Felicia Sternfeld © Europäisches Hansemuseum Lübeck / Lena Morgenstern Foto: Lena Morgenstern

Felicia Sternfeld: "Es braucht Förderung, Mentorinnen und Quote!"

Stand: 23.01.2023 14:25 Uhr

Seit Oktober 2015 leitet Felicia Sternfeld das Europäische Hansemuseum in Lübeck. Seit Januar 2023 ist sie auch Präsidentin von ICOM, dem internationalen Museumsrat. Ein Gespräch über eine Karriere mit Kindern.

von Anina Pommerenke

Immernoch kommen deutlich weniger Frauen in der Kulturwelt in Führungspositionen an als Männer. Dabei beginnen verschiedenen Statistiken zufolge deutlich mehr Frauen entsprechende Studiengänge und Volontariate. Eine Beobachtung, die auch die Kunsthistorikerin Felicia Sternfeld in ihrem eigenen Umfeld wahrnimmt und kritisiert. Besonders auf Twitter vertritt Sternfeld leidenschaftlich ihr Anliegen: Lange habe sie gedacht: "Wir brauchen keine Quote, das wird schon. Die Frauen setzen sich schon durch, wenn sie schön fleißig sind." Mittlerweile hat die Anfang 50-Jährige ihre Meinung aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen geändert. Es brauche Förderung, es brauche Mentorinnen, es brauche eine Quote, um gewisse Hürden überwinden zu können, so ihre Überzeugung.

Sternfeld: "Ich habe am Anfang keine Karriere gemacht."

Seit 2015 leitet Sternfeld das Europäische Hansemuseum in Lübeck, seit Anfang 2023 ist sie auch die Präsidentin von ICOM, dem internationalen Museumsrat, der 1946 in Zusammenarbeit mit der UNESCO gegründet wurde. Und das obwohl sie selbst zwei Kinder hat. Ihre Karriere habe darunter zunächst gelitten, berichtet sie: "Ich habe am Anfang keine Karriere gemacht!", blickt Sternfeld zurück. Es habe lange gedauert. Entsprechend sei sie selbst sehr interessiert an den Themen Kinderbetreuung und Metal Load, schließlich werde im Kulturbereich leidenschaftlich und viel gearbeitet.

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Schwerer Einstieg nach Babypause

Nach dem Magister habe sie zwar direkt angefangen zu arbeiten, doch dann sei auch bei ihr die "berühmte Babypause" gekommen. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes habe sie für ein Jahr ausgesetzt und dann in Wien gelebt. Dort habe sie sich auf eine Ausschreibung beworben, die perfekt zu ihrem Profil gepasst hätte, erinnert sich Sternfeld. Doch die Leiterin der Einrichtung sagte ihr damals: "Ich brauche nicht noch eine Frau und Mutter, die um 14 Uhr den Stift fallen lässt." Diese schreckliche Aussage habe sie nie vergessen. Die ersten Jahre habe sie dann Teilzeit gearbeitet, weil sie Beruf und das Elterndasein verbinden wollte - nicht ganz unwichtig bei dieser Entscheidung war die Tatsache, dass ihr Mann beruflich erfolgreich war.

Zurück zu Vollzeit - keine Sekunde bereut

Das änderte sich erst, als ihr selbst ein Job angeboten wurde, der nur in Vollzeit zu haben war: Projektleiterin bei der Art Karlsruhe, eine Aufgabe, die mit vielen Reisen und Abendterminen verbunden war. Eine Kita-Betreuung, so viel war klar, würde nicht ausreichen - zumal ihr Partner beruflich auch stark eingespannt war. Gemeinsam mit ihrem Mann suchte Sternfeld nach einer Lösung, die sie lange diskutierten: "Wir haben dann die beiden Jungs in ein Kinderzimmer getan und ein Au-Pair-Mädchen eingestellt." Eine Entscheidung, die sich letztlich positiv auf ihre gesamte weitere Karriere ausgewirkt hat. Für viele sei das keine Option, räumt Sternfeld ein, da es damit einhergehe, die Kinder weniger zu sehen und auch ein Stück weit die Erziehung anderen zu überlassen. Doch worüber sie sich am Anfang lange den Kopf zerbrach, wurde schnell zum neuen Standard: "Danach war es für mich nie wieder eine Frage, ob ich Vollzeit arbeite - letztendlich bereue ich das keine Sekunde."

