LNG-Terminal in Lubmin: Das Gas strömt ins deutsche Netz

Stand: 15.01.2023 13:22 Uhr

Am Greifswalder Bodden ist das Flüssiggas-Terminal nach seinem Probebetrieb nun offiziell an den Start gegangen. Die Kapazitäten sollen laut Bundeskanzler Olaf Scholz weiter ausgebaut werden. Am Rande der Einweihung gab es Proteste.

In Lubmin (Landkreis Vorpommern-Greifswald) hat das zweite deutsche Importterminal für Flüssigerdgas (LNG) den Betrieb aufgenommen. Damit strömt nun Gas aus Vorpommern in das deutsche Netz. Im Lubminer Hafen läuft der Dauerbetrieb unter Volllast. Das schwimmende Terminal wird privatwirtschaftlich vom französischen Energiekonzern Totalenergies und dem Unternehmen Deutsche ReGas betrieben. Die Anlage soll vor allem Ostdeutschland mit jährlich bis zu 5,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas versorgen. Das erste importierte Flüssiggas in Lubmin kommt aus Ägypten.

Weitere Informationen
Das Areal des Industriehafens Lubmin mit dem schwimmenden LNG-Terminal im Vordergrund © Christian Morgenstern/Deutsche ReGas Foto: Christian Morgenstern/Deutsche ReGas

Lubmin: Verheißungen und Irrwege deutscher Energiepolitik

In Lubmin wird die jüngere Geschichte der deutschen Energiepolitik wie in einem Freilichtmuseum sichtbar. Doch dort werden auch Weichen in die Zukunft gestellt. mehr

Scholz und Schwesig in Lubmin

Zum offiziellen Start kamen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Umweltminister Till Backhaus (SPD) nach Lubmin. Bundeskanzler Scholz sagte, vom Antrag bis zur Fertigstellung habe es etwa ein halbes Jahr gedauert. Er sprach von einem ganz neuen "Deutschlandtempo" und kündigte weitere Terminals an. Auch die Anlandemöglichkeiten in Lubmin sollen noch erweitert werden. Beim Bund ist ein zweites Terminal bereits in Planung. Es soll von Schiffen über eine Pipeline durch den Bodden versorgt werden.

Schwesig: Lubmin als "Drehscheibe" der Energieversorgung

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin machte vor Ort deutlich, dass die Nutzung von Flüssiggas nur eine Übergangslösung sein könne. Sie sagte, Lubmin solle zur " Drehscheibe" der Energieversorgung werden. "Unser Ziel ist, dass dieser Standort in naher Zukunft komplett aus erneuerbaren Energien viele Teile von Deutschland und Europa versorgt, aber wir brauchen bis dahin auch Gas", so Schwesig. Deshalb sei es wichtig und gut, dass hier ab ab sofort Flüssiggas eingespeist werde.

Probebetrieb seit Anfang Januar

Mit Hilfe von per Schiff geliefertem Flüssiggas will Deutschland schnellstmöglich unabhängig von russischem Gas werden. Dafür wurde das Genehmigungsverfahren für das Lubminer Terminal beschleunigt. Anfang Januar ist erstmals Erdgas im Rahmen eines Probebetriebs in das Gasnetz eingeleitet worden. Das als Regasifizierungs-Einheit dienende Schiff "Neptune", der LNG-Tanker "Seapeak Hispania" sowie der LNG-Shuttle-Tanker "Coral Furcata" waren in den vergangenen Wochen in Lubmin eingetroffen.

Kritik von Bürgern und Verbänden

Gegen den Start des Regelbetriebes gibt es aber auch viel Kritik. Rund 300 Menschen versammelten sich am Sonnabend in Lubmin. Am Rande der feierlichen Eröffnung protestieren die Bürger und Umweltverbände. Nach deren Auffassung würden durch das beschleunigte Genehmigungsverfahren die Auswirkungen auf den geschützten Greifswalder Bodden nicht ausreichend berücksichtigt. Außerdem kritisieren sie, dass keine angemessene Sicherheits- und Umweltversorgung existiere. Zudem gebe es in den Unterlagen eine ganze Reihe von Nachforderungen, die nicht vorab, sondern während des Betriebs bearbeitet werden sollen.

Weitere Informationen
"LNG Powered" steht auf dem Rumpf eines beladenen Containerschiffs © picture alliance Foto: Christian Charisius

LNG: Fakten zu Flüssigerdgas und Projekten in Norddeutschland

LNG soll Deutschlands Energieversorgung sichern. Im Norden entstanden dafür mehrere Terminals, weitere sind geplant. Welche Vor- und Nachteile gibt es? mehr

Lärmstörungen durch den Betrieb des LNG-Terminals moniert

Die Kritiker sehen auch die Betriebsgenehmigung für das schwimmende LNG-Terminal für einen Zeitraum von neun Jahren kritisch. Außerdem seien die Lärmbelastungen sowie die Gefahren durch den Shuttleschiffsverkehr nicht gemäß den Vorgaben des Umweltrechts geprüft worden. Allerdings gibt es kaum Möglichkeiten, jetzt noch gegen das Projekt vorzugehen. Rechtsmittel hätten keine aufschiebende Wirkung, so sieht es das LNG-Beschleunigungsgesetz vor. Trotzdem drohen die Umweltverbände mit Widerspruch, wenn die Umweltbelange nicht eingehalten werden. So kündigte die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die unter anderem Lücken beim Brandschutz moniert, am Sonntag gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" an, Widerspruch gegen die Genehmigungen der LNG-Terminals in Lubmin und Wilhelmshaven einzulegen und notfalls bis vor das Bundesverwaltungsgericht zu ziehen.

