Vor Flüchtlingsgipfel: Länder schlagen Finanzkonzept vor
Geflüchtete müssen von Ländern und Kommunen untergebracht und verpflegt werden, der Bund zahlt aber nur eine Jahrespauschale, nicht pro Kopf. Die Länder einigten sich vor dem Gipfel am Mittwoch auf ein gemeinsames Konzept. Die Bundesregierung lehnt weitere Finanzzusagen ab.
In dem Beschlussvorschlag der Bundesländer, der am Montagabend an mehrere Medien verschickt wurde, heißt es unter anderem, dass sich die Zahlungen des Bundes flexibel an der Zahl der aufgenommenen Menschen orientieren müssten. Unter anderem fordern die Länder eine "allgemeine, flüchtlingsbezogene monatliche pro-Kopf-Pauschale" für Unterbringung und Versorgung, für die Kosten der Integration aller Geflüchteten und für unbegleitete Minderjährige.
Tschentscher warnt vor Scheitern des Flüchtlingsgipfels
Hamburgs Erster Bürgermeister sagte am Dienstag, es sei zwar möglich, dass man im Anschluss an das Treffen der Regierungschefs am Mittwoch in Berlin ohne Einigung auseinandergehe, aber man müsse "alles dafür tun, dies zu verhindern". Sowohl der Bund als auch die Länder hätten ein Interesse, den Streit um Finanzierungsfragen zu lösen und die Kosten solidarisch zu tragen. "Und dazu gehört, dass sich der Bund nicht plötzlich aus der Verantwortung zurückzieht und sagt, 'die Kassen sind klamm, jetzt macht mal alleine'."
Weil: Bund muss sich finanziell "erheblich bewegen"
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte zuvor bei einer Pressekonferenz in Hannover auf die Mitverantwortung des Bundes bei Unterbringung und Integration der Geflüchteten verwiesen. Finanziell müsse er sich "erheblich bewegen". Die finanziellen Beiträge des Bundes müssten sich vor allem daran orientieren, wie viele Menschen nach Deutschland kommen - "denn das ist eine Zahl, die Länder und Kommunen definitiv nicht beeinflussen können". Mit einer Jahrespauschalleistung unabhängig von der Zahl der Schutzsuchenden sei es nicht getan.
Günther: "Hilferufe scheinen nicht in Berlin anzukommen"
Auch der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), kritisiert, dass der Bund das bisherige Finanzierungsmodell aufgekündigt habe, nach dem der Bund mehr Geld zahle, wenn mehr Flüchtlinge kommen. Nun zahle der Bund nur eine Pauschale, und "das halten wir für absolut nicht sachgerecht." Bei den Kosten der Unterkunft müsse der Bund wieder 100 Prozent übernehmen. Der Ministerpräsident erwartet vom Bund aber nicht nur finanzielle Hilfe, sondern auch politische. Eine Begrenzung des Zuzuges, mehr Rückführungen, "weil wir dort an Leistungsgrenzen offenkundig ja in allen Teilen Deutschlands kommen. Und hier erwarten wir Antworten." Die Hilferufe aus den Kommunen würden offenbar nicht in Berlin ankommen.
Schwesig: "Streit zwischen Bund und Ländern lässt Stimmung vor Ort weiter hochkochen"
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) riet der Bundesregierung, dass sie es nicht zum Streit kommen lassen solle. Das Thema Flüchtlinge sei hochsensibel, sagte sie am Montag gegenüber dem NDR Nordmagazin: "Wir haben einerseits die Schutzverantwortung und andererseits gibt es auch viel Unmut vor Ort, weil wir praktisch an Grenzen sind." Wenn Bund und Länder sich nicht einigen würden, würde die Stimmung noch weiter hochkochen. Finanzminister Heiko Geue (SPD) sagte, die Weigerung des Bundes, die Unterstützung aufzustocken, sei "nicht akzeptabel". Er erwarte "die Solidarität des Bundes bei diesem wichtigen Thema".
Bremen setzt auf hälftige Aufteilung der Kosten
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) setzt sich im Streit um die Finanzierung der Flüchtlingshilfen für eine hälftige Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern ein. "Wenn wir 50:50 durchsetzen könnten, wäre das ein großer Schritt in die richtige Richtung", sagte der SPD-Politiker am Montag den Sendern RTL und ntv.
Was der Bund bereits bezahlt
Für das laufende Jahr hat der Bund 1,5 Milliarden Euro für die Geflüchteten aus der Ukraine zugesagt, außerdem eine allgemeine flüchtlingsbezogene Pauschale von 1,25 Milliarden Euro. Darüber hinaus zahlt der Bund für ukrainische Kriegsflüchtlinge und für anerkannte Flüchtlinge aus anderen Staaten, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten, Sozialleistungen.
Deutschland hat im vergangenen Jahr rund 1,2 Millionen Schutzsuchende aufgenommen - etwa eine Million davon kamen aus dem Kriegsland Ukraine. Geflüchtete von dort müssen keinen Asylantrag stellen. Knapp 245.000 Menschen aus anderen Ländern stellten in der Bundesrepublik einen Asylantrag - die meisten von ihnen stammen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei.