Blick auf das Bundesfinanzministerium durch einen Zaun © picture alliance/dpa | Christophe Gateau Foto: Christophe Gateau

Haushaltskrise: Unternehmen in Niedersachsen sind verunsichert

Stand: 23.11.2023 22:17 Uhr

Nach dem Berliner Ausgaben-Stopp sind viele Unternehmen in Niedersachsen verunsichert. Sie fürchten, dass zugesagtes Fördergeld vom Bund für Klimaprojekte auf der Kippe steht oder deutlich später kommt.

von Annette Deutskens

Es geht um richtig viel Geld. Mit 60 Milliarden Euro hatte die Bundesregierung den Klima- und Transformationsfonds (KTF) ausgestattet - ein großer Teil davon sollte auch in Klimaprojekte in Niedersachsen fließen. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts steht jetzt fest: Die 60 Milliarden Euro muss der Bund anders finanzieren. Über den Fonds ist es jedenfalls nicht zulässig. Für Unternehmen heißt das: Ob Fördergeld, das bereits zugesagt war, tatsächlich fließen wird - und vor allem wann - ist aktuell völlig unklar. Nur wer schon einen Förderbescheid auf dem Tisch hat, kann das Geld fest einplanen.

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Beschlüsse aus Brüssel und Berlin fehlen

Für viele Unternehmen in Niedersachsen liegt aber genau da das Problem: Der Bund hat ihnen für ihre Klimaprojekte zwar schon Fördermittel in Aussicht gestellt - die EU-Kommission muss das Geld aber noch freigeben. Und da hakt es - weil die EU enorm viele Anträge auf dem Tisch hat und mit dem Bearbeiten nicht hinterherkommt. Die Folge: Die Firmen warten auf die Rückmeldung aus Brüssel - und müssen jetzt mit einer weiteren Unsicherheit leben, nämlich mit der Frage: Wird der Bund das Geld überhaupt noch aufbringen können, wenn der Bescheid aus Brüssel endlich vorliegt?

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Wasserstoff-Projekte in Gefahr?

In Niedersachsen trifft das unter anderem innovative Wasserstoff-Projekte. 2,4 Milliarden Euro Fördergeld sind allein für diesen Bereich eingeplant, etwa zwei Drittel finanziert vom Bund, ein Drittel vom Land. Beispiel RWE in Lingen: Der Konzern will dort Wasserstoff im industriellen Maßstab herstellen. Damit der Zeitplan einigermaßen gehalten werden kann, ist RWE schon in Vorleistung gegangen, mit einem ersten Elektrolyseur wird bereits Wasserstoff produziert. Der Konzern wartet nach wie vor dringend auf den Bescheid aus Brüssel - und jetzt zusätzlich auf die Nachricht aus Berlin, ob das Geld weiterhin fest eingeplant werden kann.

EWE: Ohne Fördermittel keine Wasserstoff-Projekte

Ähnlich geht es dem Konkurrenten EWE in Emden. Der Energiekonzern hofft, für sein Wasserstoffprojekt bis Ende des Jahres eine Rückmeldung aus Brüssel zu erhalten. Und hofft jetzt zusätzlich, dass die Bundesregierung bei der Förderzusage bleibt. Auf wie viele Millionen RWE und EWE konkret warten, wollen die beiden Unternehmen nicht sagen. Bei EWE heißt es aber: "Fakt ist: Ohne feste Zusicherung der Fördermittel kann EWE seine Wasserstoff-Projekte voraussichtlich nicht umsetzen." Viel Hoffnung, wenig Planungssicherheit - eine schlechte Grundlage für Großprojekte.

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Bund: Lösung erfordert "Sorgfalt und etwas Zeit"

Das weiß auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Er appelliert an die Bundesregierung, schnell eine Lösung zu finden. "Wenn jetzt infrage steht, ob das Fördergeld kommt, droht ein Scherbenhaufen", so Weil bei einem Treffen der Unternehmerverbände am Mittwoch in Hannover. Im Wirtschaftsministerium in Berlin heißt es dazu, dass zurzeit unter Federführung des Finanzministeriums an Lösungen gearbeitet werde. "Das erfordert angesichts der komplexen Aufgabe Sorgfalt und etwas Zeit", heißt es aus dem Ministerium. Um ein ähnliches Szenario in Zukunft zu verhindern und für Klimaprojekte mehr Spielraum und Planungssicherheit zu haben, schlägt Weil unter anderem vor, die Schuldenbremse langfristig zu lockern. Unabhängig von den Problemen in Berlin sei die Förderzusage des Landes für die Wasserstoffprojekte - insgesamt rund 800 Millionen Euro - aber sicher. Nur: Das Geld allein reicht bei weitem nicht.

Unsicherheiten auch bei Bau- und Bahnprojekten

Und: Es sind nicht ausschließlich Wasserstoff-Projekte von dem Finanzierungsproblem betroffen. Beispiel Bahnstrecken: Mit dem Geld aus dem Fonds sollen auch Bahnstrecken generalüberholt werden, darunter die Strecke Hannover-Hamburg. Beispiel Gebäudesanierung: Ein großer Teil der 60 Milliarden ist dafür vorgesehen, Gebäude energetisch zu sanieren. Jetzt warten viele Bauunternehmer ab, ob das Geld tatsächlich kommen wird - nur eben aus einer anderen Quelle - oder gar nicht. So lange ruht im Zweifelsfall die Arbeit auf der Baustelle.

Unternehmen: Schaden ist bereits entstanden

Für Volker Müller von den Unternehmerverbänden Niedersachsen ist klar, dass der Bund so schnell wie möglich eine alternative Finanzierung zum ursprünglichen Fonds finden muss – damit die 60 Milliarden am Ende doch noch ausgegeben werden können. Tatsächlich scheint es wenig wahrscheinlich, dass der Bund jetzt alle Klimavorhaben aus dem KTF beerdigt. Viele, wahrscheinlich sogar die meisten, werden ihr zugesagtes Fördergeld wohl doch noch bekommen. Irgendwann. Wenn man mit Unternehmerinnen und Unternehmern spricht, wird aber klar, dass trotzdem schon ein Schaden entstanden ist. Denn fehlende Planbarkeit, lange Verfahren und wechselnde Rahmenbedingungen führen dazu, dass Vertrauen in die Politik - und den Standort - schwindet, so Müller. Wenn er der aktuellen Situation überhaupt etwas Positives abgewinnen will, dann das: Die Unternehmen hätten nach der Finanzkrise 2008/2009 ihre Eigenkapitalquote deutlich erhöht, also mehr Geld auf die hohe Kante gelegt. Ein finanzielles Polster: immer hilfreich - in Krisenzeiten aber mitunter überlebenswichtig.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 23.11.2023 | 18:00 Uhr

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