Günter-Grass-Haus erhält handschriftliches Grass-Manuskript
Es ist eine Liebeserklärung an die deutsche Sprache - und es ist der letzte große Prosatext von Günter Grass: "Grimms Wörter". Das Manuskript ist heute an das Lübecker Günter-Grass-Haus übergeben worden.
Es ist ein kleiner Schatz, der nun im Günter-Grass-Haus lagert: Das handschriftliche Manuskript für "Grimms Wörter" besteht aus mehr als 10.000 Seiten, die in 15 Kartons aufbewahrt werden. Entsprechend groß ist der mediale Andrang bei der offiziellen Übergabe. Hilke Ohsoling kennt jede dieser vielen Manuskript-Seiten. Sie hatte jede davon irgendwann in der Hand: "Ich habe immer gesagt, ich bin für alles zuständig, was Herr Grass nicht selber machen möchte."
Entstehung von Günter Grass' Texten
20 Jahre lang bis zu seinem Tod 2015 hat sie mit dem Künstler zusammengearbeitet - als Galeristin, Sekretärin und auch beim Schreiben neuer Texte: "Da hat er erst eine handschriftliche Fassung gehabt. Dann hat er mit seiner Olivetti getippt. Dann hat er sein selbst getipptes nochmal bearbeitet und nochmal getippt. Und an irgendeinem Punkt war er soweit, dass er gesagt hat: Jetzt ändert sich nicht mehr so viel. Jetzt lohnt es sich, das Ganze zu diktieren, damit wir eine Computerfassung haben. Und die hat er mir diktiert, Seite für Seite."
In dieser ausgedruckten Computerfassung hat Grass wiederum handschriftlich Korrekturen vorgenommen. Hilke Ohsoling musste die dann erneut in den Computer eingeben - bis Günter Grass zufrieden war. Eine Computertastatur hat der Künstler selbst nie angefasst. "Ich fand diesen Prozess extrem spannend", erzählt Ohsoling. "Zumal ich manchmal ganz stolz registrieren konnte, wenn ich eine Frage gestellt habe oder irgendeine Information beigesteuert habe, dass sie dann in der nächsten Version in irgendeiner Art und Weise vorkam. Das kann man ja normalerweise nicht. Als Leser bekommt man nur Fertigprodukte."
50.000 Euro für das Originalmanuskript von "Grimms Wörter"
Mehr als 13 Fassungen von "Grimms Wörter" hat Grass insgesamt geschrieben, bis sie in den Druck gingen. Und das innerhalb von zwei Jahren. Heute liegen die Manuskripte noch in farbigen Ordnern auf einem Tisch im Obergeschoss des Günter-Grass-Hauses. Sie sollen nun nach und nach sortiert, inventarisiert und digitalisiert werden. 50.000 Euro musste das Museum dafür an die Günter und Ute Grass Stiftung zahlen. Sie verwaltet den Nachlass des Künstlers. Unterstützt wurde das Günter-Grass-Haus dabei vom Kulturstaatsministerium.
Museumsleiter Jörg-Philipp Thomsa freut sich über die Manuskripte und den seiner Meinung nach fairen Preis dafür: "Das ist ein Freundschaftspreis. Es ist eine sehr große Verantwortung, die wir hier haben als ein Haus, das einem Nobelpreisträger gewidmet ist. Wir erhalten Bundesmittel um tolle Veranstaltungen und Ausstellungen zu machen - und auch, um diese wichtigen Werke zu bewahren und zu erforschen."
Ab Sommer im Günter-Grass-Haus Lübeck ausgestellt
Anfragen von Forschenden hat Thomsa bereits mehrfach bekommen - auch aus dem Ausland: "'Grimms Wörter' ist ein durch und durch deutsches Buch. Das Ausland interessiert sich natürlich sehr für deutsche Kultur. Und da sind die Grimms mit Grass zusammen natürlich ein wahrer Schatz, um sich mit der deutschen Geschichte, Kultur und Sprache zu beschäftigen." Und dieser Schatz soll voraussichtlich ab Sommer für die Besucherinnen und Besucher des Günter-Grass-Hauses in Lübeck zu sehen sein.