Jazz – Round Midnight
Mittwoch, 23. November 2022, 23:30 bis
00:00 Uhr
Eine Sendung von Stefan Gerdes
Es waren bunte aber gewissenhaft zusammengestellte Gruppen aus Komponisten, Arrangeuren und Solisten, die ab Februar 1958 regelmäßig zum NDR kamen, um ohne kommerziellen Druck miteinander Neues auszuprobieren. "Keine Musik vom Fließband" hatte der erste Jazzredakteur des NDR, Hans Gertberg (1909-1970), seinem Publikum angekündigt.
Gegen das "Fließband"-Modell mit bereits existierenden Bands und einem festen Programm setzte Gertberg das Modell der Werkstatt: An die Solisten wurden Kompositionsaufträge vergeben, große und kleinere Besetzungen spielten im Wechsel, ungewöhnliche Projekte wie Jazzbands und Streicherensembles wurden auf die Bühne gebracht.
Die NDR Jazzworkshops waren eine Art Gipfeltreffen mit ein paar Tagen Probe und einem anschließendem Radio-Konzert. Die Ergebnisse sind im Archiv des NDR bestens dokumentiert. Zeugnisse legendärer Auftritte schlummern dort: Konzerte u.a. von Albert Mangelsdorff, Wes Montgomery, Carla Bley oder Tomasz Stanko.
Im legendären Studio 10, dem heutigen Rolf-Liebermann-Studio, erlebte das Publikum auch hautnah die Entwicklung vielfältiger europäischer Jazz-Szenen: So improvisierten Jan Johansson und Georg Riedel bereits 1962 im NDR über Motive aus der schwedischen Folklore. Mitte der 1960er Jahre gab es einen außergewöhnlichen Blick über den "Eisernen Vorhang": Im 49. Jazzworkshop trafen unter der Leitung des Pianisten Andrzej Trzaskowski polnische und tschechische Musiker zum ersten Mal auf Kollegen aus Stockholm und Berlin.
Einen "kleinen Völkerbund in Sachen Jazz" hatte sich Redakteur Hans Gertberg gewünscht. Heute würde man dies wohl als "europäischen Gedanken" bezeichnen. Gertbergs Vision und sein Konzept der NDR Jazzworkshops waren und bleiben in der gesamten Jazzwelt einzigartig.