GSG 9 Stationierung in SH: Infrastruktur in der Ostsee schützen
Ein Teil der Eliteeinheit GSG 9 soll künftig auch in Neustadt in Holstein an der Ostsee in Schleswig-Holstein stationiert werden. Das hat das ARD-Hauptstadtstudio erfahren. Henrik Schilling vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel hält die Standortentscheidung grundsätzlich für sinnvoll.
Was könnte das Bundesinnenministerium dazu bewogen haben, die GSG 9 nach Neustadt zu holen?
Schilling: Sicherlich hat die Explosion von Nord-Stream etwas damit zu tun. Der Gedanke dahinter ist: Wir brauchen hier an der Küste eine Spezialeinheit, um auf solche Gefahren zu reagieren. Bis jetzt hatte die GSG 9 zwei Standorte: einen in Berlin und einen bei Bonn. Mit dem Standort in Neustadt könnte die Truppe schneller eingreifen, wenn hier etwas passiert.
Ist die Sicherheitslage so dramatisch, dass dieser Schritt notwendig ist?
Schilling: Ich denke, es ist wichtiger geworden, in den Schutz kritischer Infrastruktur zu investieren. Die Polizei kommt da irgendwann an ihre Grenzen und braucht Unterstützung. Und es ist auch ein politisches Signal - an unsere Partner, aber auch unsere Gegner. Zu sagen: Uns ist der Schutz unserer kritischen Infrastruktur wichtig. Wir investieren da, und wir haben eine Sondereinheit, die im Zweifel auch abschrecken kann.
Von welchen Bedrohungen sprechen wir da?
Schilling: Das können terroristische Bedrohungen sein. Oder auch Drogenschmuggel, gerade über den Hamburger Hafen. Außerdem haben wir in der Ostsee viel kritische Infrastruktur: zum Beispiel Pipelines und Windkraftanlagen, die im Zuge der Energiewende immer wichtiger werden. Und diese kritische Infrastruktur ist gefährdet - durch Kriminelle, Terroristen, aber auch durch Staaten mit hybrider Kriegsführung.
Ganz konkret: Was könnte die GSG 9 hier machen?
Schilling: Das könnten Anti-Terroreinsätze in der Ostsee sein. Die GSG 9 kann gut auf Schiffen operieren und von ihren Booten auf andere Schiffe kommen, um beispielsweise Geiseln zu befreien. Ich denke aber, es wird vor allem um den Schutz der kritischen Infrastruktur gehen.
Und warum gerade der Standort Neustadt?
Schilling: Einige logistische Faktoren sprechen dafür: Die Bundespolizei See ist dort bereits angesiedelt. Sie hat dort auch ein Ausbildungszentrum. Das heißt, man müsste nicht alles komplett neu aufbauen. Dazu kommt, dass die großen Häfen von dort schnell erreichbar sind.
Das Unterfangen würde jedes Jahr Millionen kosten. Ist das angemessen?
Schilling: Wenn kritische Infrastruktur angegriffen wird, sind die Auswirkungen deutlich teurer. Darum denke ich, dass es wichtig ist, da noch mehr zu investieren.
Wo dürfte die Einheit der GSG 9 von Neustadt aus überhaupt operieren?
Schilling: Das Haupteinsatzgebiet werden wohl die deutschen Gewässer sein, aber die GSG 9 kann auch im Ausland operieren. Das haben wir in Mogadischu in Somalia bereits gesehen. Die Politik muss klare Vorgaben machen, wo die Einheiten genau eingesetzt werden sollen.
Nehmen wir an, es kommt zu einer Bedrohung durch ein russisches Kriegsschiff, das in deutsche Hoheitsgewässer eindringt. Könnte die GSG 9 da eingreifen?
Schilling: Auch da muss die Politik klar definieren, wo die Rahmenbedingungen liegen. Grundsätzlich dürfen russische Schiffe durch unsere Gewässer fahren. Darum muss man sich erstmal fragen: Ab wann sprechen wir von einem Bedrohungsszenario, für das die GSG 9 zuständig wäre? Das festzulegen, ist jetzt Aufgabe der Politik.
Das Interview führte NDR Schleswig-Holstein Reporter Moritz Ohlsen.