Museums-Fundstück: Rätsel um die "Graue Frau" von Eiderstedt
Bisher wusste niemand, was es mit der lebensgroßen Steinfigur einer Frau in Tracht aus dem 16. Jahrhundert im Museum der Landschaft Eiderstedt auf sich hat. Jetzt konnte der Heimatforscher Albert Panten des Rätsels Lösung näher kommen.
Wer das Museum der Landschaft Eiderstedt in St. Peter-Ording betritt, kommt zuerst einmal an einer steinernen Frau vorbei. Dann sieht man sich in den Räumen um, erfährt vieles über die Geschichte Eiderstedts - und vielleicht findet man ein Lieblingsausstellungsstück. Manchen Menschen geht es aber so: Was auch immer sie sehen und erleben in diesem Haus - die Figur aus Stein geht ihnen nicht mehr aus dem Kopf. Roter Vorhang also für die sogenannte "Graue Frau", die jeden Besucher und jede Besucherin begrüßt und doch kaum etwas über sich selbst preisgibt. Wer ist die "Graue Frau"?
Die "Graue Frau" von Eiderstedt: Viele Theorien um rätselhafte Steinfigur
60 Kilometer von St. Peter-Ording entfernt, in Bredstedt, sitzt Albert Panten in der Bibliothek des Nordfriisk Instituut. Seit Jahrzehnten erforscht der ehemalige Lehrer die Geschichte Nordfrieslands. Auch ihm hat es die "Graue Frau" angetan, weil er weiß: Es gibt viele Theorien über ihre Identität. "Wenn es viele Mutmaßungen der verschiedensten Art gibt, dann stimmt da irgendetwas nicht. Das ist für mich der Angriffspunkt", sagt Panten.
Eiderstedt ist in der Zeit um 1600 eine wohlhabende Region. Aus ihrer Heimat geflohene Niederländer:innen haben sich hier angesiedelt und die Landwirtschaft auf Milchbetrieb umgestellt. Der massenhafte Export des guten Eiderstedter Käses bringt viel Geld ein. Auch die Feiertagstracht der "Grauen Frau" beweist Wohlstand. In der Kirche von Oldenswort kann man noch besser sehen, wie diese Tracht um 1600 ausgesehen hat. Aber mehr sagt das vorerst nicht darüber aus, wer sich hinter der "Grauen Frau" verbirgt.
Zufallsfund hilft bei der Entschlüsselung des Rätsels
Da stößt Albert Panten beim Lesen einer Eiderstedter Chronik zufällig auf eine Notiz: Im Jahre 1602, heißt es dort, reiste Herzog Johann Adolf durch Eiderstedt. Er besuchte verschiedene Orte. "Am Nachmittag fuhren sie weiter zur Kirche von Oldenswort, denn offensichtlich hatten fürstliche Gnaden schon davon gehört, dass in der Kirche etwas Besonderes zu sehen war - und das waren die steinernen Bildnisse von Pastor und Pastorin", erklärt Panten.
Steinerne Porträtskulpturen als Grabdenkmäler waren damals auf Eiderstedt nicht üblich. Dies ist das einzige überlieferte Exemplar überhaupt. Unten auf ihrem Sockel ist ihr Sterbedatum vermerkt: 13. März 1596, im Alter von 49 Jahren. "Da habe ich gedacht: Pastoren auf dem Dorf gehörten damals zur Elite", berichtet Panten. "Die Elite in der Umgebung Husums hatte durchaus das Geld, um für die Verstorbenen die Kirchenglocken von St. Marien läuten zu lassen."
War die "Graue Frau" eine Oldensworter Pastorenfrau?
Im Glockenregister wird damals jedes zahlungspflichtige Läuten vermerkt. Tatsächlich steht dort zwei Tage nach dem Sterbedatum der "Grauen Frau" der Eintrag, dass für die verstorbene Oldensworter Pastorenfrau geläutet wurde. "Das ist ein Indizienbeweis, aber es passt alles so gut zusammen: die Notiz, steinerne Bildnisse, Sterbedatum und Beläutedatum", sagt Panten.
Vielleicht war es also die Frau des damaligen Pastors Mumsen. Vielleicht stand die Skulptur ursprünglich in der Oldensworter Kirche. Vielleicht wissen wir jetzt ein bisschen mehr über die "Graue Frau" im Museum in St. Peter-Ording.