Women in Music: Emilie Mayer
Emilie Mayer war Mitte des 19. Jahrhunderts Vizechefin der Berliner Opernakademie und Ehrenmitglied der Philharmonischen Gesellschaft in München. Doch die Komponistin geriet schnell in Vergessenheit.
Es ist der 28. August 1840, als die 28-jährige Emilie Mayer am Grab ihres Vaters steht. Wie viele andere Mädchen aus wohlhabendem Haus ist sie von Privatlehrern unterrichtet und in den schönen Künsten ausgebildet worden. Natürlich nur als Vorbereitung auf ein Leben als Ehefrau und Mutter. Als älteste Tochter hat sie ihrem Vater den Haushalt geführt.
Doch nun nimmt die Musik, die sie seit ihrem sechsten Lebensjahr gespielt und komponiert hat, ihre gesamte Zeit in Anspruch. Sie geht zum Studium erst nach Stettin, als Schülerin von Carl Loewe, und später nach Berlin und vergräbt sich in Arbeit. Sie ist produktiv, effektiv und kompetent. Sie wird eine der fruchtbarsten Komponistinnen der Romantik. Ihr gelingt, was bis dahin keiner Frau gelungen ist: ihre Sinfonien werden in ganz Europa aufgeführt. Doch eine Generation später ist sie vergessen.
Emilie Mayer geprägt von der Wiener Klassik
Am Anfang ihrer kompositorischen Laufbahn wurde Emilie Mayer noch beeinflusst von der Wiener Klassik, besonders von Beethoven, am Ende ging sie zu einem romantischeren Stil über. Das väterliche Erbe ermöglichte ihr finanzielle Unabhängigkeit und ein Leben als "Berufskomponistin", wie sie sich selbst voller Stolz nannte. Mayer schrieb acht Sinfonien, ein Klavierkonzert, mindestens fünfzehn Ouvertüren, eine Oper, etliche Lieder, acht Violinsonaten, ein Dutzend Cellosonaten, sieben Klaviertrios, zwei Klavierquartette, sieben Streichquartette, zwei Streichquintette, zahlreiche Klavierstücke.
Emilie Mayer hatte einen besonderen Sinn für Melodik und Dynamik, was vor allem in ihren frühen Sinfonien zu beobachten ist. Dabei wechselte sie ständig zwischen zarten Kantilenen, leidenschaftlichen Ausbrüchen und monumentalen Klängen.
Gesamtes Leben dem Komponieren gewidmet
1812 in Mecklenburg geboren, verbrachte Emilie Mayer ihr gesamtes Leben als Komponistin und investierte persönlich große Summen in die Aufführung ihrer Werke. Nach ihrem Debüt als Sinfonikerin zog sie von Stettin nach Berlin. Dort führte sie einen Salon, der Künstler und Musiker anzog. Ihre Werke wurden mit großem Erfolg am königlichen Schauspielhaus aufgeführt; man berief sie zur Vizechefin der Berliner Opernakademie und zum Ehrenmitglied der Philharmonischen Gesellschaft in München.
Zeitgenossen nannten Emilie Mayer den "weiblichen Beethoven". Trotzdem musste sie als Frau zeitlebens dafür kämpfen, dass ihre Werke öffentlich gespielt und gedruckt wurden. Dabei erhielt sie Unterstützung von ihren beiden Brüdern, und nach und nach wurde ihre Musik in vielen Städten aufgeführt, wie Dessau, Halle, München, Leipzig, Wien und Brüssel.
Emilie Mayer blieb unverheiratet und kinderlos und hatte auch keine Schüler. Sie starb 1883 mit 71 Jahren und geriet, zusammen mit ihrer Musik, in Vergessenheit. Ihr Grab auf dem Berliner Dreifaltigkeitsfriedhof ist nicht erhalten. Erst 2012, anlässlich ihres 200. Geburtstags, wurde Emilie Mayer wiederentdeckt. Ein Buch und ein Dokumentarfilm erinnern an sie, und seitdem finden ihre Werke allmählich ins Repertoire zurück.
Im Rahmen der Reihe "Women in Music" stellt NDR Kultur Komponistinnen vor, die in der Geschichte viel zu wenig Beachtung gefunden haben.