Schulden für Klimaschutz oder sparen - was ist nachhaltiger?
Wegen der Haushaltsnotlage will Bundesfinanzminister Lindner die Schuldenbremse für ein weiteres Jahr aussetzen. Niedersachsens Ministerpräsident Weil fordert eine generelle Reform, ebenso die Grüne Jugend. Die CDU ist dagegen.
Haushaltssperre, Notlage, Nachtragshaushalt: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das vor einer Woche die Umwidmung von 60 Milliarden Euro aus dem Corona-Hilfsfonds für einen Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt hatte, wird über die Notwendigkeit von Investitionen in den Klimaschutz und das Festhalten an der Schuldenbremse diskutiert. Während SPD- und Grünen-Politikerinnen und Politiker aus dem Norden für eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse eintreten, ist die CDU strikt dagegen und fordert mehr Anstrengungen beim Sparen.
Schuldenbremse wird ausgesetzt - Zuschüsse für Energiekosten laufen eher aus
Am Donnerstag hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einen Nachtragshaushalt für dieses Jahr angekündigt. Jetzt müsse Rechtssicherheit geschaffen werden, sagte Lindner. Die Schuldenbremse soll deshalb für ein weiteres Jahr ausgesetzt werden. Man werde dem Bundestag vorschlagen, nach den Jahren 2020 bis 2022 auch für 2023 eine außergewöhnliche Notlage zu beschließen, erklärte Lindner. Am Freitag kündigte Lindner als weitere Konsequenz an, die staatlichen Milliardenhilfen über die Strom- und Gaspreisbremsen nicht wie geplant bis Ende März 2024 zu verlängern - diese würden "zum Jahresende beendet".
Weil: Reformbedarf bei der Schuldenbremse
Weil nannte den Nachtragshaushalt am Freitag im Interview auf NDR Info eine "richtige Entscheidung", dadurch sei man für 2023 "gewissermaßen auf der sicheren Seite". Aber wie es für 2024 und in den folgenden Jahren weiter geht, sei offen. "Deswegen sind wir an der Stelle natürlich nach wie vor sehr aufmerksam", sagte Weil.
Er zog aus dem Karlsruher Urteil noch einen weiteren Schluss: Mit der Schuldenbremse lasse sich eine Situation, wie sie sich aktuell darstellt, nicht gut bewältigen. Die Schuldenbremse gehe immer davon aus: Schulden darf man nur machen, wenn es eine Notlage gibt. "Aber wenn wir jetzt zum Beispiel unser Land fit machen müssen für den Klimaschutz und gleichzeitig unsere wirtschaftliche Stärke bewahren wollen, dann werden wir ganz sicherlich einen handlungsfähigen Staat brauchen. Und das schaffen wir mit der Schuldenbremse, so wie sie jetzt im Grundgesetz steht, nicht." Es gebe also Reformbedarf.
Grüne Jugend: "Die Kosten für Klimaschutz werden riesig"
Das sieht auch die Grüne Jugend so. "Wir glauben, dass die Schuldenbremse auf jeden Fall auch im nächsten Jahr ausgesetzt werden muss", sagte die Co-Vorsitzende Svenja Appuhn auf NDR Info. "Wir haben immer noch ein riesiges Haushaltsloch." Ein Nachtragshaushalt für dieses Jahr löse das grundsätzliche Problem nicht. Denn es gehe um Gelder, die vorgesehen waren für die klimaneutrale Transformation und für den sozialen Ausgleich. "Mir ist es vollkommen schleierhaft, wie es da jetzt weitergehen soll, wenn man nicht auch fürs nächste Jahr und auch für die Folgejahre sofort eine Lösung trifft."
Es müsse die Frage geklärt werden, wie der Staat sich in Zukunft finanzieren soll. "Die Kosten des Klimaschutzes werden riesig. Wir sagen, da muss man auch die Superreichen und ihre hohen Vermögen in die Pflicht nehmen", sagte Appuhn und brachte ihre Idee der Umverteilung aus Klimaschutzgründen auf die Formel: "Bus und Bahn für alle statt Superjachten für wenige".
Künftige Generationen entlasten? "Ein klassisches Märchen"
Dass mit der Schuldenbremse eigentlich ja mal verhindert werden sollte, dass künftige Generationen hohe finanzielle Belastungen vererbt bekommen, ließ Appuhn so nicht gelten. Sie nannte diese Auffassung "ein klassisches Märchen". Denn wenn Investitionen jetzt nicht getätigt würden, schiebe man die Schulden nur in die Zukunft. "Es wird quasi immer teurer, die Straße zu reparieren, wenn das Schlagloch immer größer wird." Zum anderen muss man auch sagen "Ich kann mir ehrlich gesagt keine Zukunft vorstellen, in der Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage verloren haben und in der die Klimakrise den Planeten zum Teil unbewohnbar macht, aber wir zum Glück keine Schulden mehr zurückzahlen müssen. Also da ist nun wirklich auch niemandem geholfen."
CDU-Haushaltsexperte Middelberg: "Irgendwann unter Zinslast absaufen"
Ganz anders sieht die Situation Mathias Middelberg, niedersächsischer CDU-Landesgruppenchef im Bundestag und Haushaltsexperte. "Es geht nicht, wenn wir jedes Jahr immer neue Schulden machen. Wir werden immer irgendeine Krise, immer eine Sondersituation finden, die uns dann dazu bringt, dass wir neue Schulden machen müssen", sagte Middelberg im NDR Info Interview. "Dann werden wir irgendwann unter der Last der Zinsen absaufen."
Middelberg nannte die Schuldenbremse ein Gebot der Nachhaltigkeit. "Genauso wie wir nicht zu viel CO2 rauspusten dürfen, so müssen wir auch mit dem Geld verantwortungsvoll umgehen. Sonst werden die künftigen Generationen keine Möglichkeit mehr haben, zum Beispiel auch Klimaschutz zu betreiben", so Middelberg. Aktuell würden 40 Milliarden Euro nur für Zinsen ausgegeben. "Wenn wir in den vergangenen Jahren nicht so viele Schulden gemacht hätten, dann hätten wir diese 40 Milliarden für Politik zur Verfügung. Dann hätten wir gar kein Problem."
CDU fordert Einsparungen beim Bürgergeld
Es müsse stattdessen auch über das Thema Sparen und Umschichten im Haushalt nachgedacht werden. "Dem hat sich diese Ampelregierung bisher komplett verweigert", meint Middelberg. Konkret forderte er Einsparungen beim Bürgergeld. Dafür würde mit 44 Milliarden jeder zehnte Euro aus dem Bundeshaushalt ausgegeben. Es gebe aber vier Millionen Menschen, die Bürgergeld beziehen und erwerbsfähig sind. Arbeitsminister Hubertus Heil sollte daher Schritte unternehmen, dass mehr Menschen in Beschäftigung kommen. "Die zahlen dann nämlich ein und kosten nicht im Bürgergeld Geld. Damit kriegen Sie riesige Beträge in die Kasse", meint Middelberg. "Eine Million Menschen mehr, die arbeiten würden anstatt Bürgergeld zu beziehen, brächten dem Haushalt bis zu 30 Milliarden jedes Jahr."