Jugendliche in Lübeck bauen historischen Prahm nach
Auf der Lübecker Wallhalbinsel bauen derzeit einige Jugendliche einen historischen Prahm nach. Das ist ein flaches Boot, mit dem im Mittelalter die großen Koggen in der Altstadt beladen wurden.
Der Wind pfeift über Lübecker Wallhalbinsel als sollten die Späne gleich mit rein in die Trave, dazu fieser Schneegriesel und auch das Werkzeug ist eine echte Aufgabe - so schwer sieht dieses mittelalterliche Breitbeil aus. "Wir sind dabei, eine Planke zu behauen", erklärt Clara Mitze. "Wir haben das aus einem Baumstamm rausgespalten. Den mit Keilen so aufgeschlagen, dass er in der Mitte gerissen ist. Die Hälfte, die gut gewachsen ist, behauen wir jetzt mit den Beilen."
Neben der jungen Frau aus Südhessen liegen etliche Baumstämme, die alle gut einen halben Meter im Durchmesser haben. Daraus in reiner Handarbeit die Planken zu schneiden, ist ziemlich anstrengend. "Man kriegt Muskelkater und manchmal auch ein bisschen Schmerzen in den Handgelenken, aber das geht mit der Zeit auch weg", sagt Clara.
Körperliche Arbeit und Feinarbeit
Hinter Clara steht Bela Magens aus Ratzeburg breitbeinig über dem sieben Meter langen Brett. Stück für Stück knabbert seine wuchtige Klinge Späne aus dem Holz. Er ist ordentlich rot im Gesicht, Finger und Knöchel der Hand sind leicht abgeschabt. "Ich versuche hier, eine möglichst gerade Fläche zu bearbeiten", erklärt er. "Nachher wird das mit einem Dechsel noch feiner gemacht." Weil der Baum etwas schräg gewachsen ist, müsse er das am Ende zudem noch mit heißem Wasserdampf biegen.
Heino Schmarje leitet den Bootsbau an
Dass es auf der Baustelle läuft, dafür sorgt Heino Schmarje. Der Bootsbauer hat sonst mehr mit der am Kai liegenden "Lisa von Lübeck" zu tun. Er sieht die Spanten durch - schwere, oberschenkeldicke Hölzer mit einem deutlichen Knick. "Im Mittelalter hat man das so gemacht: Da hat man die Bäume nicht abgesägt, sondern sie ausgegraben und umfallen lassen", erklärt er. "Die krummen Wurzelstücke, die Spitzen, hat man dann benutzt, um Knie in Schiffe einzubauen." Heino Schmarje schaut rüber zu den abgewinkelten Spanten. "Die Idealsten sind das nicht. Aber es sind schon mal welche. Wenn sie Besseres finden, werden sie die wohl noch mal tauschen."
Prahm geht auf Fundstücke aus dem 12. Jahrhundert zurück
Da authentisch gebaut wird und weil das Holz für Koggen, Prahme und andere Wasserfahrzeuge schon im Mittelalter aus dem Lübecker Stadtwald kam, liegt auf der Wallhalbinsel Eichenstamm an Eichenstamm. "Obwohl die Eichen nicht gut wachsen, hat man schon früh im Mittelalter Bäume speziell für den Haus- und Schiffbau gepflanzt", sagt der Bootsbauer. "Lübeck hat als Königin der Hanse große Speicher gehabt und viele Schiffe. Da ist also Eiche genug."
Warum ausgerechnet dieser Prahm nachgebaut wird? Im Gründungsviertel haben Archäologen Teile eines solchen mittelalterlichen Kahns gefunden. "Der wird datiert auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts - also ganz frühe Stadtgründungszeit" erklärt Ivalu Vesely, die Leiterin der Jugendbauhütte Lübeck, bei der die Jugendlichen ihr FSJ machen. "Anhand dieser sieben Fundstücke vom Prahm versuchen wir jetzt, diesen Lastkahn authentisch nachzubauen."
Wird der Prahm zur historischen Fähre?
Der könnte dann später als Nachbau eines historischen Bootes auf der Trave fahren, überlegt die Archäologin. Im Mittelalter haben solche Kähne noch beim Be- und Entladen der großen Koggen geholfen. "Eine andere Möglichkeit ist eine Fährfunktion. Er hat ja einen ganz flachen Bug und Heck, damit er auch einfach be- und entladen werden konnte."
Vielleicht fährt der Prahm dann bald zwischen dem Festland und der Lübecker Altstadtinsel - immer über die Trave, an der momentan Bela Magens das Holz bearbeitet. "Ich sehe das schon als zivilisatorischen Fortschritt, dass wir Werkzeug haben, das uns die Arbeit leichter macht."