Umweltminister Backhaus betont Gründlichkeit

Trotz aller Geschwindigkeit sei gründlich gearbeitet worden, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Backhaus im Industriehafen Lubmin. Er hatte den Genehmigungsbescheid für das LNG-Terminal am Sonnabend übergeben. Die Einwendungen von Bürgern und Verbänden seien ernst genommen und eingehend geprüft worden. Es würden auch keine Biozide ins Gewässer eingeleitet und das angrenzende Naturschutz- und Vogelschutzgebiet werde nicht beeinträchtigt. Derzeit liefen Schallmessungen wegen der Beschwerden über Lärmbelästigungen. Sollte die Regasifizierungsanlage ursächlich für die Belästigung der Menschen sein, würden schallmindernde Auflagen folgen, so der Minister.

Shuttleschiffe zwischen Ostsee und Bodden

In Lubmin muss das Terminal wegen der niedrigen Wasserstände im Greifswalder Bodden über kleinere Shuttleschiffe versorgt werden. Sie holen das LNG von einem größeren Tanklagerschiff auf der Ostsee. Ein Spezialschiff dafür ist die "Neptune", die seit Mitte Dezember vor Lubmin liegt. Die "Neptune" kann das Flüssigerdgas erwärmen und wieder gasförmig machen. Anschließend kann das Gas ins Netz eingespeist werden. Die Infrastruktur in Lubmin ist auch für die Einspeisung von Wasserstoff nutzbar.

Mehrere LNG-Terminals in Deutschland

Das Lubminer Terminal gehört zu den ersten betriebsbereiten LNG-Terminals Deutschlands. Im niedersächsischen Wilhelmshaven wurde Ende des Jahres das erste deutsche Importterminal für Flüssigerdgas eröffnet. Ein Terminal in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein ist für die Belieferung bereit.

Weitere Informationen
Lubmin: Der LNG-Shuttle-Tanker "Coral Furcata" läuft den Industriehafen Lubmin an. Erstmals hat ein mit Flüssigerdgas (LNG) beladener Tanker das schwimmende LNG-Terminal "Neptune" im vorpommerschen Lubmin angelaufen. © dpa Bildfunk Foto: Stefan Sauer

LNG in Lubmin: Überblick über Flüssigerdgas-Projekte in der Ostsee

Ein erstes LNG-Terminal nimmt am 14. Januar in Lubmin den Betrieb auf, ein zweites ist in Planung. Die Fakten. mehr

Das LNG-Spezialschiff "Neptune" hat am 16.12.2022 am Kai im Hafen von Lubmin festgemacht. © Lena-Marie Walter Foto: Lena-Marie Walter
7 Min

DUH: Genehmigung von LNG-Terminal in Lubmin ist unzulässig

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner, fordert einen Betriebsstopp und dass die Feierlichkeiten zur Eröffnung am Samstagnachmittag abgesagt werden. 7 Min

Der LNG-Shuttle-Tanker "Coral Furcata" liegt im Industriehafen Lubmin am LNG-Terminal "Neptune". © dpa Foto: Stefan Sauer

Lärm am LNG-Terminal in Lubmin: Messungen haben begonnen

Nachdem sich Anwohner aus Spandowerhagen über Lärm beschwert haben, hat das Umweltministerium nun reagiert. mehr

Fischer ziehen im Greifswalder Bodden die Stellnetze mit Heringen an Bord eines Kutters. © dpa Bildfunk Foto: Jens Büttner

Flüssiggas-Terminal in Lubmin: Sorge um laichende Heringe

Ein Fischerei-Experte befürchtet, dass die Bauarbeiten dem Heringsnachwuchs im Greifswalder Bodden schaden werden. mehr

Der LNG-Shuttle-Tanker «Coral Furcata» läuft den Industriehafen Lubmin an. © dpa Bildfunk Foto: Stefan Sauer

Erstmals Flüssiggas am LNG-Terminal Lubmin angelandet

Das Gas wird unter anderem für technische Tests verwendet. Für den regulären Betrieb fehlt dem Terminal noch die Genehmigung. mehr

Gasspeicherfüllstände in und Pipeline-Flüsse nach Deutschland © NDR

Gasspeicher: Der aktuelle Füllstand in Deutschland

Füllstand der Gasspeicher, Gasverbrauch, Gasimporte: Die wichtigsten Daten in der Live-Übersicht. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 14.01.2023 | 20:00 Uhr

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Das Einsatzschiff "Bamberg" der Bundespolizei. © picture alliance/dpa Foto: Lars Penning

Mögliche Kabel-Sabotage in Ostsee: Bundespolizei schickt Schiff

Am Mittwochabend verließ die "Bamberg" den Rostocker Hafen. Sie soll schwedische und finnische Behörden bei den Ermittlungen unterstützen. mehr

Die Applikation App WhatsApp ist auf dem Display eines Smartphones zu sehen. © picture alliance/dpa Foto: Silas Stein

Im Handy abonnieren: Die NDR MV Nachrichten bei Whatsapp

Im NDR MV Whatsapp-Kanal gibts die wichtigsten Themen für Mecklenburg-Vorpommern kompakt und schnell zusammengefasst. extern

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?