen und aus einer Position der Stärke heraus mit Russland umgehen." Deutschland sei aus guten Gründen stets "immer noch mal eine Meile mehr an den Verhandlungstisch" gegangen. "Nur in diesem Fall ist es letztlich nicht mehr angebracht. Denn diese Art von Entgegenkommen und ausgestreckter Hand, die mehr als einmal ausgeschlagen worden ist, wird gerade mit einem blutigen Krieg in Europa beantwortet."

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