Nord-Stream-Anschläge: Ukraine weist Beteiligung an Sabotage erneut zurück
Die ukrainische Regierung hat eine Beteiligung an der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines im September 2022 erneut zurückgewiesen. Die polnischen Behörden hatten zuvor bestätigt, dass deutsche Ermittler gegen einen verdächtigen Ukrainer einen Haftbefehl erwirkt haben.
Die ukrainische Regierung hat erneut bestritten, an den Sprenganschlägen auf die beiden Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee im September 2022 beteiligt gewesen zu sein. Es sei vielmehr sehr wahrscheinlich, dass Russland für den Anschlag verantwortlich sei, sagte der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Mychailo Podoljak, der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. "So eine Tat kann nur ausgeführt werden mit großen technischen und finanziellen Ressourcen", so Podoljak. "Und wer hatte all das zum Zeitpunkt des Anschlags? Nur Russland." Im Fall der Sabotage an den Erdgasleitungen hatte die polnische Staatsanwaltschaft zuvor eingeräumt, von der Bundesanwaltschaft einen Europäischen Haftbefehl zur Festnahme eines Verdächtigen erhalten zu haben. Dies sagte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft in Warschau der Deutschen Presse-Agentur. Sie bestätigte damit Recherchen von ARD, "Süddeutscher Zeitung" und der Wochenzeitung "Die Zeit".
Haftbefehl im Juni 2024 erwirkt
Demnach erwirkte die Bundesanwaltschaft bereits im Juni beim Bundesgerichtshof einen Haftbefehl gegen den Ukrainer Wolodymyr Z., der sich zuletzt in Polen aufgehalten haben soll. Noch im Juni sollen die deutschen Strafverfolger dann mit einem Europäischen Haftbefehl auf die polnischen Behörden zugegangen sein, in der Hoffnung, dass der Verdächtige festgenommen werden kann. Warum dies nicht geschehen ist, war zunächst unklar, so der Journalist Michael Götschenberg am Mittwoch gegenüber dem NDR. Götschenberg gehört zum Rechercheteam, das die neuen Erkenntnisse zu den Ermittlungen veröffentlichte. Nach Angaben der polnischen Generalstaatsanwaltschaft gegenüber der Nachrichtenagentur dpa war die Ausreise des Verdächtigen aus Polen möglich, weil von deutscher Seite kein Eintrag in das Schengen-Register erfolgt sei, in dem die mit Europäischem Haftbefehl Gesuchten geführt werden.
"Andromeda" stach in Rostock in See
Neben Wolodymyr Z. steht ein ukrainisches Ehepaar im Verdacht, im September 2022 die Erdgas-Pipelines Nord-Stream 1 und Nord-Stream 2 am Grund der Ostsee mit Sprengstoffladungen zerstört zu haben, die für den Transport von russischem Erdgas nach Deutschland gebaut worden waren. Den Recherchen zufolge gehen die Ermittler davon aus, dass die Tatverdächtigen von Mecklenburg-Vorpommern aus ihren Angriff auf die Pipeline starteten. Demnach mieteten sie in Rostock die Segeljacht "Andromeda" für die Ausübung der Tat an. An Bord stellten die Ermittler später neben allerlei DNA-Spuren und Fingerabdrücken auch Spuren eines hochexplosiven Spezial-Sprengstoffes fest, der vor allem beim Militär genutzt wird.
Auf Rügen half "Kommissar Zufall"
Mehrere Männer und eine Frau, so sollen es Augenzeugen erzählt haben, stachen Anfang September 2022 von Rostock aus mit der "Andromeda" in See. Das Boot soll anschließend in Wiek auf Rügen, auf der kleinen dänischen Insel Christiansø, im schwedischen Sandhamn und im polnischen Kołobrzeg Stopp gemacht haben, bevor es schließlich nach Rostock zurückkehrte. Laut Reporter Götschenberg bekamen die Ermittler auch Hilfe von "Kommissar Zufall". Demnach wurde im September 2022 auf Rügen ein weißer Transporter geblitzt, der vermutlich Tauchmaterial für das mutmaßliche Sprengkommando transportiert hat. Auf dem Foto des geblitzten Wagens soll neben dem Fahrer ein Mann zu sehen sein, der große Ähnlichkeit mit dem verdächtigen Wolodymyr Z. haben soll.
Besondere Rolle Mecklenburg-Vorpommerns
Mecklenburg-Vorpommern spielt im Zusammenhang mit den Nord-Stream-Pipelines eine besondere Rolle. Vom Hafen Mukran auf Rügen aus wurde ein Teil der Rohre für den Bau der Pipeline an die jeweilige Baustelle gebracht. Außerdem enden beide Pipelines in Lubmin, wo sie bis 2022 ihr Gas ins europäische Erdgasnetz einspeisten beziehungsweise einspeisen sollten. Politisch sorgte die umstrittene Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommerns bundesweit für Schlagzeilen. Die Landesregierung gründete die Stiftung Anfang 2021, damit diese auch mit verdeckten Geschäften den Bau der Pipeline absicherte, deren Fertigstellung angeblich durch Sanktionen der USA bedroht war.