"Die Leute sagen: 'Geh zurück in Deine Heimat'"
In dem NDR Kultur Podcast "Was fragst Du?" schauen wir regelmäßig nach, welche Themen gerade besonders viele Menschen im Internet umtreiben. Im Sommer ist das Podcastteam unterwegs und guckt nicht auf die Fragen der Vielen, sondern besucht einzelne, ganz unterschiedliche Personen und spricht mit ihnen über die großen Fragen, die sie gerade umtreiben. In der aktuellen Folge ist Hengameh Yaghoobifarah zu Gast. Hengameh arbeitet journalistisch und hat ein Buch herausgegeben, es heißt: "Eure Heimat ist unser Albtraum".
Am Abend vor unserer Podcastaufzeichnung mailt Hengameh Yaghoobifarah unserem Team von einem Flughafen in Schweden die Gastfrage: "Sagen die Leute, die früher 'Reisen ist mein Hobby' gesagt haben, heute: 'Fliegen ist uncool'?."
Die Zahl der Flüge in Deutschland hat im vergangenen Jahr einen Rekordwert erreicht. Und auch in diesem Sommer sind wieder Hunderttausende mit dem Flugzeug unterwegs. Ein Ende dieser Entwicklung ist bis jetzt nicht abzusehen - trotz omnipräsenter Klimadebatte. Aber mittlerweile haben einige Menschen wegen der Umweltbelastung ein schlechtes Gewissen. In Schweden ist sogar ein neues Wort für das Phänomen erfunden worden, das übersetzt so viel heißt wie "Flugscham". Diese Diskussion dreht sich um Menschen, für die Reisen Teil ihres Lifestyles ist und verkennt die Funktion, die Fliegen für Migrantinnen und Migranten übernimmt, sagt Hengameh, deren Familie aus Iran stammt: "Pauschal zu sagen 'Fliegen ist uncool', macht die Menschen unsichtbar, für die Reisen nicht einfach ein Hobby ist, sondern die einzige Möglichkeit, seine Familie zu sehen."
Hengameh Yaghoobifarah wurde in Kiel geboren, verbrachte dann viele Jahre ihrer Jugend in Buchholz an der Nordheide, mit dem Begriff Heimat hat Hengameh aber so ihre Schwierigkeiten: "Ich habe nicht das Gefühl, dass Deutschland meine Heimat sein kann - aufgrund von rassistischen Ausschlüssen, die ich erfahre. Jedes Mal, wenn ich einen Text schreibe, kommentieren Leute unter meine Artikel: 'Geh' zurück in Deine Heimat'."
Aber auch im Iran stellt sich kein Heimatgefühl ein, das Land ihrer Eltern ist Hengameh zu fremd. Wenn es kein geografischer Ort sein kann, wo kann man dann Heimat finden? Ihre Antwort: "Utopien könnten passen oder politische Ziele. Wie wollen wir leben? Wie soll die Welt aussehen? Das ist viel wichtiger, weil nicht alle Menschen, die sich gleich identifizieren, auch das Gleiche wollen. Wenn ich mit meinen Freund*innen unterwegs bin, in WG-Küchen, in Bars, auf Demos; ich finde meine Heimat eher in gewissen Gemeinschaften."