Professorin Naumann: "Musik vermitteln ist eine eigene Kunst"
Studierende und Lehrende der HfMT Hamburg berichten, warum sich ein Schulmusikstudium lohnt.
Musiklehrer*innen fehlen - in ganz Deutschland bleiben hunderte Stellen unbesetzt. Die Folge: Immer mehr Quereinsteiger übernehmen Musikstunden, ohne explizite pädagogische Ausbildung oder Referendariat. Warum dann überhaupt noch Schulmusik studieren, wenn man auch nach einem künstlerischen Studium und einigen Jahren als freischaffende Musikerin auf eine sichere Stelle im Schulbetrieb setzen kann? Das scheinen sich mehr und mehr junge Menschen zu fragen. An manchen Hochschulen können die Studienplätze für Schulmusik mittlerweile nicht mehr besetzt werden. Nicht so in Hamburg: An der Hochschule für Musik und Theater erfreut sich der Lehramts-Studiengang großer Beliebtheit.
Das Lehramtsstudium erfordert eine eigene Art der Kunst
Die Musiker*innen, bei denen es für eine künstlerische Laufbahn nicht reicht, landen im Schulmusik-Studium. Dieses Klischee haben selbst die Studierenden im zweiten Semester schon so oft gehört. Es entlockt ihnen nur noch ein müdes Lächeln. Auch Professorin Susanne Naumann kann mit diesem Vorurteil wenig anfangen: "Denn vergessen wird: Dass die, die Musik vermitteln, zusätzlich eine ganz eigene Kunst entfalten. Sie bringen ihre Musik, ihre künstlerischen Ideen mit - und sie bringen den Willen und die Begeisterung mit, das auch zu teilen. Also die ganze Kunst des Lehrens, des Vermittelns, des Motivierens. Das ist eine Kunst, die leider oft an Musikhochschulen übersehen wird."
Gute Vorbilder können viel bewirken
Gerade hat sie die erste Lehrveranstaltung des Semesters beendet, einen Kurs zur Schulischen Musizierpraxis. Die Teilnehmenden: Allesamt angehende Musiklehrer*innen, von der Grundschule bis zum Gymnasium. Dass das Studium für sie kein Plan B ist, sondern eine Wahl aus Überzeugung, wird schnell klar. Joshua beispielsweise sitzt im Schulmusik-Studium nämlich dank der Kunst des Vermittelns und Motivierens: "Ich hatte einfach sehr viele gute Vorbilder im Leben", erzählt der Schulmusikstudent. "Das waren viele Lehrer, die sehr engagiert waren und in mich investiert haben. Als Schüler, aber dann auch als Menschen. Vor allem meine Musiklehrer. Ich hatte einen, der hat mir ein Schlagzeug geschenkt, der andere hat mir Unterricht organisiert, der andere hat Reisen organisiert. Für mich als Arbeiterkind ist das nicht so einfach, da einen Zugang zu finden. Aber sie haben sich da Mühe gegeben und deshalb bin ich jetzt hier. Das hat mich inspiriert, ich hab die einfach bewundert, und habe mir gedacht, ich möchte das auch tun."
Ein Studium mit vielen Optionen
Dass auch die finanzielle Sicherheit des Berufs eine Rolle spielt, daraus macht hier niemand ein Geheimnis. Aber diese Sicherheit bietet eben auch Freiheiten in der künstlerischen Entfaltung - und die beginnt in Hamburg schon im Studium, freut sich Simon: "Ob man dann sagt: ich gehe ins Schulmusikorchester, in den Kammerchor oder die Schul-Big-Band - man kann alles machen. Das finde ich einfach super, dass es so viele Möglichkeiten gibt hier."
Diese Vertiefung der künstlerischen Entwicklung ist für Professorin Susanne Naumann ein Alleinstellungsmerkmal der Hamburger Hochschule und der Grund für die andauernde Beliebtheit des Schulmusikstudiums. Gleichzeitig werde von Lehrer*innen in der Praxis aber auch eine immer größere Vielseitigkeit verlangt, betont sie: "Was einerseits die Möglichkeit eröffnet, sich in ganz vielen Sparten auszubilden und zu entwickeln. Auf der anderen Seite natürlich auch die Notwendigkeit, überall möglichst gut und professionell daherzukommen. Was also auf der einen Seite die Freiheit bietet, viel auszuwählen, schafft auf der anderen Seite auch einen Druck, überall gut ausgebildet zu sein."
Die Hürden für das Studium sind nicht ohne
Auch die Studierenden in Hamburg finden trotz aller Begeisterung schnell Gründe, warum sich vielleicht die ein oder andere gegen ein Schulmusikstudium entscheidet: Die Aufnahmeprüfung sei für das Schulmusikstudium herausfordernd, Vorbereitungskurse rar. Auch die Koordination des Stundenplans sei oft stressig: Die Studierenden haben neben ihrem Musikstudium auch Seminare an der Universität Hamburg. Ulrike befürchtet, dass das Musiklehrerinnen-Dasein an sich abschreckt. Sie hofft auf Veränderungen im Berufsalltag: "Genauso, finde ich, sollte man auch in den Schulen ansetzen. Dass die Klassen kleiner werden und dass man mehr Möglichkeiten hat, auf die Kinder einzugehen. Ich glaube, dann macht das Ganze noch viel mehr Spaß, wenn man das, was man machen möchte, nämlich jedem Kind das Beste ermöglichen, auch leisten kann."
Musik hat wichtige Bedeutung für die Gesellschaft
Es ist zu spüren: Die Studierenden in Hamburg wollen Musiklehrkräfte aus Überzeugung werden. Aber Überzeugungen zu verwirklichen, kostet Geld - und das ist oft knapp. Dass Investitionen gerade in der Schulmusik dennoch gut angelegt sind, weiß auch die Professorin Susanne Naumann: "All das, was wir hier betreiben, was ja immer auch ein bisschen überbordend und auch unvernünftig ist, das ist ja nicht ökonomisch, was Musikhochschulen betreiben, sondern das ist wichtig. Deswegen diese Wichtigkeit und Bedeutsamkeit des Kulturellen und das in die Öffentlichkeit zu tragen - dafür treten auch all die Studierenden an."
Und dafür, die Begeisterung für Musik in Zukunft möglichst vielen junge Menschen weiterzugeben. Denn Musik, so formuliert es die Professorin, sei doch der Klebstoff der Gesellschaft.