"Stadt der Hunde": Sensationell komponierter Roman von Leon de Winter
In den letzten Jahren hat sich Leon de Winter häufig an hochbrisanten Debatten zum Nahostkonflikt beteiligt. In seinem neuen Roman werden diese Themen mit hoher Erzählkunst in einer Geschichte versteckt.
Die Hauptfigur ist der niederländische Gehirnchirurg Jaap Hollander. In seinem Metier ist er ein international gefeierter Star, er gilt als Genie und wird häufig gerufen, wenn ein Fall nahezu aussichtslos scheint. Emotional ist er eher unterbegabt. Er war verheiratet mit einer ehemaligen Krankenschwester, sie hatten eine Tochter, die Ehe wurde geschieden, nachdem ihre Tochter verschwunden war. Diese Tochter Lea ist bei ihrer ersten Reise mit ihrem Freund Joshua nach Israel in der Wüste Negev gewandert, aber die beiden sind nicht zurückgekommen und ihre Leichen nie gefunden worden. Ihr Vater sucht noch jahrelang nach ihr.
Jaap weigerte sich zu akzeptieren, dass Lea tot war. Er reiste nicht mehr so häufig in die Wüste, aber noch immer regelmäßig (…) Diejenigen, die schon zur Zeit von Leas und Joshuas Verschwinden dort gelebt hatten, wussten, wer er war und was er dort machte. Leseprobe
Eine Milliarde Dollar für eine Gehirn-OP
Nun fährt Jaap zum ersten Mal als Pensionär nach Israel. Das Sonderbare ist, dass seine Beziehung zu seiner Tochter nie besonders innig war, aber sie wird seit ihrem Verschwinden von Jahr zu Jahr intensiver. Dann wird eine spektakuläre Bitte an Jaap herangetragen: Er soll die heiß geliebte Tochter eines saudischen Prinzen operieren. Man hat von seiner außerordentlichen Begabung gehört, und er soll etwas erreichen, was bisher kein Arzt, der dafür konsultiert wurde, für möglich hält: eine Operation im Gehirn des Mädchens. Dort würde eine Missbildung von kaum zugänglichen Gefäßen ohne diese Operation bald zu ihrem Tod führen. Jaap Hollander ist ihre letzte Hoffnung.
Allein die Vorbereitungen im diplomatischen Geflecht der politischen Lage entwickeln sich dramatisch. Die Regierung in Israel wird eingeschaltet und eine Vermittlerin beauftragt - es ist klar, dass es hier nicht nur um das Überleben oder Sterben einer Patientin geht, sondern um Krieg und Frieden. Sein OP-Besteck muss aus den Niederlanden eingeflogen werden und er will:
"… einen Vertrag. Drei Millionen. Für einen saudischen Prinzen sollte so ein Betrag doch kein Hindernis darstellen, oder?" Rina sagte: "So viel verdient er pro Stunde, meine ich. Er hat übrigens einen höheren Betrag ausgeschrieben." "Mehr als drei Millionen?" "Ich bin befugt, es Ihnen mitzuteilen, der Ministerpräsident ist einverstanden. Tausend Millionen Dollar. Eine Milliarde." Leseprobe
Leon de Winter nimmt seine Leser ernst
Ob die Operation, die absolut aussichtslos scheint, gelingt oder nicht:
Es gab kein Zurück mehr: Mit seinem Versprechen, der jungen Frau zu helfen, hatte Jaap einen Sog ausgelöst oder einen Sturm oder wie immer man es nennen mochte. Leseprobe
Diese Operation ist allerdings keineswegs die einzige Spannung, in die uns dieser sensationell komponierte Roman treibt. Auch die Geschichte des Arztes und seiner verschollenen Tochter hat es in sich. Außerdem taucht ein rätselhafter Hund auf, der wie ein Wesen aus einer Schattenwelt oder Zwischenwelt daherkommt. Das Besondere an den Romanen von Leon de Winter ist, dass nie alles ausbuchstabiert oder erklärt wird, schon gar nicht das, was Leserinnen und Leser sich selbst denken können. Er nimmt uns als Partner ernst, mit ihm gemeinsam nachzudenken über die Absonderlichkeiten des Lebens.
Stadt der Hunde
- Seitenzahl:
- 272 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Niederländischen von Stefanie Schäfer
- Verlag:
- Diogenes
- Bestellnummer:
- 978-3-257-07281-5
- Preis:
- 26 €