Women in Music: Amanda Maier
Viele Werke der schwedischen Violinistin und Komponistin Amanda Maier wurden gedruckt und positiv rezensiert. Doch nach ihrem frühen Tod geriet sie in Vergessenheit.
Die Kinder rutschen ungeduldig vom Klavierhocker und rennen lachend aus dem Zimmer. Bei dem schönen Wetter möchten sie endlich draußen spielen. Amanda beobachtet sie mit einem Lächeln: Heute haben sie ihre Sache gut gemacht. Plötzlich spürt sie einen scharfen Schmerz in ihren Schläfen und ihre Beine fühlen sich wie Watte an. Sie setzt sich für einen Moment auf den Klavierhocker, um neue Kraft zu schöpfen. Dann schleppt sie sich die Treppe hoch in ihr Schlafzimmer und legt sich ins Bett. Die Dunkelheit umfängt sie, während sie langsam die Augen schließt - um sie nie wieder zu öffnen.
Harmonik geprägt von der schwedischen Heimat
Amanda Maier hat einen feinen Sinn für spannungsreiche Harmonien und melodische Linien. Sie schreibt hauptsächlich Instrumentalwerke aber auch vier Klavierlieder - wahrscheinlich für ihre Freundin und Kollegin, die Sopranistin Louise Pyk. Das wäre eine Erklärung für den opernhaften Stil dieser Lieder. Und wer sie hört, kommt nicht umhin zu bedauern, dass Amanda Maier nicht mehr davon geschrieben hat.
In ihrer Harmonik klingt Maiers schwedische Heimat an. Die nordische Klangsprache erinnert an Komponisten wie Grieg und Sibelius. Amanda Maier hatte ein Talent für Dramatik und Spannung. Der kontrastreiche dritte Satz ihres Klavierquartetts e-Moll zeigt aber auch ihre humorvolle Seite - um dann in einen melancholischen vierten Satz überzugehen. Alles in allem zeugen Amanda Maiers Arbeiten von einem soliden technischen Niveau. Sie komponierte für sich selbst und ihr nächstes Umfeld. Viele ihrer frühen Werke sind verloren gegangen.
Amanda Maier wächst im schwedischen Landskrona auf. Ihr Vater, ein gebürtiger Deutscher, ist nicht nur Konditor, sondern auch "Musikdirektör" mit einem Diplom der Königlich-Schwedischen Musikakademie in Stockholm. Musik spielt eine große Rolle in der Familie. Mit 16 beginnt Amanda Maier ihr Studium an der Musikakademie in Stockholm und macht als erste Frau einen Abschluss im Fach Dirigieren. Als Geigerin gibt sie Konzerte in ihrer Heimat und im Ausland, in den späten 1870ern sogar in Russland und in den USA.
Amanda Maier: Von der Kritik positiv aufgenommen
Für weitere Studien geht sie nach Leipzig, nimmt Kompositionsunterricht bei Carl Reinecke und lernt den Pianisten Julius Röntgen kennen, den Sohn ihres Geigenlehrers. Später wird er ihr Ehemann, mit dem sie häufig gemeinsam auftritt, nach der Hochzeit allerdings fast nur noch im häuslichen Umfeld. Bei den Musikabenden der Röntgens in ihrer neuen Wahlheimat Amsterdam wirken so prominente Gäste mit wie Anton Rubinstein, Joseph Joachim, und Johannes Brahms. Edvard Grieg und dessen Frau werden zu engen Freunden. Viele Werke von Amanda Röntgen-Maier werden gedruckt und positiv rezensiert.
Doch nach der Geburt ihres zweiten Sohnes, 1886, macht sich Amanda Maiers chronische Lungenkrankheit bemerkbar. Ein Kuraufenthalt in Davos und ein Umzug nach Nizza bringen keine dauerhafte Linderung. Am 15. Juni 1894 gibt Maier ihren Kindern den täglichen Musikunterricht und legt sie sich anschließend nach einem Schwächeanfall zur Ruhe. Sie stirbt im Schlaf, mit gerade mal 41 Jahren.
"Sie gehörte zu meinen Lieblingen", schrieb Edvard Grieg an Julius Röntgen, nachdem er die Nachricht von ihrem tragisch frühen Tod erhalten hatte. Posthum wurden einige Werke von Amanda Maier bei Gedenkkonzerten in Stockholm und Amsterdam aufgeführt. Doch anschließend wurde sie von Interpreten und Konzertveranstaltern praktisch vergessen.
Im Rahmen der Reihe "Women in Music" stellt NDR Kultur Komponistinnen vor, die in der Geschichte viel zu wenig Beachtung gefunden haben.