Osnabrücker Museum zeigt die Welt von vor 300 Millionen Jahren
Zwei Meter lange Riesentausendfüßler und Farngewächse, die bis zu 30 Meter hoch ranken - das gab es im Zeitalter des Karbon vor 300 Millionen Jahren. Im Osnabrücker Museum am Schölerberg können die Besucher jetzt einen solchen Karbonwald erleben.
Ein Urnetzflügler sitzt an einem exotisch aussehenden Baumstamm. Wenn man ihn länger betrachtet, dann fliegt er direkt los, kommt immer näher, unangenehm nah. Er setzt sich auf die Linse der Augmented Reality Station. Mit dem Blick durch den kleinen schwarzen Kasten wird der Karbonwald lebendig.
Zwei Meter langer Riesentausendfüßler: Alles wissenschaftlich belegt
Aber auch ohne diese erweiterte Realität ist der Nachbau beeindruckend. Ein Dutzend Bäume, dahinter ein großflächiges Wandbild, das den Wald als Panorama weiterführt.
Alles hier ist wissenschaftlich fundiert, erklärt Museumsdirektor Norbert Niedernostheide. Zum Beispiel der zwei Meter lange Riesentausendfüßler: "Alles, was wir an dem Tier sehen, ist wirklich belegt", so Niedernostheide. "Man findet immer nur kleine Bestandteile. Die Wissenschaftler müssen sich dann erklären: An welcher Stelle des Tieres hat das mal gesessen?"
Museum am Schölerberg zeigt Originalfunde aus der Karbonzeit
In einer Vitrine ist das Tier abgebildet. Einige Teile sind rot markiert. Für sie gibt es Nachweise in Form von Fossilien, die direkt daneben platziert sind. Es sind Originalfunde aus den karbonzeitlichen Schichten des Piesbergs, einem Steinbruch bei Osnabrück. Er galt lange Zeit als größter Hartsteinbruch Europas und hat schon einige Fossilien zu Tage gefördert. Auch das Herzstück der Ausstellung: Die Sigillaria. Die Baumwurzel ist eines der größten Pflanzenfossililien weltweit und wurde vor etwa 150 Jahren am Piesberg gefunden. Sie ist nicht unbedingt größer als heutige Baumwurzeln, aber sehr gut erhalten. Vom Stammansatz gehen vier dicke Wurzeln ab, die sich noch einmal verzweigen. Mithilfe von 15 Meter langen Stahlträgern wurde sie für die neue Ausstellung an einen zentralen Platz gebracht.
"Vorher stand sie ein bisschen in der Ecke, ohne Kontext", erzählt der Museumsdirektor. "Der Ortswechsel musste ganz vorsichtig angegangen werden. Im Grunde genommen hat sie sich nur zwölf Meter weit bewegt, das hat aber Monate gedauert." Denn die Wurzel ist gut fünfeinhalb Tonnen schwer. Jetzt ist sie aus den verschiedensten Perspektiven zu sehen.
Dauerausstellung zum Thema Wald - mit Pilz-Telefon
Die gesamte Ausstellung ist mit der Architektur des Gebäudes verwoben: Sie bewegt sich mit ihren verschiedenen Themenbereichen um den Wald herum. Los geht es mit der Entstehung unserer Erde, es folgen die Lebensräume Wasser, Wald und Offenland. Am Ende geht es um urbanes Leben. Die Ausstellung schafft eine gute Balance zwischen wissenschaftlichen Exponaten und Bereichen, in denen man spielerisch aktiv werden kann: An einigen Bäumen gibt es zum Beispiel Telefonhörer, über die man sich unterhalten kann. Auf dem Boden sieht man dann über Lichtsignale, wie die Information, also die Sprache, weitergeleitet wird. Eine Art Pilztelefon, erklärt Museumsdirektor Niedernostheide. Wenn am Rand des Waldes irgendeine Art von Stress auftaucht, wie Trockenheit oder giftige Stoffe, dann kriegen die Bäume das mit.
Die Natur passt sich seit Jahrmillionen an
Die Informationen, die über dieses Pilz-Netzwerk weitergegeben werden, führen dazu, dass im Waldinneren Bäume dann Blätter abwerfen als Schutzmechanismus", erläutert Niedernostheide. Angebracht sind die Telefonhörer an großen, mosaikartig zusammengesetzten Baumstämmen. Alles, was in der alten Ausstellung aus Holz war, wurde geschreddert und zu Stämmen verarbeitet. Sie stehen für den Wald der Zukunft. Das Blattwerk dazu bilden runde Lautsprecher, die von der Decke hängen.
Wie ein Wald in Zukunft tatsächlich aussehen wird, das lässt sich kaum vorhersagen, so der Museumschef: "Wenn es so weitergeht, werden wir einen radikalen, schnellen Wandel erleben, der nicht prognostizierbar ist. Die Lautsprecher stehen dafür: Wir wissen auch nicht, wer da demnächst singt." Die Ausstellung macht aber auch Hoffnung: Denn sie zeigt, dass die Natur über Jahrmillionen immer wieder erstaunlich gut darin war, sich anzupassen.