"Ein Umdenken in der Gesellschaft ist notwendig"

Nicht nur weil sie sehr gerne arbeite. Sondern auch weil es wichtig sei für Frauen, die Gesellschaft mitzugestalten und für die Rente einzuzahlen. Entsprechend versuche sie selbst auch die Mitarbeiterinnen im eigenen Haus zu unterstützen, doch die Erfahrung zeige, dass die jungen Mütter kaum in Vollzeit arbeiten. Sternfeld macht dafür besonders die mangelnden Kinderbetreuung verantwortlich und fordert, dass die Gesellschaft in diesem Bereich mehr erreichen müsse. Außerdem sollten Väter ihrer Meinung nach mehr Elternzeit nehmen und es erfordere ein Umdenken in der Gesellschaft, dass eben auch Frauen arbeiten, findet Sternfeld.

Frauen tragen oft den Mental Load zuhause

Sie selbst habe außerdem den Eindruck, dass Frauen sich grundsätzlich mehr verantwortlich für die Kinder fühlen und daher auch ein konservatives Rollenbild aufrecht erhalten werde. "Mein Mann hat mich immer unterstützt, wir haben das alles gemeinsam besprochen und entschieden - trotzdem habe ich immer die Verantwortung gehabt!" Das sei ihr eigentlich erst nachträglich so richtig bewusst geworden, als der Begriff Mental Load aufkam. Ihr Mann sei viel gereist zu der Zeit, sie selbst habe Vollzeit gearbeitet und sich trotzdem zuhause um alles gekümmert. Hier erhoffe sie sich einen gesellschaftlichen Wandel. Im Moment arbeite ihr Mann beispielsweise weniger, auch das müsse positiv belegt sein. Sternfeld jedenfalls hofft, dass sie ihren Söhnen so auch ein anderes Modell vorlebt.

Mehr Elternzeit für Männer

Sie selbst versuche etwa, die männlichen Angestellten in ihrem Haus zu mehr Elternzeit zu motivieren. Doch immer wieder erlebe sie in Gesprächen, dass die Männer das nicht wollen, weil sie die Hauptverdiener in der Familie sind: "Am Schluss ist es oft das Geld und das kann ich auch verstehen. Trotzdem könnte das alles für mich etwas schneller gehen mit dem Wandel." Ein wenig Hoffnung mache ihr aktuell die Tatsache, dass Fachkräfte dringend gebraucht werden - das sei zu ihren eigenen Studienzeiten, als sie Kunstgeschichte studierte, noch ganz anders gewesen. So gesehen sei es einfacher, sich für einen Beruf zu entscheiden, der einen auch erfülle und Frauen werden ihrer Meinung nach auf dem Arbeitsmarkt mehr denn je gebraucht.

"Frauen müssen sich mehr zutrauen"

Wenn sie auf ihre eigene Karriere zurückblicke, habe sie auch viel Glück gehabt, glaubt Sternfeld. Doch zum Glück gehöre eben auch dazu, bestimmte Situationen zu nutzen. Sie würde jungen Frauen dazu raten, sich immer ein bisschen mehr zuzutrauen als man sich eigentlich zutraut. Sie selbst habe beispielsweise den Messe-Job angenommen, auch wenn sie zuvor noch nie eine Messe organisiert hatte und noch nie ein Team geführt hatte. "Am besten lernt man, wenn man ein bisschen überfordert ist im Job und sich auch anstrengen muss, dass man etwas gut macht." Danach sei für sie klar gewesen, dass sie das weiter machen möchte: Vollzeit arbeiten, ein Team führen - oder wie viele sagen würden: Karriere machen.

Scheitern ist nicht schlimm

Rückblickend habe sie das Gefühl, dass die Jobs immer auch ein bisschen zu ihr gefunden haben. Auf Karlsruhe folgte eine Anschlussposition beim Theaterfiguren-Museum in Lübeck - zwar ein kleines Haus, dafür habe sie sehr frei arbeiten und gestalten können. Ins Hansemuseum sei sie dann eher zufällig gekommen, weil beide Häuser der Possehl-Stiftung angehören. Und auch diese Aufgabe habe viel neues mit sich gebracht: deutlich mehr Personal, mehr Zahlen als Geschäftsführerin. Trotzdem habe sie sich die Aufgabe zugetraut: "Was kann passieren? Man kann scheitern, das finde ich aber nicht schlimm."

Neuer Herausforderung: ICOM-Präsidentin

Auch die Wahl zur ICOM-Präsidentin für drei Jahre sieht Sternfeld als neue Herausforderung, immerhin stehe sie dort noch einmal ganz anders im Licht der Öffentlichkeit. "Einfach machen", habe sie sich gedacht, als sie sich zur Wahl stellte. Auf die neue Aufgabe freue sie sich besonders, weil sie Museen als großartige Institutionen mit unedlich vielen Möglichkeiten betrachte. Die internationale Vernetzung der Häuser voranzubringen sei eine Aufgabe, auf die sie unheimlich Lust habe und ihr viel Spaß mache: "Ich glaube, das wird gut!"

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 27.01.2023 | 06:14 Uhr

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