Wie sich bei Musikinstrumenten Geschlechterklischees verfestigten
Frauen spielen Harfe und Klavier, Männer die Trompete und das Schlagzeug: Viele Rollenklischees aus dem 19. Jahrhundert haben sich bei Musikinstrumenten bis heute gehalten.
Ein Violoncello zwischen den Beinen - für Frauen der bürgerlichen Gesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert undenkbar. Auch Blasinstrumente waren verpönt und selbst das Geigenspiel galt als unangemessen. Der Körper der Frau sei für die kraftvollen Instrumente nicht gemacht, hieß es lange. "Die Bewegung, die man, wenn man Musikinstrumente spielt, mehr oder weniger stark vollführen muss - das passe nicht zum 'Stand des Weibes', wie man es damals gesagt hat", erklärt Musikwissenschaftlerin Silke Berdux vom Deutschen Museum in München. Der "Stand des Weibes" sei Ruhe gewesen.
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Cello und Trompete - "unerwünschte Nebenideen"
Der Pfarrer, Philologe und Komponist Carl Ludwig Junker hat sich 1783 in der Abhandlung "Vom Kostüm des Frauenzimmer Spielens" intensiv mit der Geschlechterzuordnung der Instrumente auseinandergesetzt. In dieser brachte er alle damals gängigen Vorstellungen von der musizierenden Frau zu Papier. Ein Cello zwischen den Beinen, ein Blasinstrument an den Lippen - diese Art Anblick erzeugte nach Junker sogenannte "Nebenideen" und lenke vom Werk ab. Die Optik müsse dem männlichen Blick Stand halten - in graziöser Sitzhaltung mit geschlossenen Beinen, den Kopf leicht geneigt mit anmutigem Gesichtsausdruck.
Für Frauen waren die Instrumente mit weichen Klang vorgesehen
Auch für den Klang gab es klare geschlechterspezifische Vorstellungen. "Das geht mehr auf den Charakter ein", sagt Berdux. "Es sollte nicht zu martialisch sein, nicht zu laut, nicht zu brutal, sondern eher das, was man Frauen damals zugeschrieben hat." Während die Damen des Adels durchaus die Freiheit hatten auch das Spiel der Geige oder Gambe zu lernen, blieben ihren bürgerlichen Geschlechtsgenossinnen die Laute, die Gitarre und die besaiteten Tasteninstrumente.
Harfe - prototypisches Instrument der Weiblichkeit
Ein Instrument, an dem die Musikerinnen ein geradezu ideales Bild für die Vorstellungen von Weiblichkeit im 19. Jahrhundert abgaben ist die Harfe. Dies liege zum einen an der Spielhaltung. "Die schönen Hände kommen besonders zur Geltung", erklärt Berdux. Und zum anderen am engelhaften Klang des Instruments.
Harfen waren zudem schön anzusehen und teuer - ein Status-Symbol für den bürgerlichen Haushalt. Das aufsteigende Bürgertum schuf sich im 18. und 19. Jahrhundert mit einem häuslichen Musikleben eine ganz eigene Kultur.
Klavier erhöhte Chancen auf dem Heiratsmarkt
Vor allem das Klavier zu einem besonders wichtigen Instrument. "Mit einem Klavier kann man alleine spielen, man kann unterhalten, aber man kann auch mit anderen zusammenspielen und dann ist es auch noch ein repräsentatives Möbelstück", erklärt die Musikwissenschaftlerin. So wie ein teures Tasteninstrument den Wohlstand des Hauses zu Schau stellte, repräsentierte eine Gattin, die souverän die Rolle der Gastgeberin übernahm und zur Unterhaltung mit ihrem Klavierspiel beitrug, Bildung und Geschmack der Familie. "Es gibt historische Quellen, die sagen, dass das die Chancen auf dem Heiratsmarkt erhöht hat", schildert Berdux.
Schon damals gab es auch Frauen, die aus der sozialen Funktionalisierung ausbrachen, weil sie die gesellschaftlichen Normierungen und ihre vermeintlich schlüssigen Begründungen kritisch hinterfragten. Aber es waren eben nur wenige. "Es ist immer die Frage, wie frei ist der Geist und von was ist er bestimmt", erklärt Berdux. "Wann erhebt man sich über das, was die Gesellschaft einem selbst zuschreibt - und was für Bedingungen muss es dafür vielleicht auch geben."