Syke: Textil-Archäologin zur Mode vergangener Jahrtausende
Wie hat sich die Kleidung im Laufe der Jahrtausende entwickelt? Wie haben sich die Menschen in der Bronze- und Eisenzeit angezogen? Die Textil-Archäologin Katrin Kania hat sich damit auseinandergesetzt und stellt ihre Ergebnisse jetzt im Landkreis Diepholz vor.
Wenn wir das Wort Steinzeit hören, stellen wir uns vielleicht unzivilisierte Menschen vor, die in Höhlen lebten, sich mit Fellen kleideten und mit einer Keule auf die Jagd gingen. Doch auch unsere frühen Vorfahren hatten schon erstaunliche Fähigkeiten, die sich in Bronze- und Eisenzeit verfeinerten. Das helle Oberteil mit dunklem Rock und der braune Umhang mit langem Wollzotteln - sie könnten sich, zumindest für den ungeübten Betrachter, durchaus auf einer aktuellen Modenschau sehen lassen. Tatsächlich aber sind die Kleider Fundstücken aus der Bronzezeit nachempfunden, sagt Textil-Archäologin Katrin Kania: "Das sind Kleidungs-Rekonstruktionen nach zwei Funden aus Dänemark." Die verschiedenen Farben sind, wie wohl auch die ihrer historischen Vorbilder, ganz natürlich. "Das ist naturfarbene Wolle mit verschiedenen Farbabstufungen, weil Schafe eben auch verschiedenfarbig waren. Es gibt Untersuchungen an den dänischen Textilien, da hat man bei den Grabfunden keine Färbung mehr nachweisen können."
Kleidungsfundstücke im Syker Kreismuseum
Die beiden Teile sind gewissermaßen Geschichte zum Anfassen. Sie gehören zum Bronzezeit-Fundus im Syker Kreismuseum, das durch den Fund eines Goldschatzes überregional bekannt wurde. Museumskuratorin ist Nele Miethig: "Genau das, was wir hier sehen, nämlich diese beiden Kleidungsstücke, das eine von der Frau und das andere, von dem Mann - das kann man bei Führungen sehen und auch anfassen - mitunter auch vorsichtig anziehen. Der Gesseler Goldhort ist einer der wichtigsten archäologischen Funde der vergangenen 20 Jahre. Um das Alltagsleben noch besser erfahrbar zu machen, haben wir dafür diese Kleidungsstücke anfertigen lassen."
Textil-Archäologin Kania bildet Kleidungsstücke nach
Genau das ist die Spezialität von Katrin Kania, die Kleidungsstücke möglichst Vorbildgetreu nachbildet. Doch woher weiß sie überhaupt, wie die Kleidung vor vielen tausend Jahren entstand? "Wenn wir sehr viel Glück haben, gibt es gute Haltungsbedingungen im Boden. Dadurch halten sich tatsächlich auch Stoffe oder kleine Teile von Stoffen und die kann man analysieren und rausfinden, wie damals Stoffe ausgesehen haben." Kleidung sei auf jeden Fall schon vor 3.000 Jahren ein Statussymbol gewesen. "Das heißt, es waren auf jeden Fall Prestigeobjekte und die wurden zum Zeigen, wer man ist und wieviel man hat, benutzt."
Vor der Bronzezeit: Menschen waren erstaunlich schick gekleidet
Aber auch in den Jahrtausenden vor der Bronzezeit waren die Menschen erstaunlich geschickt beim Herstellen ihrer Kleidungsstücke, erklärt Nele Miethig: "Man darf sich das auf jeden Fall nicht vorstellen, dass die Leute in der Steinzeit nur mit Fellen unterwegs waren. 6.000 vor Christus haben wir Spindeln in Europa belegt, das heißt, dass es immer eine Entwicklung gab, dass in der Jungsteinzeit Schafe auch nach Deutschland gekommen sind und dass sich eine neue Kleidung entwickelt hat."
Schulen beteiligen sich an experimenteller Archäologie
Um dieses Wissen möglichst praxisnah weiterzuvermitteln, beteiligen sich mittlerweile auch Schulen in der Dümmerregion an der experimentellen Archäologie. Der Sprecher des Naturparks Detlef Tänzer: "Wir veranstalten jedes Jahr archäologische Wochen, dann sind wir mit Experimentalarchäologen unterwegs. Wir haben uns mal zur Eröffnung des Moor-Stegs im Aschenermoor ausgedacht, wo der Bohlenweg gefunden wurde, der 46 vor Christus datiert ist, dass wir solche Kleidung herstellen, wie sie auch damals getragen wurde. Um herauszufinden, wie das überhaupt geht, habe ich Frau Doktor Kania gebeten, uns eine Anleitung zu erstellen. Die liegt uns jetzt vor. Das heißt, die Schulen können sich einzelne Kleidungsstücke vornehmen."
So sollen auch Schüler dafür gewonnen werden, was für Textil-Archäologin Kania die Faszination ihres Fachbereichs ausmacht. "Mich interessiert einfach, wie in früheren Zeiten diese textilen Handwerkstechniken verwendet worden sind und es ist unglaublich, wie viel Wissen und wieviel Fähigkeit dahinter steckt. Auch hinter Sachen, die auf den ersten Blick ganz einfach und ganz unspektakulär sind."