Flüchtlinge: Kommunen in SH warten auf Lösungen
Während Bund und Länder schon vor ihrem heutigen Treffen ums Geld pokerten, sorgen sich die Kommunen in Schleswig-Holstein um Wohnraum für Geflüchtete und hoffen auf Perspektiven.
Es geht um das, was sich "zwischen Daumen und Zeigefinger" abspielt, formuliert es Dirk Moritz, erster Stadtrat der Stadt Elmshorn. Während Bund und Länder um das Geld für die Flüchtlingsbetreuung ringen, löst Moritz die alltäglichen Probleme vor Ort und wünscht sich, dass die Kommunen ausreichend Geld bekommen - vor allem für die Integration von Flüchtlingen.
Schule, Kita, Integrationskurse - momentan fallen diese Themen noch hintenüber. Denn momentan beschäftigt sich Moritz vor allem mit der Frage, wie er die Geflüchteten unterbringen soll: 770 sind es in Elmshorns städtischen Unterkünften, allein seit Anfang des Jahres waren es 70. Das birgt auch Konfliktpotential: Als Stadt, erzählt Moritz, sei man bei Vermietern gern gesehen, denn die Miete komme sicher. Die Kehrseite: "Die Bevölkerung klagt darüber, dass kaum noch Wohnraum zur Verfügung steht."
Deswegen erhofft sich Moritz auch politische Lösungen: eine EU-weite, "gerechte Verteilung" von Flüchtlingen etwa. Bund und Länder sitzen heute zusammen, um über die Flüchtlingssituation zu beraten. Doch die Fronten sind verhärtet.
"Humanitäre Aufnahme darf nicht scheitern"
Auch im Schleswig-Holsteinischen Landtag wurde das Thema am Tag vor dem Bund-Länder-Treffen heiß diskutiert. Lars Harms vom SSW sieht den Bund ganz klar in der Verantwortung. "Die machen die Gesetze, dann können sie das Geld bitteschön auch gleich mit liefern. Es kann nicht sein, dass die Kommunen da alleine gelassen werden."
Städte und Gemeinden seien nämlich "am Limit", sagt Seyran Papo von der CDU. Als Land leiste man seinen Beitrag, nun sei die Verantwortung beim Bund. Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter sagt: "Schleswig-Holstein hat immer gesagt, dass die humanitäre Aufnahme nicht am Geld scheitern wird. Diesen Grundsatz sollte auch der Bund haben."
Losse-Müller: Land ist für Wohnungen und Kita-Plätze verantwortlich
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt wünscht sich eine Kurskorrektur der deutschen Migrationspolitik: "Wir müssen schnellere Verfahren haben, wir müssen an den Außengrenzen der EU etwas tun, und wir müssen sichere Herkunftsstaaten stärker ausweisen, damit wir weniger irreguläre Migration haben. Denn das ist unser großes Problem und das überfordert uns zunehmend."
Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Losse-Müller ist entscheidend, wie mehr Wohnungen gebaut und Kita-Plätze geschaffen werden können. Das seien "die wirklich wichtigen Fragen, die man mit den Händen greifen kann - und für die das Land verantwortlich ist." Natürlich müsse aber auch die Frage nach den Finanzen geklärt werden, sagt Losse-Müller. Und er ist zuversichtlich, dass das gelingt.
Gemeindetag: Alte Berechnungen müssen auf Prüfstand
Im vergangenen Jahr hat Schleswig-Holstein nach Angaben des Finanzministeriums vom Bund 149,6 Millionen Euro für die Aufnahme von Flüchtlingen bekommen. In diesem Jahr sind es knapp 94 Millionen, für das kommende Jahr werden 42,7 Millionen Euro veranschlagt. Gesonderte Mittel für Ukraine-Flüchtlinge gibt es von 2024 an nicht mehr.
Die Zahl der Geflüchteten, die in Schleswig-Holstein Schutz suchen, lag im vergangenen Jahr bei 39.000. In diesem Jahr waren es von Januar bis März 4.000. Zahlen, die ein Umdenken erfordern, findet der Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Gemeindetages, Jörg Bülow. "Ein Hauptproblem der jetzigen Diskussion" sei, dass der Bund den Ländern nur eine feste Summe aus den Umsatzsteuereinnahmen zugesagt hat. "Es sind aber inzwischen viel mehr Flüchtlinge gekommen als man damals berechnet hat", sagt Bülow.
Länder fordern ein finanzielles Umdenken
Die Forderung der Länder nach dynamischen Zahlungen - also je nach Anzahl der Flüchtlinge - hält Bülow deshalb für gerechtfertigt. Die Umsatzsteuereinnahmen sind eines von zwei Instrumenten, mit denen der Bund (der laut Verfassung den Kreisen, Städten und Gemeinden nicht direkt Geld überweisen darf) die Kommunen entlasten kann.
Das andere Instrument sind die Kosten für Unterkünfte: "Im Prinzip werden die Unterkunftskosten im SGB 2 von den Kreisen und kreisfreien Städten getragen. Der Bund beteiligt sich mit über 60 Prozent an diesen Kosten und kann diesen Kostenanteil ohne weiteres anheben und damit die Kommunen entlasten." Auch das Land hat laut Bülow noch etwas draufgelegt, so dass die Erstattungsquote insgesamt bei derzeit 90 Prozent liegt.
Flüchtlinge bald in Containerdörfern oder Turnhallen?
Bülow hofft nun, dass die heutigen Verhandlungen erfolgreich laufen. "Wir erwarten schnellstmöglich sehr klare und verlässliche, auch mittel- bis langfristige Antworten von Bund und Ländern darauf, wie das dauerhaft funktionieren soll", sagt er. Die Verhandlungen müssten endlich "zu einem durchschlagenden Ergebnis kommen".
Dirk Moritz in Elmshorn hofft das auch. "Es wird jetzt langsam eng", sagt er mit Blick auf die Wohnungen für Flüchtlinge. "Bis Herbst werden wir noch auskommen, und dann müssen wir wirklich überlegen, ob wir die Personen in Containerdörfern oder notfalls sogar Turnhallen unterbringen."