Die Poetin Mascha Kaléko inspiriert noch immer
Vor 50 Jahren ist Mascha Kaléko gestorben und inspiriert immer noch Dichterinnen und Liedermacher. Es scheint fast so: mehr denn je! Erinnerungen an eine einzigartige Poetin.
Was wir über ihr Leben wissen sollten, hat uns Mascha Kaléko in ihrem "Interview mit mir selbst" auf den Punkt gebracht: "Ich bin als Migrantenkind geboren in einer kleinen klatschbeflissenen Stadt, die eine Kirche, zwei bis drei Doktoren und eine große Irrenanstalt hat. Mein meistgesprochenes Wort als Kind war: Nein. Ich war kein einwandfreies Mutterglück, und denk ich an diese Zeit zurück, ich möchte nicht mein Kind gewesen sein."
Sanft und satirisch, einfühlsam und spitz zugleich. Das ist der Kaléko-Sound, der sich durch ihr ganzes Werk zieht. Nach ihrer Geburt in Galizien, dem heutigen Polen, siedelte sie mit ihrer Mutter zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 nach Deutschland über. 1918 kam sie nach Berlin und verbrachte dort Schul- und Studienzeit. An ihre Zeit als Büroangestellte erinnert sie sich im "Interview mit mir selbst" auch: "Acht Stunden bin ich dienstlich angestellt und tue eine schlecht bezahlte Pflicht, am Abend schreibe ich manchmal ein Gedicht. Mein Vater meint: das habe noch gefehlt."
Mokante selbstironisierende Art der Dichtung
Da sind viele namhafte Schriftstellerkollegen anderer Ansicht. Erich Kästner, Joachim Ringelnatz und Thomas Mann unterstützen sie. Hermann Hesse beschreibt ihre Lyrik so: "Es ist eine aus Sentimentalität und Schnoddrigkeit großstädtisch gemischte mokante selbstironisierende Art der Dichtung. Launisch und spielerisch, direkt von Heinrich Heine abstammend."
Ausgerechnet für die Berliner Wochenzeitung "Welt am Montag", bei der sie die Nachfolge von Erich Kästner antritt, schreibt sie - sicher nicht ohne Augenzwinkern - diese Zeilen:
"Montag hat die Welt noch kein Gesicht und kein Mensch kann ihr ins Auge sehen. Montag heißt: schon wieder früh aufstehen, Training für das Wochenschwergewicht."
Balance zwischen ironischem Witz und melancholischem Ernst
Bei allen zutreffenden Vergleichen mit Heine, Tucholsky, Kästner und Ringelnatz, hat sie aber vor allem einen ganz eigenen Stil entwickelt, bei dem sie die Balance zwischen ironischem Witz und melancholischem Ernst mühelos hält. Sie nennt es Janus-Köpfigkeit:
"Wie Janus zeigt zuweilen mein Gedicht,
seines Verfassers doppeltes Gesicht.
Die eine Hälfte des Gesichts ist lyrisch,
die andere hingegen fast satirisch.
Zwei Seelen wohnen, ach, in mir zur Miete,
zwei Seelen von konträrem Appetite.
Was ich auch braue in meinem Dichtertopf,
stets schüttelt Janus einen halben Kopf."
Mascha Kaléko
50 Jahre nach ihrem Tod: Kaléko ist wieder da
Das Nazi-Regime trieb Mascha Kaléko in die Emigration. All ihren Bemühungen, nach dem Krieg mit Deutschland wieder ein versöhnliches Verhältnis aufzubauen, stießen an Grenzen. Nach ihrem Tod am 21. Januar 1975 geriet sie vorübergehend in Vergessenheit. Aber inzwischen ist sie wieder da. Mehr denn je.
Die Liedermacherin Dota Kehr hat bereits zwei Alben mit Vertonungen von Kaléko-Gedichten herausgegeben und hat dafür auch Hannes Wader als Mitstreiter gewinnen können. Und in diesen Tagen kommt ein weiteres Album der italienischen Liedermacherin Etta Scollo hinzu. Der Titel passt besonders gut zu Kaléko, könnte es auch ihr Lebensmotto gewesen sein: "Zur Heimat erkor ich mir die Liebe."