Museums-Fundstück: Rätsel um die "Graue Frau" von Eiderstedt

Stand: 22.01.2025 10:47 Uhr

Bisher wusste niemand, was es mit der lebensgroßen Steinfigur einer Frau in Tracht aus dem 16. Jahrhundert im Museum der Landschaft Eiderstedt auf sich hat. Jetzt konnte der Heimatforscher Albert Panten des Rätsels Lösung näher kommen.

von Thomas Kahlcke

Wer das Museum der Landschaft Eiderstedt in St. Peter-Ording betritt, kommt zuerst einmal an einer steinernen Frau vorbei. Dann sieht man sich in den Räumen um, erfährt vieles über die Geschichte Eiderstedts - und vielleicht findet man ein Lieblingsausstellungsstück. Manchen Menschen geht es aber so: Was auch immer sie sehen und erleben in diesem Haus - die Figur aus Stein geht ihnen nicht mehr aus dem Kopf. Roter Vorhang also für die sogenannte "Graue Frau", die jeden Besucher und jede Besucherin begrüßt und doch kaum etwas über sich selbst preisgibt. Wer ist die "Graue Frau"?

Die "Graue Frau" von Eiderstedt: Viele Theorien um rätselhafte Steinfigur

Eine steinerne Frauenfigur © Screenshot NDR
Die Steinfigur gibt den Besucherinnen und Besuchern des Museums Landschaft Eiderstedt seit Jahrzehnten Rätsel auf.

60 Kilometer von St. Peter-Ording entfernt, in Bredstedt, sitzt Albert Panten in der Bibliothek des Nordfriisk Instituut. Seit Jahrzehnten erforscht der ehemalige Lehrer die Geschichte Nordfrieslands. Auch ihm hat es die "Graue Frau" angetan, weil er weiß: Es gibt viele Theorien über ihre Identität. "Wenn es viele Mutmaßungen der verschiedensten Art gibt, dann stimmt da irgendetwas nicht. Das ist für mich der Angriffspunkt", sagt Panten.

Eiderstedt ist in der Zeit um 1600 eine wohlhabende Region. Aus ihrer Heimat geflohene Niederländer:innen haben sich hier angesiedelt und die Landwirtschaft auf Milchbetrieb umgestellt. Der massenhafte Export des guten Eiderstedter Käses bringt viel Geld ein. Auch die Feiertagstracht der "Grauen Frau" beweist Wohlstand. In der Kirche von Oldenswort kann man noch besser sehen, wie diese Tracht um 1600 ausgesehen hat. Aber mehr sagt das vorerst nicht darüber aus, wer sich hinter der "Grauen Frau" verbirgt.

Weitere Informationen
Ein alter Siegelring liegt auf rotem Grund. © Screenshot
3 Min

Ein Siegelring in St. Peter-Ording erzählt Geschichte

Der Ring von 1613 liegt im Museum Landschaft Eiderstedt und geht auf ein Ereignis zurück, das bis in die Gegenwart wirkt. 3 Min

Zufallsfund hilft bei der Entschlüsselung des Rätsels

Da stößt Albert Panten beim Lesen einer Eiderstedter Chronik zufällig auf eine Notiz: Im Jahre 1602, heißt es dort, reiste Herzog Johann Adolf durch Eiderstedt. Er besuchte verschiedene Orte. "Am Nachmittag fuhren sie weiter zur Kirche von Oldenswort, denn offensichtlich hatten fürstliche Gnaden schon davon gehört, dass in der Kirche etwas Besonderes zu sehen war - und das waren die steinernen Bildnisse von Pastor und Pastorin", erklärt Panten.

Steinerne Porträtskulpturen als Grabdenkmäler waren damals auf Eiderstedt nicht üblich. Dies ist das einzige überlieferte Exemplar überhaupt. Unten auf ihrem Sockel ist ihr Sterbedatum vermerkt: 13. März 1596, im Alter von 49 Jahren. "Da habe ich gedacht: Pastoren auf dem Dorf gehörten damals zur Elite", berichtet Panten. "Die Elite in der Umgebung Husums hatte durchaus das Geld, um für die Verstorbenen die Kirchenglocken von St. Marien läuten zu lassen."

VIDEO: Eiderstedt für Neugierige (4 Min)

War die "Graue Frau" eine Oldensworter Pastorenfrau?

Im Glockenregister wird damals jedes zahlungspflichtige Läuten vermerkt. Tatsächlich steht dort zwei Tage nach dem Sterbedatum der "Grauen Frau" der Eintrag, dass für die verstorbene Oldensworter Pastorenfrau geläutet wurde. "Das ist ein Indizienbeweis, aber es passt alles so gut zusammen: die Notiz, steinerne Bildnisse, Sterbedatum und Beläutedatum", sagt Panten.

Vielleicht war es also die Frau des damaligen Pastors Mumsen. Vielleicht stand die Skulptur ursprünglich in der Oldensworter Kirche. Vielleicht wissen wir jetzt ein bisschen mehr über die "Graue Frau" im Museum in St. Peter-Ording.

Weitere Informationen
Ansicht einer Hallig Marschinsel vor der Küste in Norddeutschland, 1960er Jahre © IMAGO / United Archives Foto: Erich Andres
34 Min

Emil Nolde und die Nordfriesische Landschaft

Zwei Redakteure beschäftigen sich mit dem Werk Noldes unter besonderer Beachtung der friesischen Landschaft und des Himmels über ihr. 34 Min

Bildhauer Hein Hoop, in Begleitung mit Hund, neben einer seiner Skulpturen im Watt. © Screenshot
3 Min

Hein Hoop: Der fast vergessene Künstler aus Eiderstedt

In den 1960ern ist Hein Hoop in Eiderstedt bekannt wie ein bunter Hund. Das Museum Landschaft Eiderstedt zeigt nun eine Skulptur von ihm. 3 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Schleswig-Holstein Magazin | 21.01.2025 | 18:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Archäologie

Ausstellungen

Ein leerer Bilderahmen hinter Polizei-Absperrband. © NDR Foto: Foto: [M] Aleksandr Golubev | istockphoto, David Wall | Planpicture

Kunstverbrechen - True Crime meets Kultur

Lenore Lötsch und Torben Steenbuck rollen spektakuläre Kunstdiebstähle auf. Sie nehmen uns mit an Tatorte, treffen Zeugen und Experten. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Roboterhand auf Klaviatur (Montage) © Fotolia Foto: Sergey

Urheberrechtsverletzung: Gema klagt gegen KI-Unternehmen

Gema-Chef Tobias Holzmüller erläutert, warum sein Unternehmen zwar klagt, aber dennoch "partnerschaftliche Lösungen" sucht. mehr